Hallo Leute, (das wird ein etwas langer Text, sorry ; ) aber danke jedem, der es liest : ) )
seit langem ist mir etwas aufgefallen und ich frage mich warum es so ist und ob es sich ändern wird. Ich bin in Deutschland geboren, aber meine Eltern kommen aus Afghanistan. Wegen eines Kriegs gab es vor vielen Jahren Flüchtlinge auf der ganzen Welt, die jetzt schon in der 3. Generation im Ausland leben. Es gibt viele Konflikte unter ihnen, zu denen ich mich hier äußern möchte, weil ich im Internet kaum etwas darüber finde.
Das Problem ist, dass die Mehrheit auf eine sehr negative Art rechtsorientiert ist. Sie sehen sich selbst und ihre Landsleute als die Guten, die Unschuldigen und als Opfer der Ausländer/Einwanderer. Alle anderen sind die Bösen, die ihnen nie das Wasser reichen könnten. Und alle Landsleute, die sich nicht nach ihren Regeln verhalten sind mindestens genauso schlecht oder keine richtigen Afghanen. Dabei tun sie selbst so viel Unrecht, sind aber nicht selbstreflektiert, sachlich, objektiv, selbstkritisch genug, um dies zu erkennen, einzusehen, zuzugeben. Viele ihrer Landsleute die anders sind leiden unter ihnen, weil sie sowohl im eigenen Land als auch im Ausland die Mehrheit darstellen und Afghanen die anders sind die Minderheit. Die Afghanen die nicht nach deren Regeln leben, werden sehr stark diskriminiert, diskreditiert, bedroht und verfolgt.
Es sind natürlich nicht alle so schlimm und ich kann sie auch irgendwie verstehen, wenn sie Angst haben, ihre gewohnte Umgebung und Mitmenschen durch die Veränderung zu verlieren. Ich will deswegen niemanden angreifen und es tut mir auch leid, wenn ich jetzt nicht immer die richtige Wortwahl treffe. Es geht lediglich darum aufzuklären und Brücken des Verständnis füreinander zu schaffen. Ich kann sie auch verstehen, dass es emotional und mental schwer und schwierig ist, sich auf Veränderungen oder Gegensätze einzustellen, die nicht dem eigenen Weltbild entsprechen. Ich kann sie auch verstehen, dass sie ja sonst Menschen wie du und ich sind und vllt. nur in diesem Punkt nicht das große Ganze sehen, sondern nur ihre eigene Sicht. Ich kann auch verstehen, dass es Zeit und Arbeit kostet zu akzeptieren, dass es auch Afghanen gibt die schon immer anders waren oder sich jetzt "anders machen". Aber um für Frieden zu sorgen muss es Toleranz, Verständnis, Akzeptanz, Achtung gegenüber Menschen geben, die anders sind. Sonst werden sich die Menschen immer bekriegen, wenn immer alle gleich sein sollen und sich nicht verändern dürfen, oder sie selbst sein dürfen.
Aber dieses Thema wird kaum angesprochen, weder von Deutschen noch von Afghanen. Das ist sehr schlecht, da sonst ein verzerrtes Bild der Afghanen in Umlauf gebracht wird. Denn es gibt nicht nur die Afghanen die arme unschuldige Opfer von Krieg sind, sondern auch diejenigen die unter dem Krieg leiden, den die eigenen Afghanen gegen sie führen. Aber das wiederum wird dann von rechtsorientierten Afghanen schöngeredet, verharmlost, gerechtfertigt usw. Oft wird damit argumentiert, dass man ja die Traditionen bewahren müsse, welche die Kultur und die Identität dieser Nation ausmachen.
Aber was viele nicht wissen oder nicht wissen wollen ist, dass Traditionen und Kulturen nie ewig waren, sondern immer in Bewegung waren und sich mit der Zeit den Menschen anpassten, die sie ja letztendlich "gemacht haben". Und Tradition und Kultur gibt es auch nicht erst seitdem der Islam mit seinen arabischen Einflüssen in Afghanistan herrscht, sondern seitdem Menschen auf jenem Teil der Erde leben. Und die Geschichte der Menschen die auf dem Teil der Erde leben, was sich heute Afghanistan nennt ist mindesten 3000 Jahre alt. Und die Traditionen waren nicht immer so wie heute. Vor 3000 Jahren herrschten ganz andere Traditionen und eine ganz andere Kultur und Religion. Wer von den heutigen rechtsorientierten nationalistischen Afghanen lebt denn nach jenen Traditionen, wenn es doch so wichtig ist Tradition und Kultur zu bewahren? Leben sie nicht auch nach den neueren Traditionen der heutigen Zeit? Und ganz aktuell haben sich die Menschen wieder entwickelt und andere Traditionen, Mentalitäten und eine andere Lebensweise/Kultur für sich entwickelt. Warum dürfen die nicht auch nach den Zeitgemäßen Begebenheiten ihr Leben leben?
Und es sind ja nicht alle Afghanen anders oder keine richtigen Afghanen weil sie Christen/Juden/Buddhisten/Kapitalisten/Kommunisten etc. sind. Es sind ganz normale Afghanen die von der Geschichte ihres Landes geprägt sind und diese zu einem Teil ihrer Identität gemacht haben. Es haben nicht immer Muslime in Afghanistan gelebt, sondern vorher auch Christen, Juden, Buddhisten, Atheisten, Kapitalisten, Kommunisten etc. Nur weil die aktuelle Regierung seit einigen Jahren islamisch ist und der Islam deswegen Pflicht für alle Bürger ist, müssen auf einmal alle ihre alte Identität ablegen und dürfen keine Christen, Juden, Buddhisten, etc. mehr sein?
Jeder muslimische Afghane weiß selbst wie schlimm es ist, wenn jemand außenstehendes zu einem kommt und einem vorschreiben will, wer man zu sein hat und wie man zu leben hat. Warum können dann nicht auch die muslimischen, rechtsorientierten Afghanen akzeptieren, dass auch sie nicht die einzigen Afghanen sind, und dass sie auch nicht die "richtigen" Afghanen repräsentieren, da es den "richtigen" Afghanen nicht gibt. Das Land ist seit tausenden von Jahren von vielen verschiedenen Ethnien und Völkern mit eigener, Sprache, Tradition und Kultur bewohnt, hatte immer wieder einen anderen Grenzverlauf durch die Geschichte und Kriege mit anderen Ländern.
Es gibt keine Menschen die vom Himmel auf diesen Teil der Erde gefallen sind und alle dieselben Gene haben. "Afghane" ist lediglich die Stattsabgehörigkeit, denn der Name des Staates hat nichts mit der Ethnie der Menschen zu tun. Bis heute hatte das Land viele verschiedene Namen die durch die Geschichte bestimmt waren. Die Menschen dort sind alle "Einwanderer" aus umliegenden Gebieten die dort sesshaft wurden und auch unter ihnen gab es immer wieder Machtkämpfe um die Herrschaft über das Gebiet. Dann gab es z.b. indische Eroberer, persische, griechische, mongolische, russische, pashtunische und heute amerikanische. Das Land war also nie von Anfang an vorgefertigt mit vorgefertigten "Afghanen", sondern es entwickelte sich alles im Laufe der Zeit und veränderte sich immer im Laufe der Zeit und das wird es auch in Zukunft noch.
Aber manche scheinen das nicht zu verstehen oder akzeptieren zu können und wollen das alles so bleibt wie "sie selbser" es gewohnt sind und lieben gelernt haben. Das kann ich einerseits verstehen, aber als erwachsener Mensch muss man über die Welt und die Menschen gelernt haben, dass sich die Dinge auch ändern und dass man mit manchen Dingen leben muss. Man kann ja trotzdem noch mit Gleichgesinnten so leben, wie vorher, aber man sollte trotzdem menschlich genug sein, um auch anderen ihren Platz zum leben zu lassen. So wie sie es sich selbst von anderen wünschen, dass man sie so leben lässt, wie sie es für richtig halten. Das ist meine Sicht der Dinge, die meiner Meinung nach objektiv genug ist, um als Tatsache angesehen werden zu können. Ich freue mich, auf eure Antworten und hoffe, dass durch Einsicht und Menschlichkeit etwas mehr Frieden unter den Afghanen eintreten wird.
Ganz lieben Gruß, neptun89 (und danke für die Geduld und Mühe beim Lesen ; ) ich hoffe ihr hattet trotzdem Spaß beim lesen : )