Es gibt zwei Menschen in meinem Leben, die mir unendlich viel bedeuten. Es klingt daher ironisch, wenn ich nun schreiben muss, dass ich sie zwar seit 25 Jahren kenne, jedoch leider bereits seit 15 Jahren nicht mehr gesehen und seit 10 Jahren nicht mehr gesprochen habe- und das aus reiner Panik heraus. Nur mit ihrem Sohn konnte ich per E-Mail lange Zeit noch etwas hin und her schreiben. Aber er wich Nachfragen zu seinen Eltern grundsätzlich aus und brach den Kontakt vor zwei Jahren ab. Warum, das ist eine weitere Frage, die mich beschäftigt und meine Angst schürt. Habe ich etwas falsches geschrieben oder getan?
Diese beiden Menschen um die es geht (es handelt sich um eine Ehepaar) haben mich wie ein zweites Kind ins Herz geschlossen, mir durch sehr schwere Zeiten meines Lebens geholfen. Sie waren die ersten und einzigen Menschen, denen ich bedingungslos vertrauen konnte, die immer für mich da waren, die mir wirklich zuhörten, halfen und mir bereits beim bloßen Blick in mein Gesicht ansahen, wenn etwas nicht stimmte. Sie brachten mich zum Lachen, wenn ich traurig war, setzten alles daran, mir den Rücken frei zu halten und sie gaben mir ein unvergleichliches Gefühl geborgen zu sein.
Wir haben uns 9 Jahre lang fast jeden Tag gesehen, waren auch in den Ferien oft zusammen auf Reisen und wann immer sie bei mir waren, ging es mir wirklich gut. Sie waren immer für mich da und ersetzten aus wunderbare Weise all das, was ich bei meinen leiblichen Eltern nicht erfahren konnte. Sie verhinderten, dass ich auf die schiefe Bahn geriet und sie förderten meine Entwicklung und mein seelisches Befinden wo sie nur konnten. Ich war ausgeglichen, fühlte mich geliebt und beschützt- niemand sonst ist oder war je so für mich da, wie diese beiden Menschen. Sie waren alles für mich- und sind, ohne dass sie es wissen, immer noch die Menschen, die mir alles bedeuten. Ich verdanke ihnen unendlich viel- die schönsten Jahre meines Lebens.
Das Problem:
Nach meinem Abschluss in der Schule trennten sich unsere Wege zwangsläufig etwas und nachdem ich mit meinem heutigen Mann zusammen gekommen war, zog ich mit ihm zusammen nach Süddeutschland, wo er her kam. Zu meinen "zweiten Eltern", wie ich sie gerne nenne, konnte ich noch weitere 5 Jahre telefonischen Kontakt halten. Es war jedes Mal ein unglaubliches Highlight für mich, mit ihnen sprechen zu können. Ich war jedes Mal voller Glücksgefühle.
Dann plötzlich kam ein Schicksalsschlag nach dem nächsten... ich wurde sehr krank, Ärzte pfuschten bei einer Behandlung, die ich fast nicht überlebt hätte, nahe Familienmitglieder wurden sehr krank oder starben. Alles in kürzester Zeit. Ich vermute zu der Zeit begann ich langsam eine gewisse Angst davor zu entwickeln, bei meinen "zweiten Eltern" anzurufen, mich gar mit ihnen zu treffen- und das, obwohl ich es so gerne getan hätte und es so sehr gebraucht hätte, ihren Zuspruch, ihre Hilfe und Geborgenheit zu erhalten.
Aber ich hatte Angst....Angst, auch sie zu verlieren. Angst, etwas zu sagen oder zu tun, dass sie hätten falsch verstehen können. Angst, dass sie sich verändern würden. Angst, dass sie sich irgendwann von mir abwenden könnten. Diese Angst ist bis heute geblieben- sie wurde mit der Zeit zu einer Panik. Unzählige Male habe ich in all den Jahren am Telefon gesessen, die Nummer in den Hörer eingetippt, aber Herzrasen bekommen bei dem bloßen Gedanken, anzurufen.
Durch den Lauf des Alltags verdränge ich es oft, aber das Gefühl der Sehnsucht kommt immer wieder hoch....Manchmal wache ich morgens auf und habe die Tränen dick in den Augen stehen, so sehr vermisse ich die beiden. Nun sind sie inzwischen beide Rentner und ich mache mir große Sorgen, ob es ihnen gut geht. Ich weiß, dass die Zeit, die uns noch bleibt, irgendwann begrenzt ist. Aber so sehr ich mich bei den beiden melden, mit ihnen sprechen, mich mit ihnen treffen möchte.... so sehr habe ich Panik davor.
Ich würde sie so gerne wiedersehen, sie in den Arm nehmen und ihnen sagen, was ich fühle und wie sehr sie in meinem Herzen sind. Wenn ich nur wüsste, wie ich diese Panik überwinden kann....und wie ich meine Gefühle zum Ausdruck bringen kann- denn auch das fällt mir sehr schwer. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät :-(
Wie kann ich diese unendlich schwere Hürde endlich überwinden?