Hallo zusammen.
Ich weiß, das Thema könnte langsam nerven, aber
trotzdem will ich es aufschreiben, einfach um das erlebte zu verarbeiten. Es ist alles so unwirklich und doch real.
Ich komme aus Sachsen wie einige wissen, die mich hier länger kennen.
Glücklicherweise bin ich vom Hochwasser nicht direkt betroffen, aber wohl jeder hier hat Bekannte, Freunde und Verwandte die es betroffen hat.
Menschen suchen hier ihre Verwandten oder Eltern die Evakuiert sind und man weiß nicht wo sie sind. Viele wissen nicht was sie bei der Rückkehr erwartet. Viele haben alles verloren, was in vielen Jahren erarbeitet wurde. Auch wenn man oft hört die Versicherungen bezahlen und Unterstützung kommt, so sieht dir Realität sehr oft doch anders aus. Die wenigsten haben noch die alten DDR Verträge die von der Allianz übernommen wurden. Und somit stehen unendlich viele Menschen hier vor dem Nichts. Viele müssen jetzt noch Jahrzehnte für ihr Haus bezahlen, dass es nicht mehr gibt. Die erst teuer gekauften Grundstücke haben nun 3/4 an Wert verloren, ein Neubau geht finanziell schon gar nicht. Viele Unternehmen müssen schließen, weil die Firma zerstört ist. Wieder mehr Arbeitslose, wieder mehr Not.
Sieht man die Bilder im Fernsehen ist man erschrocken, steht man vor Ort ist man geschockt.
Aber man ist auch gerührt von der Solidarität der Menschen hier.
Auch ich hätte jetzt wo ich Urlaub habe lieber am See gelegen, aber kann man das wenn so nah das Unheil ist?
Ich habe mich am Montag auf den Weg nach Dessau gemacht. Ich schaufelte Sand, während eilige Hubschrauber über mir mit großen Netzen die Stadt überquerten. Am Abend beruhigte sich dort aber die Situation und es waren genügend freiwillige Helfer vor Ort. So fuhr ich in der Nacht weiter nach Bitterfeld. Ich kam um Mitternacht dort an und es war gespenstisch. Die Stadt war leer, denn bis auf wenige Leute waren alle Evakuiert. Kein Auto am Straßenrand, alle Türen und Kellerfenster mit Sandsäcken verschlossen und niegens Licht in einem Fenster. Der Strom war ja auch in Teilen der Stadt abgestellt.
Am Bahnhof sollte ein Treffpunkt sein und so suchte ich ihn. Dort stelle ich dann mein Auto ab und wartet. Bald kam ein Bus und ich wurde dort sogar noch nachts halb 1 abgeholt. Unterwegs sammelte der Bus immer wieder vereinzelte Freiwille Helfer auf.
Der Bus brachte uns in die Nähe eines Damms der immer weiter durchweichte.
Dort wartete schon das Technische Hilfswerk auf neue „frische“ Leute und sofort ging es an den Damm, um ihn zu sichern. Als ich dort stand, lief es mir kalter Schauer den Rücken hinunter. Vielleicht 500 Menschen arbeiteten dort wie die Ameisen. Der Damm war schon fast 2 Meter hoch und sicher so 2 km lang. Ich krabbelte hoch zur Dammkrone und war geschockt, denn nur 30 cm darunter war das Wasser und die Lichter am anderen Ufer kaum mehr zu erkennen. Direkt vor mir die Straßenschild was nur noch 20 cm aus dem Wasser ragte. Unten sickerte überall Wasser durch und ein benachbarter Sportplatz stand schon unter Wasser. So reihte ich mich mit zwischen die vielen Menschen ein und Sandsack um Sandsack erhöhte so den Damm hinter uns. Immer wieder schlugen die Wellen über den Damm und alle erschraken heftig. Gegen 2.30 Uhr kam ein Mann vom Katastrophenschutz und rief alle Helfer zusammen. Er sprach über Megafon zu den Leuten. Seine Worte waren bedrückend, denn er sagte, das das Wasser im Augenblick den Damm unterspült und ihn gerade von unten aushebt. Die Chancen in zu halten ständen nicht gut. Er sagte offen wie es steht und bot jedem damit an, jetzt zu gehen und die Stadt zu verlassen. Denn wenn dieser Damm bricht steht Bitterfeld 1,50 Meter unter Wasser und zwar komplett. Was heißt, dass dann alle Straßen in und um Bitterfeld unter Wasser stehen und auf diesem Weg niemand mehr aus der Stadt kommen könnte.
Tja, was passierte nun.
Erst war Stille und jeder sah den anderen an. Dann rief einer: „Wir bleiben hier!“ und alle begannen zu klatschen. Ein beeindruckender Moment für mich.
Der Mann vom Katastrophenschutz meinte, die Bundeswehr ist mit schwerer Technik auf den Weg hier her, aber sie werden erst in den Morgenstunden da sein. Danach machten sich diese 500 Menschen zurück an den Damm und ich fühlte wie früher hier diesen enormen Zusammenhalt unter fremden Menschen.
Sicher hatten alle Angst, denn es wurde sehr still nun. Alle arbeiteten nun wortlos und in Gedanken versunken, aber jeder mühte sich sehr.
Als es hell wurde und die Sonne aufging sah ich erst das ganze Ausmaß. Ein Boot von Deutschen Lebensrettungs-Dienst kam an und es schwamm praktisch in Augenhöhe wenige Meter vor mir. Dazwischen nur 2 Meter Sandsäcke. Als ich auf der Dammkrone stand sah ich nur Wasser Wasser Wasser. So weit das Auge reichte. Es müssen Kilometer gewesen sein, denn das andere Ufer war nur durch einen dünnen dunklen Strich zu erkennen.
Der Tag begann und die Sonne brannte sich in die vielen Helfer. Viele kamen nun dazu und es müssen dann fast 2000 Menschen gewesen sein die hier versuchten das Wasser von der Stadt fern zu halten. Es waren Menschen aus ganz Deutschland. Leute aus Hamburg, Köln, Stuttgart, Ulm
und noch aus dem ganzen Osten die hier arbeiteten.
Viele viele Privatleute, die mit ihren Autoanhängern Sand anfuhren, viele Leute aus dem ganzen Land, die Getränke brachten, jemand aus Thüringen, der 5000 Bratwürste hier brutzelte. Eine Getränkefirma die drei LKW mit Getränken lieferte, Großlieferanten die Bananen, Melonen, Äpfel brachen usw.
Sanitäter liefen unentwegt durch die Reihen, holten Leute dort raus, die zu erschöpft erschienen, verteilten Sonnencreme und Magnesiumtabletten. Irgendwie ein riesiges Gefühl von Zusammenhalt. Jeder achtete auf seinen unbekannten Nachbarn. Viel einer aus, rückte sofort einer nach. Es war unbeschreiblich.
Unaufhaltsam wurde der Damm stabieler und größer.
Dann in der Nacht zum Mittwoch war es geschafft. Der Damm stand sicher und der Pegel viel langsam.
Es war Zeit für mich weiterzufahren, denn in Wittenberg wurde es den Nachrichten nach zu Urteilen schlimmer. So fuhr ich dann in der Nacht nach Norden. Ja, ich war übermüdet, denn die Nacht vorher war auch schon ohne Schlaf, aber es nutze doch nichts. Ich hatte Kaffee und „Muntermachen“ von der Bundeswehr bekommen und so ging es dann schon.
In Witteberg fragte ich die Polizei, wo ich mich hinwenden kann. Sie zeigen mir den Weg zur Sammelstelle des THW und 15 Minuten später saß ich im LKW, die mich hinunter zum durchweichtem Damm brachten. Auch hier arbeiteten unermüdlich Freiwillige durch die ganze Nacht. Ich habe neben Menschen gearbeitet, die alles verloren haben, nun aber helfen, das anderen ihr eigenes Schicksal nicht ereilt. Was zählt in diesem Momenten Müdigkeit, Schlaf, Urlaub oder sonst was. Halb vier in der Nacht brach zwei Meter neben mir eine Frau zusammen. Auch sie stand seit Montag schon hier. Sofort wurde ihr geholfen und sofort wurde die Lücke mit neuen Leuten geschlossen. So ging es den ganzen Tag weiter.
Am Abend dann, konnte ich selber nicht mehr. Länger wollte ich durchhalten, aber ich war 60 Stunden auf den Beinen. Meine Handgelenke waren schon verbunden und ich bekam keinen Sandsack mehr hoch und wurde von zwei Sanileuten aus der Reihe gefischt. Sie gaben mir ein seltsames Getränk und brachten mich zurück zu meinem Auto, wo ich schlafen wollte. Ich hatte ja einen Schlafsack dabei und mein Auto ist ein klasse Hotel. Dachte ich jedenfalls in dem Moment.
Nach 16! Stunden Schlaf wachte ich auf und musste kurz nachdenken wo ich überhaupt bin. Ich spürte, ich war zu nichts mehr nützlich, denn mein Rücken, die Handgelenke und die Füße taten so weh. Ich wollte bis Freitag durchhalten und nun merke ich doch, dass ich nicht mehr 20 bin.
Nun ist Freitag, ich bin zu Hause und werde mich für 1 bis 2 Tage erholen. Alle Urlaubspläne sind dahin geworfen, denn schon morgen Abend werde ich zurückgehen. Dieses Mal aber nach Süden. Grimma oder Dresden. Dort muss nun der ganze Schlamm weg, tote Tiere die angespült sind und unendlich viel Schutt und Trümmer. Ich weiß noch nicht was mich erwartet, aber ich rechne mit viel schlimmen.
Wie die Zukunft in Sachsen nun ausschaut, weiß niemand. Das Geld wird nun mehr als knapp.
Vielleicht verliere auch ich meinen Job dadurch, aber was ist ein Job geben eine Existenz.
Ich denke auch oft an Dich „annana“.
Wenn Du mich brauchst, Du kennst meine Nummer.
Danke hiermit auch an alle die auf ihre Art helfen. Ob durch Spende oder Sachen.
Die Leute hier werden euch das nie vergessen!!!
Nun habe ich lange geschlafen, endlich mal gebadet, denn ich roch nicht besonders gut nach 4 Tagen Katzenwäschen mit Mineralwasser. *schäm*
Meine Sachen sind schmutzig und mein T-Shirt, sowie die Haare sind bei der Hitze mit Mineralwasser getränkt, getrocknet, getränkt, getrocknet usw.
Ich werde meine Knochen noch etwas ruhen und schon bald breche ich für länger auf. Das Auto muss nur noch neu gepackt werden, Verpflegung für min. 5-7 Tage werde ich mir noch holen und spätesten Samstagnacht mache ich mich auf den Weg.
Ich habe noch zwei Wochen Urlaub und werde so lange bleiben wie es geht. Wann ich zurückkomme weiß ich also noch nicht.
Nichts steht im Moment wichtiger als zu helfen wo es geht. Denn nur so schaffen wir das wenigstens etwas. Dafür kann kein Urlaub oder Wochenende zu schade sein.
Ich schäme mich für meine Landleute die „gaffend“ daneben stehen. Ich schäme mich für die Leute die ich gesehen habe, die nur zum „kostenlos Essen fassen“ an den Damm gekommen sind. Ich schäme mich für die, die sich mit Dreck beschmieren, sich fotografieren lassen und verschwinden. Es tut mir Leid für den Reporter den ich am Mittwoch in Bitterfeld übermüdet angeblafft habe, weil er mich in einer Pause genervt hat. Aber hier brauchen wir keine Gaffer oder Einschaltquotenhascher, wir brauchen HILFE !
HELFT UNS !!!
So viele Einzelschicksale, so viele Menschen die nur noch ihre Kleidung am Körper haben, soviel Elend. Einige kleinere Städte werden für immer verschwinden werden, weil sie komplett zerstört sind und kein Geld dort für den Wiederaufbau bereitstehen wird. Wie lange wird es dauern bis das überwunden ist? Wie viele bleiben auf der Strecke, die morgen schon vergessen sind? Wie unwichtig werden plötzlich eigene Sorgen und Probleme, die unter diesen Bedingungen zur Nichtigkeit schrumpfen.
Liebe Grüße und bis bald zurück
Bye Stromer
Sorry, für den elend langen Beitrag.
Bin nicht mal böse wenn er nicht zuende gelesen wird, aber das Forum war immer auf irgend eine Weise gut für mich.
Heute mal eben nur um bedrückendes rauszulassen. Auch das tat gerade jetzt mal gut.
Sei es für die Ewigkeit.