Glück kommt selten allein...
> Ich habe ein sehr schweres grundlegendes Problem, da ich mich einmal geritzt habe und deswegen
> sehr viele Narben auf meinem Arm habe die gut sichtbar sind
Du kannst mit deinem Hausarzt reden, vielleicht gibt es die Möglichkeit, das zu kaschieren. Es ist aber auch eine Einstellungssache, wenn es dir wieder besser geht, kannst du auch besser darüberstehen. Schließlich war es auch eine Sache, die dir geholfen hat.
> Das nächste Problem ist das ich weder Selbstbewusstsein noch Selbstwertgefühl habe und
> jedesmal die andren Mädchen in meiner Klasse darum beneide wie zufrieden sie mit sich selbst
> scheinen.
Ich weiß genau, was du meinst. Aber du hast es schon erkannt: Sie scheinen so zufrieden, aber jeder hat seine Probleme. Vergleich dich nicht mit Leuten, bei denen du glaubst, es ginge ihnen besser. Du schreibst selbst, dass du viele Freunde hast und dir schon oft gesagt wurde, dass andere dich sehr schätzen. Auch wenn du das nicht so ganz nachvollziehen kannst, solltest du es akzeptieren: Andere Menschen sehen Dinge in dir, die du zwar nicht so klar siehst, aber als sehr positiv empfunden werden. Ich bin mir auch sicher, dass andere deswegen auf dich neidisch sind, ohne dass du es willst. Das bringt dir zwar nichts, aber vielleicht ist es gut, das manchmal ins Bewusstsein zu rufen.
> Freundeskreis ... jedoch kann ich mit keinem von ihnen ausführlich ,offen und ehrlich über die
> allgemeine belastung dieser Probleme, reden.
Oh, das ist wirklich nicht leicht. Der Freundeskreis ist meiner Meinung nach nicht unbedingt der beste Ort für solche Sachen. Wenn, dann bei sehr ausgewählten Leuten oder - noch besser - in einer Gruppe von anderen Leuten die ähnliche Probleme haben.
> Doch glaube ich nicht ,das irgendeiner von ihnen nur ansatzweise verstehen kann wie zerissen
> ich bin...
Die meisten verstehen gar nichts, weil sie einfach andere Probleme haben. Aber trotzdem kann es sich sehr lohnen, mit einer ausgewählten Person darüber zu reden. Das raus zu lassen tut so gut! Und wenn diese Person dich gut kennt, dann kann sie auch vollkommen annehmen, dass und wieso es dir nicht gut geht. Dazu muss man nicht genau die selben Probleme haben. Ich konnte das mit 17 Jahren bei meiner Mutter und es hat mir sehr gut getan.
> und wenn ich ehrlich bin weiß ich auch nicht ganz so recht worüber ich reden soll
Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Wenn es soweit ist und die Situation passt, wird es nur so aus dir raussprudeln, auch ohne dass du darüber nachdenken musst. Wenn du glaubst, deine Freundin könnte der richtige Mensch für so etwas sein, dann frag sie, was sie dazu meint. Besonders wenn es dir irgendwann akut nicht gut geht, ist ein guter Moment um darüber zu reden. Du bist mit Sicherheit auch einigermaßen trainiert, die Probleme und schlechten Gedanken zu verdrängen (was nicht unbedingt schlecht ist!), da hilft es zum Reden gut, wenn es gerade "arg" ist.
> zudem weiß ich das es in meinem alter sehr schwer ist weil sich einiges verändert,aber das ist
> doch kein Grund das ich so leiden muss oder?
Ich finde, das ist ein sehr guter Grund. Wenn es einem nicht gut geht, dann soll man ruhig vor sich selbst dazu stehen. Das einzige worauf man ein bisschen achten sollte ist, dass sich das Leiden nicht zu sehr verselbstständigt. Dabei hilft es aber, zum beispiel eine gute Freundin zu haben, mit der man darüber reden kann, beziehungsweise die einfach nur zuhört.
> Vor allem macht mich die situatioon mit meinem Vater so kaputt ich habe noch nie darüber
> ausführlich nachgedacht oder gesprochen weil ich einfach nicht weis wo ich anfangen soll...
> vielleicht ist es das was mich so kaputt macht,ich fühle mich innerlich so zerissen und kaputt und
> frage mich wo und wann ICH, eigentlich verloren gegangen bin,da ich immer ein fröhlicher
> mensch war.
Wenn du es schaffst, diese schwere Zeit für dich zu überwinden, dann kann daraus eine große Stärke hervorgehen. Menschen, die nie irgendwelche Probleme hatten sind nicht nur langweilig sondern haben auch keine Ahnung vom Leben. Die Weisesten Leute hatten oft die schwersten Schicksale zu verarbeiten.
Ich für mich persönlich habe auch einen Schaden durch meinen Vater in meiner Kindheit und Jugend davongetragen. Mit den Auswirkungen habe ich täglich zu kämpfen, aber ich konnte schon sehr viel verbessern und bin mittlerweile ziemlich zufrieden mit mir und der Welt. Früher habe ich überhaupt kein Land gesehen und konnte mir nicht vorstellen, wie ich mich zu dem entwickeln konnte, was ich heute bin.
Aber ich hatte auch Hilfe, und zwar professionelle. Meine Abneigung dagegen war sehr groß, aber dich dachte mir, dass ich sowieso nichts zu verlieren hätte. Was sich dann getan hat, war wirklich bemerkenswert. Auch wenn man sich selbst besser kennt als andere einem kennen, gibt es so viele Sachen, die mir heute klar sind welche ich früher überhaupt nicht gesehen habe, als ich mittendrin steckte. Wenn dein Vater so übel ist, dann ist er sehr wahrscheinlich der Hauptgrund für deine Probleme. Aber das ist viel zu kompliziert als dass du es schwupp-die-wupp selbst alles entwirren kannst und dir selbst helfen. Professionelle Hilfe lohnt sich aus mehreren Gründen: Erstens haben viele andere Leute das gleiche oder ein sehr ähnliches Problem. Dieses - dein - Problem wurde schon sehr oft gelöst und es gibt sehr gut etablierte Wege, es zu lösen. Das hängt aber mit einem längeren Prozess zusammen, bei dem man sich selbst in seiner Rolle aus einem anderen Blickwinkel versteht und dadurch auch erkennen kann, wie man es ändern kann. Therapieren tut man sich letztendlich immer selbst, nur die Gedankenanstöße - die kommen von außen.
Zweitens tut es unheimlich gut, in einer Gruppentherapie mit anderen zu sehen, wie andere Leute die selben Probleme haben und einem endlich mal verstehen können. Das ist dann viel klarer als wenn man es selbst versucht, zu "erarbeiten".
Der Entschluss zu einer Therapie ist ganz einfach: Mach einen Termin bei deinem Hausarzt und erzähl ihm von dem Problem mit deinem Vater und dass du schon Selbstmordgedanken hattest. Du kannst ruhig etwas übertreiben, dann kriegst du locker einen Termin bei einem Psychologen.
Ich weiß von mir selbst aber auch, dass das eine sehr große Überwindung ist, weil man schon irgendwie selbst klar kommen will... aber es lohnt sich einfach sooooo, das in Anspruch zu nehmen.
Wenn du selbstbewusst und charismatisch werden willst, dann ist das auf jeden Fall ein sehr guter Weg. Das ist auch nicht unbedingt dringend, die Vergangenheit kann man immer aufarbeiten und die daraus entstandenen Blockaden wegräumen. Aber für _jetzt_ hilft es dir halt nicht, da nichts weiter zu tun. Deinen Vater kannst du leider nicht umtauschen, aber du kannst sehr gute Taktiken lernen, dass er dir nichts mehr anhaben kann und du darüber erhaben bist. Es lohnt sich nicht, die Blockaden so lange mit sich rum zu schleppen. Und glaub mir: Die Blockaden hast du. Auch wenn es dir ganz gut gehen sollte und du Glück in der Liebe hast werden die Blockaden da sein, nur vielleicht nicht so ins Gewicht fallen. Es lohnt sich immer, da aufzuräumen.
Ich wünsch' dir alles Gute und viel Erfolg...
Apropos: Es gibt auch ein wirklich tolles Buch:
"Dr. Eckart von Hirschhausen - Glück kommt selten allein"
Dieses Buch hilft auch schon sehr viel - es ist toll zu lesen und vor allem redet es einem keine Scheiße ein, die einem noch unglücklicher macht. Es geht eigentlich viel mehr um die Zufriedenheit...
Alles Gute.