Suuupa,
extreme action -- oder reaction. Und deswegen schliesse ich mich nicht hinten an, sondern fange hier wieder von vorne an.
Freilich ist es nicht so, dass früher alles besser war. Und weil es mir gar zu selbstverständlich erscheint, NICHT von extrem schlechten Beziehungen früher auszugehen, mit Abhängigkeiten, Gewalt, Demütigungen etc, sondern die ganzen Bewertungen einmal aussen vor gelassen, wiederhole ich mich nur zu gerne. Da muss ich noch nicht einmal etwas mit Kirche oder 'Moral' welche auch dem Zeitgeist unterliegt - am Hut haben.
'Treue' - die die meisten nach wie vor erwarten - verstehe ich selbstverständlich als gewollt und ohne nachhaltige Gründe (wie etwa prinzipiell unterschiedliche Lebensziele ... worüber man sich aber meist vorher einen Eindruck verschaffen kann) kaum in Frage zu stellen. Sexuelle Appetenz ist kein hinreichender Grund, eine vielleicht 'etwas langweilig' gewordene Beziehung hinzuwerfen. Es gab auch vor vielen Jahren schon immer wieder Frauen - man weiss das leider meist nur von mehr oder weniger 'prominenten' Frauen - , die sich trotz wirtschaftlicher Unabhängigkeit immer wieder gegen mögliche Gelegenheiten entschieden, weil sie letztlich doch nur 'grün gegen gelb' eintauschten. Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist mithin kein Jagdschein - einmal anders verstanden -, wie wirtschaftliche Abhängigkeit kein Zwangshindernis für Glück oder eben auch die Befreiung aus restriktiver Lebenslage darstellen sollte.
Und natürlich ist es nicht so, dass die Frauen 'Verzicht üben' sollten, während die Männer machen was sie wollen - oder wozu sie sich schlicht ohne Hirn getrieben fühlen. Erstens finden sie da meist auch Frauen dazu, zweitens sollten ggf. natürlich auch diese nicht jeder lustvollen Wallung nachgeben, die gerade der augenblicklichen Gelegenheit entspringt.
Interessant ist, dass heute viel eher als früher gesellschaftliche Retriktionen als Bevormundung empfunden werden. Als Einschränkung der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Tatsächlich bin ich ein starker Befürworter, obschon selbst dort nicht unengagiert, diverse Sportarten und nachlässiges Verhalten in dieser Richtung nicht unter den allzu selbstverständlich empfundenen Schutz der Gemeinschaft zu stellen. Wie auch persönlich nachlässiges Verhalten in anderen Lebensbereichen NICHT in den Konsequenzen von der Allgemeinheit getragen werden sollten. Dass dies nun wieder von etlichen als Gängelung oder Knebelung empfunden wird, scheint mir unvermeidlich. Doch vermeidlich scheint mir, dass in nicht wenigen Fällen die Lust des Individuums zur Last der Allgemeinheit wird - sei es aus Gesundheitsgründen, sei es aus sozialen Gründen. Dies ist schlicht vermeidbar. Versicherungen sind da schon weiter und sagen: Grob fahrlässig - kein Geld. Aus. Man weiss von vorneherein, dass man nicht in jedem Fall auf die Versichertengemeinschaft rechnen kann und wer zum Beispiel alkoholisiert einen Autounfall verursacht wird je nach Schwere eben belangt. Auch Alkohol kann und darf keine Entschuldigung darstellen.
Und freilich wurde in den 'besseren Zeiten' - die es nie gegeben hat - die mehr oder weniger ordnend beansichtigten Einflüsse (viele dienten auch nur purer Machtausübung ...) verschiedenster Institutionen mehr oder weniger ignoriert. In der Kirche wurde gebüsst, an der Kirchenmauer gleich wieder 'gesündigt'. Aha. Doch blieben da Krankheiten wie Syphilis, die etwa - wenn der Infizierte nur lange genug lebte - 20 Jahre lang an fast alle Sexualpartner weitergegeben wurden, unbehandelt und somit ein tödliches Problem nur des Individuums und schlimmstenfalls aller an seinem Lustleben beteiligten. Die einzige Möglichkeit, dies evolutionär zu umgehen war, sich möglichst schnell fortzupflanzen, bis irgendwann ein Nachkomme immun gegen diesen Erreger war. Und zugegebenermassen ist daran die Menschheit nicht ausgestorben. Doch scheint mir auch dies ein schwaches Argument zu sein für die jeweils spontane Erfüllung der libido - sei es nun endogen oder exogen verursacht. AIDS ist so ein Beispiel, dass die relative Behandelbarkeit von Krankheiten mit deren Bekämpfung gleichgesetzt wird. Interessanterweise gehen viele Menschen davon aus, dass für die Kosten 'die Gemeinschaft' schon aufkommen wird. Es gibt Möglichkeiten, sich ausserhalb Geschlechtsverkehrs zu infizieren, sei es wie früher mit Blutpräparaten, sei es durch die Fehlerquote bei Transfusionsprüfungen oder auch anderen medizinischen Fehlern. Das sit wohl nicht wirklich abzustellen. NIEMAND sollte aber auch nur ansatzweise im Kopf haben, bei spontaner Lust, dass 'einmal ohne schon nix macht' und dazu fällt mir möglicherweise ungerechtfertigt aber spontan ein, dass Dummheit fast immer bestraft wird. Der Wahn ist kurz, die Reue ist lang. Und wenn nicht diese extreme Konsequenz, gibt es allenthalben lange Gesichter und entsetzte Männer, wenn die Frau eine Schwangerschaft feststellt. Auch das war früher ein Problem nur des Individuums oder des unmittelbaren Kreises. Derartige Gedanken werden in unserer ach so 'humanen' Kultur (mir scheint sie hingegen dann besonders 'human' zu sein, wenn irgendwo Profite winken ...) aber eher als ketzerisch hingestellt.
Die 'Gesundheitsreform' ist so ein ( m.E. lächerlicher) Versuch, das in Frage stellt, Verschiedenes nicht mehr leisten zu wollen. Warum regen sich die Leute auf, wenn sie länger arbeiten sollen (wenn es denn Arbeit gibt ...)? Hat mich nie gestört. Warum maulen sie, wenn Urlaub gekürzt werden soll? Tut mir nix. Warum, wenn die Krankenkassen Leistungen kürzen? War schon immer der Meinung, dass da Etliches aus den Leistungskatalogen verschwinden sollte. Damit die vom Einzelnen eben nicht mehr tragbaren und oft auch unverschuldeten schweren Notfälle eben von der Gemeinschaft getragen werden können, wofür wir alle ein Scherflein beitragen sollen. Auch mit Verzicht. Verzicht auf Übermass an Essen - z.B. Diabetes - Verzicht auf Bequemlichkeit - Mangelbewegung, Herzkrankheiten - Verzicht auf Rauchen - Gefährdung der Gesundheit generell... . Verzicht auf Reisen, um die Umwelt zu entlasten. Prinz Charles scheint mir das aber nur zu gerne wegen der PR zu machen. Diesen Verzicht mit Repressionen einzufordern darf kein Tabu sein. In vielen Bereichen stellt sich das heute mehr und mehr als Überlebensfrage der Menschheit dar.
Herrmann Hesse hat das Thema übrigens in 'Siddharta' durchleuchtet. Es scheint mir ein Merkmal des reifen Geistes zu sein Verzicht üben zu können und eben zu wissen, dass im Konsum von Materiellem wie Sexuellem keine Erfüllung per se liegt (als Ersatzdroge aber ganz brauchbar ...) sondern nur das Ausweichziel für einen mehr oder weniger orientierungslosen Geist spielt.
Nur, um dem Vorzubeuegn: Nein, ich bin nicht kirchlich angehaucht oder organisiert und ich rede keineswegs von Enthaltsamkeit (dazu ist Sex viel zu --- elementar, wie die Hindus wissen ...) oder gar Kasteiung. Aber von Triebaufschub. Verstanden als Instrument, das Leben individuell wie besonders gesellschaftlich etwas unkomplizierter zu gestalten.
Das wäre natürlich noch lange nicht Alles. Aber es reicht.
Mahlzeit.
asteus