Altmodisch
Sei doch stolz darauf, so "altmodisch" zu sein. Ich halte eure Einstellung dazu für absolut gut. Das, was sich über Jahrhunderte bewährt hat, sollte man nicht leichtfertig aus Kurzsichtigkeit aufgeben. In meinem Bekanntenkreis sind schon einige wieder geschieden, und meistens sind es diejenigen, bei denen alles am Anfang ganz schnell und reibungslos gegangen ist, und die schon vor der Ehe aneinander "gepickt" waren. Der erste Mann meiner Großmutter ist im Krieg gefallen und galt 10 Jahre lang als vermißt, bevor er für tot erklärt wurde. Angenommen er wäre doch nach einigen Jahren zurückgekommen: hält eine Ehe so eine Prüfung aus? Ich würde es mir schon wünschen. Oder angenommen, ihr müßt aus wirtschaftlichen oder anderen Zwängen einige Zeit oder Jahre getrennt leben: würdet ihr dann immer noch zusammenstehen? Es ist aus meiner Sicht gar nicht schlecht, das Ziel der Ehe behutsam und nicht übereilt, aber doch zielstrebig anzugehen und auch Prüfungen nicht zu scheuen, wie z.B. eine Ausbildung extra locum, wenn es sinnvoll ist. So etwas kann einander noch besser zusammenschweißen, oder aber rasch eine Trennung herbeiführen. Wenn letzteres passiert, weiß man wenigstens recht rasch, wo man wirklich dran ist. Ist auch etwas wert.
Auch halte ich eure Haltung, auf eigenen Beinen stehen zu wollen, für sehr ehrenwert. Das ist auch eine gute Grundlage. Ihr mußt euer Leben selbst finanzieren können. Damit meine ich: Wohnen, tägliches Leben, Kinder etc. Ob dazu allerdings auch die Hochzeit selbst gehört, bezweifle ich. Ich würde das nicht so sehen. Meine Hochzeit haben meine Eltern bezahlt. Letztlich müßt aber ihr das gemeinsam entscheiden. Laßt euch diesbezüglich nicht die Ansichten von außen aufzwingen. Es ist doch schön, dass jeder von uns anders und einzigartig ist, und wir von einander lernen können. Die Verschiedenheit und Vielfalt ist reizvoll, nicht die Gleichheit und Einfalt.
Die Gründe des Hinausschiebens einer Hochzeit können vielfältig sein. Ich kann dir nur raten, öffne die Augen und Ohren und versuche die wirklichen Gründe zu erforschen. Manche Gründe mögen vollkommen berechtigt und in Ordnung sein, andere nicht. Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Aber nehmt euch die Zeit, diese Fragen ohne Zeitdruck und Vorbehalt zu besprechen.
Ein Punkt allerdings gefällt mir bei dir überhaupt nicht: der Neid. Der Neid ist ein Laster, das man ablegen sollte. Ich weiß, dass das oft sehr schwer ist, aber glaube mir, es ist notwendig, wenn man glücklich werden will. Prüfe also, ob deine Gründe zum raschen Heiraten in erster Line dem Neid entspringen, oder ob es wirkliche, sachliche Gründe dafür gibt. In ersterem Fall würde ich versuchen, Strategien zur Beherrschung des Neides zu entwicklen, in letzterem Fall würde ich versuchen, diese Gründe sachlich mit deinem Freund zu besprechen.
Hoffe, ich konnte dir damit ein wenig helfen.