Zum ehrenamt und anderem
hallo lamia und die anderen,
wie es der zufall will, bin ich über dieses forum und diesen thread bei der suche nach ratsamen internetseiten zu eben diesem thema gestolpert und hängen geblieben.
ich kann all dem, was hier geschreiben steht, nur zustimmen. auch ich habe die erfahrungen machen müssen, daß die beruflichen standards im sozialbereich in den letzten jahren gehörig zurückgefahren wurden.
angefangen hatte ich mit einem arbeitsvertrag in einer sozialberatung, der zwar nicht üppig, aber immerhin fest war. und als anfang habe ich den so damals erst mal akzeptiert. nach auflösung meiner arbeitsstelle war ich arbeitslos. und dann ging die ganze mühle richtig los. auf einmal stand ich selbst auf der anderen seite. da ich den riesenbedarf nach sozialberatung kannte, war ich erst mal nicht bange und sicher, daß ich schnell wieder eine arbeit finde. aber alles, was ich danach fand, war verbunden mit immer schlechteren arbeitsbedingungen: abm zuerst, dann z.b. projekte beantragen in kooperation mit potentiellen partnern (trägervereine), alles ehrenamtlich versteht sich, honorartätigkeit auf unterstem finanziellem niveau bei hoher qualitativer ausbeute (im wahrsten sinne, kann man sogar sagen) und zum schluß als ein-euro-job. nebenher klinken putzen, kontakte machen, kontakte pflegen, veranstaltungen + tagungen etc. besuchen, den kärglichen verdienst für weiterbildungen nutzen. und als ein-euro-jobber auch noch von den völlig unqualifizierten mitarbeitern des jobcenters unter druck setzen lassen. (wenigstens das habe ich durch ein energisches gespräch inzwischen aber unterbunden). förderung habe ich dabei kaum erfahren, wenn man von aufmunternden aber unverbindlichen gesprächen einmal absieht. und wenn ich nicht ständig unterwegs gewesen wäre, hätte das alles auch nicht stattgefunden. bewerbungen habe ich übrigens an die 400 geschrieben, bevor ich aufgab.
vor gut einem jahr habe ich mich dann einmal in einer ruhigen minute hingesetzt und mir überlegt, wo das eigentlich hinführen soll. ich bin ja gerne gesellschaftlich aktiv, habe beratungskompetenz und alle möglichen anderen qualifikationen und fähigkeiten. aber irgendwo ist eine grenze der belastungsfähigkeit und der einsatzbereitschaft. auch hatte ich mittlerweile die erfahrung gemacht, daß man mit solch prekären arbeitsbedingungen im rücken definitiv keine effektive sozialarbeit machen kann, da man a) nur ungenügend von der klientel akzeptiert wird, also die autorität leidet (es sei denn, man legt eine decke des schweigens über die eigene persönlichkeit, was so kaum machbar ist) und b) ist man so noch stärker als ohnehin schon der gefahr des burnout ausgesetzt, da die ausgleichsmöglichkeiten zu der arbeit ungenügend sind (wenn man keinen urlaub mangels geld machen kann, nicht ins kino kann etc., also alle aktivitäten, die geld kosten, die ausnahme bleiben müssen und man faktisch auf spaziergänge in der natur und zuhause vor dem fernseher sitzen zurückgeworfen ist und auf verständnisvolle und ab und zu spendable freunde hoffen muß).
ich habe unter meine beruflichen zielsetzungen im sozialbereich also schweren herzens einen dicken strich gezogen. denn mir ist klar geworden, daß unter diesen bedingungen eine solche arbeit für mich nicht mehr akzeptabel ist. (und mal abgesehen davon: in welcher branche würden solche arbeitsbedingungen akzeptiert werden von arbeitern? ich denke, es gäbe sehr schnell streiks, wie z.b. bei den ärzten zuletzt. warum aber lassen sich sozialarbeiter so etwas gefallen? weil sie grundsätzlich sehr leidensfähig sind?)
ich habe meine beruflichen ziele jetzt darauf ausgerichtet, einen möglichst sicheren job zu finden, von dem ich auch menschenwürdig leben kann. der inhalt der arbeit ist mir dabei vorläufig völlig egal. daß auch dies nicht einfach ist unter den gegenwärtigen bedingungen, ist klar. aber immerhin gäbe es bei erfolg endlich etwas ruhe in meinem leben. und es gäbe raum auch für andere lebensbereiche und interessen. und danach sehne ich mich nach über 8jährigem beruflichen engagement in immer wieder wechselnden jobs und tätigkeiten inzwischen sehr. ich denke so, daß ich nach einer gewissen verschnaufpause evtl. meine sozialen engagements wiederaufnehmen kann, sofern neben dem beruf ausreichend zeit und kraft bleibt. dann steht man auch nicht so extrem unter druck und hat eine bessere verhandlungsposition. außerdem hat sich bis dahin der "markt" im sozialbereich evtl. wieder etwas beruhigt, die politik hat evtl. gemerkt, daß der sozialbereich nicht mit ewig unterfinanzierten kurzzeitprojekten erfolgreich sein kann und das staatliche engagement vielleicht doch wieder etwas größer sein sollte. (ein wunschtraum, ich weiß)
nun ja, um nicht noch weiter auszuholen: ich hoffe auf die zukunft und versuche bis dahin, pragmatisch zu sein und mir erst mal eine stelle zum geldverdienen zu suchen.
zum ehremamt habe ich im übrigen ein zwiespältiges verhältnis: es ist immer gern gesehen und alle träger (auch behörden) freuen sich über ehrenamtliche mitarbeiter. es bietet die möglichkeit, kollegen kennenzulernne, arbeitserfahrungen zu machen, neue fähigkeiten zu entwickeln etcpp. und man bekommt darüber evtl. sogar eine beschäftigung - finanziert über das arbeitsamt, früher abm und heute ein-euro-job. denn auch die trägervereine sind größtenteils nur kurzfristig und prekär in der finanziellen ausstattung und hängen immer halb in der luft. und darum können sie auch keine bessseren arbeitsstellen anbieten. das immer wieder kurzfristige hopping von einem arbeitsamtsfinanzierten job über die anwartschaftszeit bis zur nächsten gelegenheit, überbrückt mit ehrenamtlicher arbeit, kann aber keine echte berufliche perspektive sein. jedenfalls nicht auf dauer. und nicht, wenn man zuvor so viel zeit und anstrengung in die eigene ausbildung gesteckt hat.
meine empfehlung ist es also: seine ansprüche zurückzuschrauben und den arbeitsmarkt nüchtern zu betrachten auf der suche nach dem tatsächlich machbaren.
für den fall, daß es im ausland möglichkeiten geben sollte, würde ich im übrigen auch deutschland verlassen.
soweit mein beitrag fürs erste
das glueckskaeferchen
(das eigentlich auch ganz dankbar wäre für ein feedback zu dieser auffassung. denn ehrlich gesagt, leicht ist mir dieser schlußstrich nicht gefallen. und ob diese pragmatische sichtweise wirklich eine gute entscheidung ist, da bin ich mir so 100%ig auch noch gar nicht sicher)