Von vorn beginnen?
Hallo Sabrinas, du musst keinesfalls von vorn beginnen. Das muss man in den allerseltensten Fällen.
Annähern, Aufhalftern etc. beherrscht Moritz ja schon. Von vorn beginnen müssen nur Leute, die das Problem nicht genau identifizieren können und daher einfach alles wieder aufrollen.
Pferde haben ein hervorragendes Gedächtnis. Wenn du einmal herausgefunden hast, wo der Knackpunkt bei Moritz liegt, wo genau er sein Problem hat, kannst du exakt an diesem Punkt beginnen. Das Problem des Pferdes liegt meist nicht an dem, was offensichtlich schief läuft (kein Hufegeben, Widersetzlichkeit), sondern einige Schritte vorher.
Wenn du also schon von Anfang an anders reagierst als zuvor reagiert wurde, schaffst du neue Bedingungen.
Auch gut korrigierte Pferde fallen schnell an alte Muster zurück, wenn die Situation plötzlich wieder die Alte ist. Daher sollte sich am Knackpunkt des Fehlers die Grundsituation ändern und du musst die Vorbedingungen ändern.
Ich habe schon viele sehr viel schwierigere Pferde trainiert.
Vor gut 8 Jahren habe ich mich auf angeblich unreitbare und bösartige Pferde sowie Jungpferde spezialisiert.
Daher kann ich dir aus Erfahrung sagen, dass 50% der angeblich widersitzlichen Pferde ein Kommunikationsproblem haben, 40% aufgrund Misshandlung und falschem Training falsche Erfahrungen gemacht haben und nur gelernt haben sich so zu schützen und nur 10% der Pferde ein genetisch angelegtes Agressionspotential haben und daher wirklich schwierig sind. Schwierig bedeutet dann eher, dass der Mensch umso disziplinierter sein muss.
In meinen Kursen habe ich 90% brave Pferde mit Kommunikationsproblemen.
Erst einmal musst du für das Pferd immer berechenbar sein. Das Pferd muss wissen, wo es bei dir dran ist - und zwar immer. Das bedeutet, dass du immer die gleichen Kommandos für immer die gleiche Tätigkeit gibst.
Dann musst du mit dem Pony in einer Art und Weise sprechen, die es versteht. Die meisten Leute sprechen körpersprachlich anders als handlungstechnisch. So etwas verwirrt Pferde und lässt viel Raum für kleine Frechheiten, die sich dann zu Widersetzlichkeiten ausbauen.
Ein Pferd muss wissen, dass es auch unangenehme Dinge ertragen muss. So grausam das erstmal klingt, aber in letzter Konsequenz darf ich meinem Pferd Schmerzen zufügen, die es ertragen muss.
Ich möchte keinesfalls, dass mir mein Pferd gleich nach dem Leben trachtet, wenn ich es mal verarzten muss (beispielsweise eine Wunde versorge, ein Hufgeschwür ausgeschnitten werden muss oder ich ein Pferd aus einer Situation -beispielsweise verheddert im Führstrick, Decke oder Zaun- befreien muss).
Einem wohlerzogenen Pferd, kann ich so manche Nasenbremse, Sedierung (gerade wichtig bei älteren Pferden und Pferden mit Kreislaufproblemen) oder Verletzung ersparen, wenn es vertraut und auch mal erträgt.
Moritz erträgt leider nichtmal das Hufehochheben hinten, da er lt. deiner Aussage hinten schlimme Hufe hat, tun ihm diese wohl auch weh. Zudem hat er Gleichgewichtsprobleme und möchte sich auch nicht damit auseinandersetzen.
Wenn du die Hinterhufe hochhebst, achte darauf, den Huf anzufassen und abzukippen. Zieh das Bein nicht weit weg vom Körper. Einfach das Pferd das Bein anheben lassen und den Huf abkippen. Das ist anfangs die sicherste Methode. Wenn er trotzdem treten sollte, nimm erstmal ein Seil und lass ihn schaukeln.
Das Leben anschließend sollte zwar nie fehlen, aber sich auf ein kurzes Lob beschränken. Er hat ja nur einen Huf hochgenommen und nicht gerade die WM gewonnen.
Körpersprachlich solltest du sehr genaue Signale geben. Erst einmal sollte Moritz dich nicht umrennen, drängeln oder aufdringlich werden.
Grundsätzlich gilt, wo du stehen möchtest, hat er nicht zu stehen. Er sollte einen höflichen Abstand zu dir halten, der bei einer guten Beziehen recht eng sein darf. Er soll ja nicht vor dir flüchten, wenn du das nicht gerade wünschst.
Stell dich ganz einfach dicht an seine Seite und tippe ihn ganz sanft mit dem Finger an. Dabei machst du dich groß und spannst den Körper an. Weicht er nicht, lässt du deinen Körper gegen ihn fallen und schubst ihn um.
Ein neutrales Pferd wird sich wundern und nach 1-3 Mal schon auf Tippen und Körperspannung 1-2 Schritte Platz machen.
Ein dominantes Pferd wird gegenhalten und muss mehr geschubst werden. Bei solchen Pferden solltest du beim Schubsen auch den Kopf ruckartig hochwerfen (als wolltest du ihn anprollen - ey ich will hier hin, verschwinde).
Ein sehr dominantes Pferd wird versuchen dich in den Oberschenkel zu beißen. Sei also auf alles gefasst.
Beißt das Pferd nach dir - werde zur Furie. Schlag ihn nicht sondern kneif ihn hinter das Vorderbein, schrei ihn kurz an und bedroh ihn durch dominantes Auftreten. Keinesfalls darf man dann nach dem Kopf schlagen.
Das Pferd soll dann an der Longe lernen, dich zu beachten.
Longiere ihn (am Besten am Knotenhalfter). Dabei lässt du die hintere Schulter vorn. Treib ihn mit dem Ende der Longe. Dieses Ende wird geworfen. Dein Kopf ist oben.
Dann blick zu Boden und nimm eine lockere Körperhaltung ein, er soll dann zu dir kommen. Zieh ihn also zu dir heran. Er soll dann vor dir stehen bleiben (nicht dich umrennen). Erst wenn er steht, wird er gelobt. Dreh dich dann auf der Stelle (keinesfalls einen Schritt zurück, nichtmal einen halben) und treibe ihn von dir weg - entweder in die gleiche Richtung oder mit Richtungswechsel. Er hat in einem höflichen Bogen um dich herumzugehen. Weiche nicht zurück, sondern lehn deinen Oberkörper -wenn du unsicher bist- lieber ein wenig vor.
Diese Übung kann man nicht oft genug machen. Das Pferd lernt, dich jederzeit wahrzunehmen und im Blick zu halten - auch wenn er nach außen schaut, hat er dich mit einem Auge im Blick zu halten.
Moritz soll sich also auf dich konzentrieren.
Nach und nach kann man mit dieser Übung spielen und das Pferd mit der Zeit körpersprachlich aus jeder Gangart Handwechsel machen lassen oder zu sich holen.
Die Übung erhöht die Konzentrationszeit und stärkt das Vertrauen, denn das Pferd wird immer dann zu sich gehole, wenn es sich entweder für andere Dinge interessiert oder auch erschreckt. Es lernt, dass du der ruhige Pol bist.
Gehen und Stehen
Führe Moritz. Er darf dich mit dem Kopf nicht überholen, sonst schick ihn zurück. Niemals am Strick ziehen, sondern an der Brust zurückschicken. Bei sturen Pferden kann man auch schonmal mit dem Rest der aufgewickelten Longe an der Hand an die Brust klatschen. Niemals dem Pferd weh tun, immer nur bedrohen. Je bedrohlicher die Situation aussieht, je wirkungsvoller ist sie. Je mehr sie weh tut (Schlag mit Gerte oder Strickende), je mehr wird das Vertrauen geschädigt und das Pferd wird unfreundlich und evtl. hektisch - es funktioniert dann aus Angst vor Schmerz und nicht weil es deine Sprache versteht. Pferde arbeiten über Drohgebärden, wirkliche Schmerzen (Tritte und Bisse) kommen erst nach mehreren Drohgebärden und meist nachdem der Rangniedere gejagt wurde.
Wenn du von Liebsein und Lob direkt auf 'ich füge dir Schmerz zu' umschwenkst, wird das Pferd dieses nicht verstehen.
So, jetzt zur eigentlichen Übung.
Du führst Moritz also. Immer wenn er dich überholen will, änderst du die Richtung. Am Besten gleich entgegengesetzt. Der Strick ist immer gleichlang und auch dein Tempo ändert sich nicht. Er wird sehr schnell lernen, dass es keinen Sinn hat, in eigene Richtungen abzuweichen.
Wenn er dieses beherrscht und sich nach dir richtet, wenn du ihn führst, solltest du ihn hinstellen. Er bekommt das klare Kommando (Steh, Halt oder Sahnebonbon oder was immer du dafür nimmst).
Mach dich nun direkt vor ihm groß, bau Körperspannung auf und nimm das Kinn hoch. Geh in dieser Haltung rückwärts. Folgt er dir geh bedrohlich auf ihn zu. Weicht er nicht zurück, renn ruhig auf ihn zu, jag ihn zurück - aber nur körpersprachlich, ohne Worte, ohne Hektik.
Bedroh ihn.
Wenn er stehen bleibt aber dich nicht anschaut schaukel mit der Longe, bis er dich anschaut.
Er soll stehen und dich anschauen, während du auf Longenlänge von ihm rückwärts weggehst. Dann steht euch einfach gegenüber.
Dann veränder deine Körperhaltung indem du dich entspannst, auf den Boden schaust (ihn anschielen), und dich ganz leicht seitlich drehst. Er soll dann zu dir kommen, also hol die Longe in einer fließenden Bewegung ein.
Auch diese Übung kann man nicht oft genug machen. Sie erhöht wieder die Konzentration auf dich, stärkt die Bindung zwischen euch und erhöht deine Dominanz. Du bist sein ruhiger Pol, er darf zu dir kommen und muss von dir weg bleiben, was er nicht gern hat - er muss dich ja fixieren. Er wird lieber entspannt bei dir stehen als von dir weg in höchtst Konzentration, bis er zu dir darf und sich entspannen darf.
Die nächsten Übung erfordern etwas Geschick und Vorarbeit. Die vorherigen Übungen sollten aus dem FF klappen. Euer Verhältnis sollte jetzt soweit sein, dass er aufmerksam ist und sich gern nach dir richtet. Mit diesen Übungen verbesserst du dann den Zügelgehorsam (Führgehorsam beim Grasen etc. - er wird sich nicht mehr selbständig machen, auch nicht bei Gefahr) und das Körpergefühl und Gleichgewicht des Pferdes.
Bevor ich mir jedoch die Finger wund schreibe, möchte ich natürlich wissen, ob du bisher meine Ausführungen verstanden hast und überhaupt so arbeiten willst.
Wenn ja, kannst du ja schonmal beginnen und mir dann schreiben wie er sich anstellt und was für Erfahrungen du mit den Übungen hast.
LG
Nantje