lynsey_12184298Einsame Jugend
Hallo, Leute!
Ich bin im Dezember 18 geworden, besuche eine berufsbildende höhere Schule für Sozialmanagement und gehe dieses Schuljahr bereits das 12. Jahr in die Schule.
Seit Jahren quält mich immer wieder ein und dasselbe Problem: Ich leide furchtbar unter KONTAKTARMUT und suche so dringend Leute, mit denen ich mich zumindest ein bisschen darüber austauschen kann, weil ich der Meinung bin, dass das einfach unheimlich gut tut, wenn man von anderen Mädchen auch hört, dass sie verstehen, wie schlimm das eigentlich wirklich ist, durch zu große Schüchternheit kontaktarm zu sein - es ist eine Art innerlicher Verkümmerung, die nach einiger Zeit ganz schrecklich traurig macht. Ich weiß mittlerweile, dass ich teilweise so wenig Zugang zu meinen Schulkollegen habe, weil ich so extrem schüchtern und auch insgeheim ein bisschen misstrauisch bin. Viele meinen, dass ich eingebildet bin, dass ich sie nicht mag oder sie nicht in meiner Nähe akzeptiere und das kränkt mich immer wieder aufs Neue. Ich tue mir leider unbeschreiblich schwer, anderen meine wahren Absichten, Gefühle und persönlichen Eigenschaften zu vermitteln und die meisten Menschen meinen halt dann, dass ich "komisch" bin. Dieses Wort "komisch" verfolgt mich schon seit meiner Volksschulzeit: Ich war in einer evangelischen Volksschule und die meisten Eltern waren gut situierte Leute, was sie leider jedoch zu überhaupt um kein Stück "besseren" Menschen machte - ganz im Gegenteil: Ich bezahlte für viele ungerechtfertigten Taten und Aussagen anderer mit einem sehr hohen Preis; nämlich mit meinem Selbstbewusstsein. Ich entstamme eines mittelständischen Hauses - meine Eltern haben nicht studiert und mein Vater arbeitet in der Bank. ABER: das "Schlimme" war ja, dass meine Eltern keine Titel trugen. Ich war ein aufgewecktes, fanasievolles und aktives Kind. So wurde ich von allen zu etwas gemacht, was ich zuvor nie gewesen bin: ein stummes, trauriges kleines Mädchen, dem von der Lehrerin, den Eltern und in späterer Folge auch den Mitschülern gesagt wurde, dass ich wortwörtlich: "...niemanden zu mir nach Hause einladen darf, weil ich ja ach so sehr kindisch bin, unerwachsen, unreif, zu dumm, unintelligent...zu KOMISCH bin." Wenn mich meine Mitschüler zwickten, mit Kreide beschmierten, in der Toilette oder im finsteren Turnsaal einsperrten, Brennesselsträucher an meiner Haut rieben oder mich im Park in der Mittagspause ins Gebüsch verzerrten, um mir die Haare auszureißen oder mir meine Kleider wegzunehmen - all das haben die Aufseherinnen laut Angaben gegenüber unserer Lehrerin, meiner Mutter und der Direktorin abgestritten gesehen zu haben, nein, sie haben angeblich nie etwas bemerkt.
Im Zuge dessen wurde alles nur noch schlimmer: Die Lehrerin stellte mich bei jeder Gelegenheit vor der Klasse bloß - ich war die einzige, die nie ein Stück Geburtstagstorte abbekam, wenn in der Klasse ein Mitschüler Geburtstag feierte, ich wurde immer an den letzten hintersten Platz verwiesen, musste mich überall als letzte anstellen, ich bekam keine Unterstützung, wenn ich durch meine durch Dyskalkulie bedingte Rechenschwäche Fehler machte: Wenn ich die Zahlen auf der Tafel verdrehte war die Standartmeldung der Lehrerin, wieso ich alles verkehrt hinschreibe, ob ich denn wirklich gar so blöd sei??? - ich war eine Dauerbelustigung für meine Mitschüler, schirmte mich immer mehr ab, wurde oft krank und versäumte viel vom Unterrichtsstoff, ich hatte keine Freude in die Schule zu gehen und hätte mich sooft und so gerne vor dem Eingang des Schulhauses einfach verdünnisiert. Meinem Vater war das alles egal. Er meinte, dass Kinder nun einmal streng erzogen gehören und wenn ich mit meinen Sorgen zu ihm kam, hat er immer nur den einfachen Weg gesucht und der Lehrerin beigepflichtet. Jedes Mal, wenn ich ihm erzählte, dass man mir schon wieder meine heißgeliebte Blockflöte versteckt hatte, ärgerte er sich nur wiederum über mich und warf mir vor, wieso ich denn nicht auf mein Zeug besser aufpassen würde und immer, wenn mich die Lehrerin vor anderen blamierte sagte er mir, dass ich sehr wohl wisse, warum sie das machte - es hätte sicherlich einen guten Grund. So habe ich bis heute kein inniges Verhältnis zu meinem Vater, was mit Sicherheit auch mein Selbstbewusstsein immer schon beeinträchtigt hat. Im März diesen Jahres lassen sich meine Eltern nun scheiden und ich muss leider offen und ehrlich gestehen, dass ich froh bin, dass er sich nun meiner Lebensangelegenheiten entzieht, da er mir sowieso nie eine väterliche Stütze war.
Immer wieder fragte ich mich eine lange Zeit, was ICH wohl falsch machte. Damals machte ich nichts falsch, da war ich ein tatsächliches Opfer - welches Kind wird unüblicherweise schon als kindisch bezeichnet werden, nur weil es im Park Ball spielt??
Doch nach all dem war ich frei...frei und ein leider völlig verunsicherter Mensch, ängstlich, verschlossen, zu schüchtern um mich noch an irgend welche Kontakte heran zu wagen.
Wir alle haben einen Grund für unsere Schüchternheit - wir sind nicht als unsichere Menschen auf die Welt gekommen, das ist so sicher wie das Amen im Gebet. Da kommt es natürlich vor, dass man z. B. duch solche Dinge unselbstbewusst wird und sich oft sehr ungeliebt auf dieser Welt fühlt.
Leider ist es nicht so einfach, den Rat einzelner Leute zu befolgen, die dann darauf sagen, dass man sich "zusammenreißen" solle oder Ähnliches. Natürlich gibt es Menschen, denen weitaus Schlimmeres widerfahren ist als mir, die aber trotzdem einen besseren Umgang mit ihren Problemen finden; das hängt halt jeweils von der Person ab.
Es ist traurig, dass ich nach wie vor immer noch die meiste Zeit allein in der Schule sitze und mit dem derzeitigen Scheidungsverfahren meiner Eltern sieht die Sache leider nicht unbedingt leichter aus. Das jedoch, geht natürlich vorbei und an dem Rest versuche ich derzeit mittels Therapie zu arbeiten. Sie soll mir helfen wieder leichter einen Zugang zu jungen Menschen zu finden, selbstbewusster und selbstsicherer zu werden, aber vor allem mich wieder selbst GELIEBT ZU FÜHLEN und vielleicht irgend wann auch wieder ein paar liebe Freunde zu finden.
Ein kleiner Tipp; wenn ich mich oft erneut ungeliebt fühle, dann denke ich mir immer: Wenn ich sehe, dass mich keiner wichtig nimmt, dann bin ich die Erste, die sich selbst wichtig nimmt. Man muss sich selbst wichtig nehmen, weil es vor einem selbst kein anderer tut!!! zumindest innerlich, das muss man ja nicht von Außen zeigen, dass man sich wichtig nimmt.
Allein diese Denkweise hilft mir oft, weiterhin in die Schule zu gehen, auch wenn ich weiß, dass ich wieder allein sitzen werde. ICH bin mir wichtig, darum sitze ich hier.
Liebe Grüße, Chrissy