Hallo
Ich habe vor einer Weile mal woanders ausführlich was dazu geschrieben und kopiere das jetzt einfach mal hier rein:
Warum ist die Haltung im Babybjörn und anderen Tragen in meinen Augen als Trageberaterin nicht gut (egal in welcher Richtung getragen wird):
1. Die Hüfte: Bei einem Neugeborenem sind alle Knochen und Gelenke noch sehr weich und gerade der Hüftknochen nicht endgültig ausgebildet. Die Hüftpfanne ist noch sehr flach und reift erst im 1. LJ weitestgehend aus. Dies kann am besten erfolgen, wenn der Hüftkopf mittig in der Hüftpfanne sitzt und mit dem richtigen Druck dagegen drückt. Der Hüftkopf sitzt mittig in der Hüftpfanne, wenn die Beine etwa 60 bis 90 Grad abgespreizt sind und 110 Grad angehockt (Knie in Höhe des Bauchnabels des Babys) sind. Dies ist beim Babybjörn nicht gegeben. Dort drückt der Hüftkopf seitlich gegen die Hüftpfanne. Gleichzeitig zieht das Gewicht des Beines am Hüftkopf, so dass keinerlei Druck auf die Hüftgelenkspfanne ausgeübt wird. Genau so ungünstig ist wenn die Beine mit in der Trage sind (z.B. im Neugeboreneneinsatz von Ergo oder Manduca), denn dann wird zuviel Druck auf die Hüftpfanne ausgeübt. Die Durchblutung der Hüftknochen kann abgedrückt werden.
Ab welcher Dosis ungünstiges Tragen zu Schäden führt oder unbedenklich ist kann keiner sagen.
2. Die Wirbelsäule: Ein Ungeborenes liegt praktisch zusammengerollt im Mutterleib. Bei der Geburt ist die Wirbelsäule C-förmig. Die Bandscheiben sind noch keine federnden Gelkissen wie bei Erwachsenen, sondern ganz weich und durchblutet. Wird der Rücken anders als in seiner gerundeten Form gelagert, wird auf die Ränder der Bandscheiben Druck ausgeübt und dadurch an diesen Stellen unter Umständen die Blutzufuhr abgedrückt. Die unreifen Bandscheiben haben nur ein geringes Pufferpotential. Daher empfehlen wir Trageberaterinnen als Optimum eine Rückenstützung wie mit einer Bandage, bei der jeder Wirbel einzeln gestützt wird. In wieweit dass im Babybjörn möglich ist, darf sich jeder selbst überlegen. Und unter anderem aus diesem Grund empfehle ich auch Ergo und Manduca nicht für Neugeborene, denn die Befestigung der Schulterträger am Rückenpanel seitlich üben auf diese Stelle enormen Druck aus und ziehen den Rücken in meinen Augen unphysiologisch gerade. Eine Stützung wie mit einer Bandage ist auch nicht gegeben.
Im Laufe des ersten LJ reift die Wirbelsäule aus und richtet sich nach und nach auf zur Erwachsenenform. Sobald das Kind sich selbstständig hinsetzen kann, ist eine gerade Wirbelsäule in der Trage kein Problem mehr für die Bandscheiben.
3. Das Schambein-Darmbeingelenk: Hüfte und Wirbelsäule sind darüber verbunden. Dadurch bedingen sich Anhockung und Abspreitzung. Sind die Beine zu sehr abgespreizt können sie nicht richtig Anhocken udn der Rücken wird gerade. Oder zuwenig Anhockung (im Babybjörn gibt es so gut wie keine Anhockung) sorgt für einen geraden Rücken. Das sind Tatsachen, die jeder durch einfache Körperübungen ausprobieren kann. Einfach mal tief in die Hocke gehen und dann die Beine richtig aufspreitzen: Man fällt sofort ins Hohlkreuz.
4. Stegbreite: Damit die Beine schön in der korrekten Anhock-Spreitzhaltung (zur Erinnerung: 60 bis 90 Grad Abspreitzung und 110 Grad Anhockung) gehaltenw erden, sollte der Steg von Kniekehle zu Kniekehle gehen. Ist der Steg schmaler, muss das Baby die Beine selber so halten, das ist sehr anstrengend. Oder wenn der Steg z.B. nur bis zur Mitte der Oberschenkel geht und dei Schwerkraft das Bein herunterzieht, kann die Blutzufuhr erschwert werden (kennt sicher jeder, der mal auf einer Stuhlkante saß). Ist der Steg zu breit, sitzt das Kind im Spagat, der Hüftkopf drückt nicht in die Hüftgelenkspfanne sondern wird herausgezogen, der nötige Druck zum Ausreifen fehlt. Ein Steg der nur zwischen den Beinen läuft birgt in meinen Augen außerdem die Gefahr, dass die Genitalien abgedrückt werden. Wie stark hängt sicherlich von der Breite des Steges, der dicke der Windel und dem Gewicht des Kindes ab.
5: Reizüberflutung (nur beim nach vorne Tragen): Es ist richtig, dass es ab ca. 4 Monate für ein Baby recht wichtig ist in Fahrtrichtung transportiert zu werden, da die Augen zu dem Zeitpunkt Fortschritte machen und sich das räumliche Sehen verbessert und es für die Gehirnreifung vorteilhaft ist, die Welt richtigherum zu erleben. Dabei sollte das Baby aber selbst bestimmen können, wieviel es sehen will, was es sehen will und wann es genug hat. Das ist beim Tragen vor dem Bauch in Fahrtrichtung nicht möglich. Sehr wohl möglich ist es jedoch beim Tragen auf der Hüfte oder dem Rücken. Das Kind kann zum einen alles in Fahrtrichtung erleben, es hat die Unterschiede in Nah- (Mama) und Fernsicht, es kann sich aber auch jederzeit abwenden und in der Sicherheit von Mama oder Papa zurückziehen. Zuviel Eindrücke machen meiner Meinung nach die positiven Effekte des in Fahrtrichtung tragens wieder zu nichte.
Ich möchte noch mal betonen, dass jede Beurteilung von Tragehilfen im obrigen Text meiner subjektiven Meinung als Trageberaterin entspricht. Warum schreibe ich das so deutlich: Es gibt keine Beweise und daher kann eine reine Behauptung, dass eine Trage einem Baby schadet ein Grund für eine Klage sein. Die beschriebenen Knochenentwicklungen sind jedoch so und meine Schlussfolgerungen daraus sind, dass sowohl Tragen wie Babybjörn als auch wie Manduca und Ergo für Neugeborene absolut nicht zu empfehlen sind. Im Gegensatz zum Babybjörn halte ich jedoch Manduca und Ergo ab Sitzalter und ab Größe 74 für in Ordnung.