Hallo.
Ich bin hier, weil ich nicht weiß wohin ich sonst soll. Ich weiß nicht einmal was ich mir davon erwarte, Alles nieder zu schreiben. Das Einzige, was ich weiß ist, dass ich so, wie ich im Augenblick lebe, nicht weiter leben will. (Nicht suizidal gemeint)
Aber erkläre ich diese Odyssee erstmal:
Alles fing letztes Jahr an.
Ich wurde befördert. Von Aushilfe zum Springer. Ich war stolz, denn ich habe meinen Job geliebt und war verdammt gut darin. Im Zuge meiner neuen Stelle kam ich in eine Filiale um den stellvertretenden Filialleiter zu ersetzen, der gerade seine eigene Filiale übernommen hatte. Am 27.11.14 trat ich also meinen Dienst in der Filiale an. Der Chef (Store Manager = SM) schien nett, den Azubi kannte ich schon. Er ist sehr eigen, aber kein schlechter Mensch.
Die Aushilfen waren soweit auch ganz in Ordnung.
Im Laufe der ersten Woche erklärten der SM und eine männliche Aushilfe mir, wie toll ich aussehen würde und wie gut es für das Geschäft wäre eine junge, hübsche und kompetente Frau im Laden zu haben (die meisten Mitarbeiter sind männlich).
Die männliche Aushilfe, wir nennen ihn der Einfachheit halber mal Sven, erklärte mir auch sofort: "Du passt in mein Beuteschema, damit musst du leben." Ich empfand diese Aussage als seltsam, winkte sie jedoch als 'fehlgeschlagenes Kompliment' ab und machte mir nicht weiter Gedanken darüber.
Im Laufe der nächsten Wochen wurde ich jedoch eines Besseren belehrt.
Der tägliche Arbeitsablauf verlangt, dass wir uns oft bücken und strecken. Jedes Mal, wenn ich mit Sven zusammenarbeitete (was im Weihnachtsgeschäft fast täglich war) erklärte er mir immer wieder das ich sein Beuteschema sei. Wenn ich mich bückte oder streckte sagte er Dinge wie 'Ich stelle mich mal hier rüber, hier habe ich eine bessere Aussicht' oder 'Dreh dich mal ein bisschen in meine Richtung, ich will ja auch was davon haben'.
Ich bin nicht besonders groß und wenn ich an die oberen Regale heran wollte hüpfte ich oft, um an die gewünschten Waren heranzukommen. Dann stellte er sich mit verschränkten Armen und einem dreckigen Grinsen auf den Lippen neben mich und sagte dann Sachen wie 'Wenn du dich beim hüpfen zu mir drehst, helfe ich dir.'
Mittlerweile von dem sexuellen Kontext seiner Sprüche überzeugt (denn zu Beginn hatte ich daran gezweifelt), wand ich mich in einem vier Augen Gespräch an meinen SM, der teilweise anwesend war, wenn diese Sprüche fielen. Ich bat ihn, Sven ins Gebet zu nehmen und ihm klar zu machen, dass das nicht ginge.
Mein Chef sagte dann: "Ach, der meint das nicht böse. Er geht mit Jana (andere Aushilfe) genau so um."
Ich war mir nun nicht sicher, ob ich das Ganze überspitzt sah. Es waren immerhin 'nur' Sprüche. Trotzdem fühlte ich mich schlecht. Ich war Svens Vorgesetzte und es war unangebracht und degradierend, dass er so mit mir sprach. Aber mehr als mit meinem Chef sprechen konnte ich nicht. Vielleicht würde der SM ja mit Sven reden, auch wenn er es in unserem Gespräch so abgetan hatte, war meine Hoffnung.
Natürlich hat er das nicht getan.
Trotzdem nahm ich die Stelle als stellvertretende Filialleiterin in dem Store an, als sie mir angeboten wurde. Getreu dem Motto "Was mich nicht umbringt macht mich stärker" ging ich also weiter in die Höhle des Löwen. Jetzt war ich immerhin ganz offiziell seine Vorgesetzte und er würde mit den Sprüchen schon aufhören. Dachte ich.
Es wurde schlimmer. Jeden Tag ein bisschen mehr. Mehr Sprüche, immer wieder 'unbeabsichtigte' Berührungen an meinem Po...
Mein Area Manager, also quasi der Chef meines Chefs, war von meinen Leistungen begeistert. Ich erzielte Zahlen, die kein anderer in dem Store hatte.
Plötzlich war Alles, was ich tat, falsch. Mein SM bemängelte jeden Schritt den ich tat, jedes Kundengespräch welches ich führte und jede Anweisung die ich machte. Mit einem Mal lag die gesamte Verantwortung auf mir. Ich sollte für die Sauberkeit im Laden sorgen, den Azubi an seine Berichtshefte erinnern, die Aushilfen abrechnen (und diese in ihren Stunden verarschen [Pausen abrechnen wo keine gemacht wurden]) und mich um Waren Ein und Ausgang kümmern. Immer wieder gerieten wir an einander und stritten bis ich am 11.04.15 die Nase voll hatte, ich konnte nicht mehr richtig schlafen und war sehr aggressiv, und meinen Area Manager (AM) in einer E-Mail um einen Store-Wechsel bat.
Sechs Tage später traf ich mich mit meinem AM zu einem Gespräch. Ich führte die Situation mit meinem SM ausführlich aus und ließ zunächst ganz Bewusst die sexuelle Belästigung durch Sven außen vor. Ich hatte Angst er würde dies gleichermaßen abtun und mich ignorieren. Oder noch schlimmer: mir unterstellen ich würde lügen.
Im Gespräch erklärte er, dass ein Store Wechsel im Schnitt 3 bis 6 Monate und länger dauern konnte.
Mit einem Mal fühlte ich mich hilflos, verlassen. Ich brach in hysterisches Geheule aus, erklärte, dass mein SM mich zum Betrug bei den Aushilfen zwang und eben die sexuelle Belästigung ignorierte. Es war wie ein unkontrollierter Fluss aus Worten, der aus mir hinaus lief, erschüttert von schwerem Atem und den Tränen die nicht aufhören wollten zu laufen.
Mein AM stutze, fragte ob er sich verhört hätte. Ich verneinte, erzählte von den Bemerkungen und Sprüchen. Von dem Gespräch mit meinem SM im Dezember und wie er es abgetan hatte. Dass er teilweise dabei war und es einfach geschehen ließ.
Der AM nickte und erklärte, dass er sofort mit dem SM sprechen wollte. Dies war eine schwere Anschuldigung und er musste das sofort klären. Obwohl das Treffen während meiner Arbeitszeit stattfand sagte er, ich solle etwas spazieren gehen und mich beruhigen.
Etwa eine Dreiviertelstunde später rief er mich an und fragte ob ich bereit war, mit ihm und meinem SM zusammen ein Gespräch zu führen. Ich willigte ein, immerhin wollte ich die Sache geklärt haben.
Zurück im Lager des Stores setzte ich mich auf einen leeren Karton. Mein SM starrte mich an, sagte jedoch kein Wort.
AM begann das Gespräch, er wiederholte, was ich in unserem Gespräch erzählt hatte bevor ich zu einer Karikatur eines hysterischen Weibes wurde. SM stritt selbstverständlich Alles vehement ab, ließ sich aber das Gegenteil beweisen (Clock-In Zeiten der Aushilfen) und wurde sofort dafür gerügt.
Plötzlich begannen SM und AM zu streiten. Bis jetzt hatte ich kein Wort gesagt und war mehr damit beschäftigt die erneut aufgekommenen Tränen unter Kontrolle zu bringen als mich großartig auf das Gespräch zu konzentrieren.
Erst als SM auf mich deutete und schrie: "Das Sven sowas gesagt hat, glaube ich nicht! Der würde sowas nie tun! Sie ist eine Schauspielerin!", wurde mir klar, was die Beiden gerade besprachen und wieso die Diskussion plötzlich laut geworden war. Ich starrte ihn fassungslos an. Immerhin WAR er anwesend gewesen wenn Sven mich belästigt hat. Was daran glaubte er nicht?
AM nahm mich in Schutz, deutete genauso auf mich und sagte laut: "Ich mache den Job nicht seit gestern. DAS ist nicht geschauspielert!"
Endlich fand ich wieder meine Stimme, doch das Einzige was ich sagen konnte war: "Das tust du mir jetzt nicht an. Das kannst du mir nicht antun...." immer und immer wieder, wie eine Schallplatte die einen Hänger hat.
AM wand sich an mich. Er war wütend: "Gibt es Zeugen!?"
Ich nickte, sah zu SM. Er würde niemals von seiner Lüge zurücktreten. Aber es gab zwei weitere Aushilfen, die teilweise anwesend waren. Ich zählte sie auf und gab AM die Telefonnummern.
Noch am selben Tag hatte sich AM mit meinem ersten Zeugen, Jana, getroffen, welche, Gott sei Dank, die Wahrheit gesagt hatte.
Davon erfuhr ich jedoch zunächst nicht.
Ich wurde für den Rest des Tages frei gestellt und kam erschöpft zuhause an. An Schlaf war für mich fortan nicht mehr zu denken.
In den folgenden Wochen und Monaten schlief ich pro Nacht nur noch zwischen 2 und 3 Stunden. Ich war unkonzentriert, machte viele Fehler.
Sven wurde beurlaubt, bis die Personalabteilung die Kündigung formuliert hatte. Doch es wurde nicht besser.
Jedes Mal, wenn SM an mir vorbei ging hob er ergebend die Hände und erklärte "Keine sexuelle Belästigung". Dann warf er mir vor, dass jetzt meinetwegen Sven seinen Job verlieren würde und ich es "einfach nur nochmal hätte ansprechen können" und er hätte etwas unternommen.
Das Ganze artete in Mobbing aus. Mittlerweile konnte ich nicht mehr. Nicht nur der Schlafmangel zehrte an mir. Ich begann random an zu Heulen, hatte Schweißnasse Hände. Die Gedanken begannen...
Ich hätte meinen Mund halten sollen. Warum habe ich nicht früher etwas gesagt? Ich hätte meinen Mund halten sollen. Es ist meine Schuld, dass es mir so schlecht geht. Ich hätte meinen Mund halten sollen. Eigentlich habe ich es verdient das er böse auf mich ist. Immerhin verliert sein Freund seinen Job wegen mir. Ich hätte meinen Mund halten sollen...~
Wieder stritt ich zu oft mit SM. Er verwies mich des Stores und schob mich in einen Anderen ab.
In meinen alten Store. In MEINEN Store. Dort mochte man mich. Mein Chef und sein Stellvertreter, der Azubi. Sie waren nett zu mir. Ich mag sie sehr.
Trotzdem hörte es nicht auf. Nicht der Schlafmangel, nicht die verschwitzten Hände, nicht die Gedanken...
Ich war zu müde um zu arbeiten. Ich war zu müde um zu essen.
AM war krank und musste operiert werden. Ich wand mich also an meine District Managerin (DM). Eine Frau. Vielleicht konnte sie mir helfen. Ich rief sie an. Sie schien nett und verständnisvoll.
Sie wollte sich mit mir treffen und besuchte mich kurze Zeit später in meinem Store. Wir sprachen zwei Stunden lang. Sie bot mir zwei andere, schlechtere Stellen an, die ich beide ablehnte. Mehrfach.
Sie schien nicht mehr so verständnisvoll wie am Telefon, versprach aber sich um die Angelegenheit zu kümmern.
Ich nickte und erinnerte sie an die Dringlichkeit. Immerhin hatten wir mittlerweile den 26.05.15 und es war noch nichts unternommen worden.
Eine Stunde später zitierte sie mich von meinem Laden in den anderen Store in dem ich immer noch als Stellvertretende Filialleiterin hätte arbeiten sollen. Sie sagte, sie wolle ein Gespräch mit SM und mir führen, damit wir "das Ein für Alle Mal klären können". Ich fuhr also in den Store und musste erschreckend feststellen, das auch Sven zu dem Gespräch eingeladen war.
Ich hätte gehen sollen. Einfach gehen. Sie hatte Sven nicht angekündigt und damit hatte ich das Recht einfach zu gehen, aber das tat ich nicht. Loyal und Naiv wie ich bin, im festen Glauben dass es Gerechtigkeit gäbe, ging ich ins Lager.
Obwohl Sven ALLES zugab, und angab, das SM teilweise anwesend war und damit gelogen hatte, war die gesamte Diskussion aggressiv gegen mich gerichtet. Es gipfelte darin, das DM mich ansah mich mich fragte: "Und ich soll den Sven jetzt wegen ein paar flotten Sprüchen feuern!?" Sie starrte mich an und forderte stumm eine Antwort.
Ich war dumm genug zu antworten und noch dümmer, weil ich mich durch ihr Herabspielen der Situation im Vorfeld habe manipulieren lassen, denn ich sagte: "Nein, aber ich würde ihn abmahnen."
Das quittierte sie mit einem schnippischen: "Danke, aber du musst mir nicht erklären wie ich meinen Job zu machen habe."
Alles in Allem lief das Gespräch darauf hinaus, dass ich übertreiben würde und das auch wüsste, dass ich mit aller Gewalt versuchte Unruhe zu schaffen und mich anstellte. Das ich WIEDER wie hysterisch heulte und am ganzen Körper zitterte als sei ich an Starkstrom angeschlossen wurde geflissentlich ignoriert.
Ich wurde nach zwei Stunden "Gesprächs" zurück an die Arbeit geschickt. Ich heulte noch als ich in meinem Store ankam. Der Kollege der gerade arbeitete nahm mich in den Arm und fragte was passiert sei, aber ich durfte nichts sagen. Schweigepflicht.
Es ging gar nichts mehr bei mir also ließ ich mich krank schreiben. Zuhause saß ich rum. Wortwörtlich. Ich ging keinem meiner Hobbys nach, sah nicht fern und traf mich nicht mit Leuten. Ich saß und starrte und hörte meinen Gedanken zu.
Keiner wird mir helfen. Es ist nichts passiert bis jetzt, keinen kümmert es. Wieso kümmert es mich? Es sollte mir egal sein. Ich hätte meinen Mund halten sollen, es hinnehmen. Keiner wird mir helfen. Keiner WILL mir helfen. Ich will nur Unruhe stiften, sagte sie. Ich hätte den Mund halten sollen~
Die Zeit in der ich krank geschrieben war tat mir gut. Ich heulte nicht mehr spontan los und langsam konnte ich länger schlafen, etwa 3 bis 6 Stunden pro Nacht.
Aber die Gedanken waren da. Ich fühlte mich nach vier Wochen bereit wieder arbeiten zu gehen. Zwar ging es mir nicht gut, aber ich musste mich langsam zusammenreißen.
In der Nacht von Sonntag auf Montag schlief ich Anderthalb Stunden.
SM tat als wäre nie etwas gewesen, was mich noch mehr belastete. Er war überfreundlich und laberte mich mit privaten Themen voll, die mich nicht interessierten. Ich antwortete einsilbig, erklärte ich hätte Kopfschmerzen und machte zwei Stunden früher Feierabend. Am nächsten Tag ging ich zum Arzt. Das war am 23.06.
Am 01.07 wurde ich wegen schweren Depressionen in eine LVR Klinik eingewiesen. Naja, ich hatte mich selbst eingewiesen.
Seit dem versuche ich über die Personalabteilung eine vernünftige disziplinarische Konsequenz für Sven, SM und DM durchzusetzen.
Ich hatte an Selbstmord gedacht, wollte Glas essen. Mich selbst bestrafen weil niemand anderes bestraft wurde.
Sven sollte ERmahnt werden, was quasi die Vorstufe einer Abmahnung ist. SM sollte straffrei rauskommen obwohl er seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen ist und somit seinen Job nicht gemacht hat. DM hat scheinbar keine Ahnung wie man Mitarbeitergespräche führt aber einen Fortbildungskurs muss sie auch nicht machen.
Es war nicht meine Schuld.
Ich habe Alles richtig gemacht und ich würde es wieder tun.
Ich werde bis zur letzten Instanz gehen, wenn es nötig ist.
Ich bin stark. Ich bin stolz und ich bin es Wert. Ich bin es Wert, dass ich Gerechtigkeit erfahre und ich bin es Wert, das jemand für mich kämpft.
Und wenn nicht ich, wer dann?