Hi...
Letzte Ernte
(Aus einem alten Schullesebuch)
Ich brachte in siebzig Jahren viele Ernten ein, dies soll mein letztes Fuder wohl gewesen sein! Die Gäule scheuten am Tore, sie jagten mit Gewalt, ich schrie und riß an der Leine, aber mein Arm ist alt.
Vor ihren polternden Hufen der Staub flog auf wie Rauch, die Garben schleiften die Steine - mein alter Rücken auch.
Daß sie den Schmeid nur holen, ein eisen fehlt dem Roß, und hinterm Hof am Tore, da ist ein Pfosten los. Und daß sie nicht vergessen: da, wo die Pappeln stehn, im letzten Schlag am Berge, da sollen sie Roggen sähn.
Kommt jeder an die Reihe, König, Bauer und Knecht! Ists unsres Herrgotts Wille, so ist es auch mir recht. Was stehst du vor dem Bette und beugst dich drüber dich? Meinst du, Mutter, ich säh die Totenlichter nicht?
Vier Lichter an der Lade, wie sichs zu Recht gehört, vier Pferde vor dem Wagen, der mich vom Hofe fährt, der weißen Klageweiber zween vor meiner Truh im breiten linnenen Laken vom Kopf bis auf die Schuh!
Mutter, kommen die Kühe schon vom Kamp herein? Die Schwarze brüllt am Tore, da muß es Melkzeit sein.
Ich hör die Knechte singen vor der Dielentür - Morgen um Feierabend bin ich nicht mehr hier!
Viel Hände braucht die Ernte. Der Herrgott hats gewußt. Gottlob, daß ich nicht früher habe fortgemußt! Und wenn ich Feierabend heute machen soll - gemäht sind die letzten Ähren und alle Scheuern voll!
Lulu von Strauß und Torney
;)
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