Klick. Aus. Stille. Sie senkte den Kopf und starrte ins Waschbecken. Tränen stiegen ihr in die Augen. Tränen der Verzweiflung. Tränen der Wut und der Hilflosigkeit. Vor allem aber gründeten ihre Tränen aus unendlicher Traurigkeit. Es war die richtige Entscheidung gewesen das zu tun, dennoch tat sie irgenwie weh. Welche Ironie - Kindern sagt man immer es würde nicht wehtun. Doch das tat es. Nur anders. Nicht wie ein aufgeschlagenes Knie oder ein Griff in Brennnesseln. Es tat im Bauch weh und im Herz und irgendwie auch im Kopf.
Inmitten all der wirren Gedanken, die ihren Geist beherrschten, versuchte sie einen kleinen Funken Mut zu finden. Sie atmete tief ein, hob den Kopf, die Augen noch immer geschlossen und versuchte sich vorzustellen wie es wohl sein würde ihr in die Augen zu blicken, der hässlichen Fratze. War sie wirklich so grausam, wie alle es immer beschrieben?
Langsam öffnete sie ihre Augen und blickte in ihr Spiegelbild. Tatsächlich, sie stand ihr nun ins Gesicht geschrieben. Genauso hatte sie es sich vorgestellt, genauso wie alle es immer sagten, genau so wie sie es zuvor schon auf Bildern gesehen hatte. Sie war gezeichnet. Man würde sie sofort als eine von "ihnen" erkennen. Es war grauenvoll. Die Augen, die Ohren - alles wirkte unnatürlich groß. Noch einmal senkte sich ihr Blick. Es schien so unwirklich. Die langen dunklen Haare sammelten sich am Boden des Badezimmers, statt ihre Schultern zu bedecken.
Schon seit einigen Tagen wusste sie, dass es so kommen würde. Die Haare fielen immer stärker aus. Das hatte man ihr ja gesagt. Das war so. Bei fast allen war das so. Aber das war ja auch nicht so wichtig. Die wachsen ja wieder, sagte man. Und das sagte auch sie sich.
Sie fasste sich an den Kopf. Wie sollte sie jemals wieder hübsch aussehen? Wie sollte sie jemals wieder Selbstbewusstsein verspüren? Wie zur Hölle sollte sie jemals diese Reise ins Ungewisse antreten, wenn allein die Vorbereitungen sie schon so viel Kraft kosteten?
Es war nicht wichtig. All diese Fragen waren nicht wichtig. Sie hatte die Tür bereits gewählt und geöffnet. Ein Zurück gab es nun nicht mehr.
Sie trat einen Schritt vom Waschbecken zurück, schmiss ihr Shampoo in den Müll, griff zu einem zuvor bereits gekauften Tuch und wickelte es geschickt um ihren Kopf. Ihre Augen funkelten. Sie lächelte sich zu. Unbemerkt, ganz zaghaft, hatte sie soeben den ersten Schritt wieder nach vorn gemacht. Sie wusste es selbst noch nicht, aber das Selbstbewusstsein war nur deshalb so still, um sich mit aller Kraft darauf zu konzentrieren den Krebs in die Flucht zu schlagen.