Einsamkeit im Ruhrgebiet
Er wohnt länger hier , länger als geplant , ist viel herumgekommen.
Ursprünglich aus dem Süden der Republik , weg aus Idylle und Elternhaus für das er zeitweise nur Galgenhumor parat hatt.
Einige enttäuschende Beziehungen hier und da , die letzten etwas sehr enttäuschend.
Auf die Frage was Zuhause ist lächelt er kurz und schon fast kühl, als ob er keine Antwort dafür hatt.
Seine Ausbildung hatt er gut abgeschlossen und wurde danach Fahrzeugaufbereiter, kein Traumjob , seitdem von job zu job, er träumt davon, seinen Schrauber zu machen "hier oder sonstewo ist scheissegal "sagt er.
Viele Bilder von Autos hängen an den
Wänden, die habe ich alle gefahren und geliebt , ich traue mich mehr zu fragen warum allein , kontaktscheu
verbittert , depressiv ?
Ohne Worte bekomm ich einen Kaffee und sehe zu wie er sich eine Zigarette ansteckt.
"Dat is nich einfach, nach der letzten Trennung, und glaube mir die olle hat mir das Wasser im Arsch kochen lassen bis ich Brandblasen hatte , für die hätte ich alled gemacht ich hab se geliebt, bin ich fast dran zu Grunde gegangen 2 jahre und ich wollte se fast heiraten und denn peng nix mehr, um mich abzulenken war ich in so ner Autoclique, aber zwischenmenschlich war da ga nix nur Gesaufe und Gelaber , datt meiste mach ich selbst an meiner Lady.
Allein sein ohne Freunde daran kannse dir gewöhnen, aber wenn keine Mieze da is der de ma allet klagen kanns oder n kuschligen machen kannst , dat tut weh."
Ich lächle als er so erzählt , er is n echtes Original, sein angeieigneter Ruhrpott Dialekt fehlerfrei.
Seine stahlblauen Augen scheinen den Raum aber noch kälter zu machen.
Er hält sich nich für attraktiv und macht keinen Aufwand um seine Person. Was mit seiner Familie sei will ich wissen und bohre nach.
"Im wesentlichen krank, meine Großeltern geben mir halt, vielleicht noch mein Bruder und Mutti,
Vadda isn trinker , datt wird aber totgeschwiegen.
Als balg gabs regelmäßig dresche , damit de rund läufst sagte er oft ,die eine Schwester hatt nu n braten in der Röhre 24 isse und beie Zeugen Jehovas finster Verein , aba dat kerl von ihr isn Arsch , der Bruder macht was im Lager , und ich ( sein Blick wird trauriger) na ich mache Drecksarbeit und habn schlimmet Bein"
Wünschen sie sich Freunde ?
" Ja schon aber find die ersma , echte Kumpel, wachsen nich anne Tanne, im Süden habe ich noch ein zwei Leute die halten zu mir wir sehen uns selten".
Warum gehen Sie nicht zurück , wenn sie da doch ein soziales Umfeld haben ?
"Denkse ich bin bekloppt ? 10 jahre bin ich wech, ich pass da doch nich mehr hin, die Lachen sich n Arsch voll kommt mim 20 jahre alten Hobel und kein Job, bayerische Weiber wollen auch ein mit Schotter"
Seine Aussagen klingen pauschal und doch nachvollziehbar. Mir wird bewusst wie glücklich ich doch sein kann , ein soziales Netzwerk zu haben , trotz aller Satire meines Gegenübers merke ich ,dass es ihm schlecht geht , verbittert ist er nicht, Gastfreundschaft wird groß geschrieben , ständig bekomme ich Kaffee und Plätzchen gereicht.
Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft ?
" Dat is einfach , glücklich sein Frau und Kind , den Schrauber machen, dazugehören dürfen" .
Es ist dunkel geworden, in meinem Kopf überlege ich wem ich noch alles ein Weihnachtsgeschenk besorgen muss, und schäme mich gleichzeitig denn mein gegenüber wird wahrscheinlich alleine sein an Heiligabend, er wirkt so als währe im das egal , doch der rauhe Schrauber der wahrscheinlich Autos genauso liebt wie Frauen, ist Innerlich weich.
" Vielleicht donner ich ja runter ma sehen"
Ich hoffe das er es tut, jeder Mensch braucht das, vielleicht spielt meine eigene Bindung zu Weihnachten dabei eine Rolle.
Als wir uns verabschieden, ist es fast herzlich,
"Komm Jederzeit rum , wenne wat anner Karre hast besorg ich dich dat"
Ich werde wiederkommen ganz bestimmt, nicht nur wegen der Geschichte nein einfach weil es beim "ollen Duke" wie er sich selbst nennt schön ist.
Einer von vielen, er ist 27 und dennoch so vereinsamt, wie kann das sein ?
Haben wir dank Smartphones und Chats unser Mitmenschen vergessen ?
Sehen wir weg ?
In zwei Wochen ist Weihnachten.
Interview vom 15.12.2013