Als ich damit nach außen ging und meine Überzeugung sichtbar machte, schlug mir tatsächlich oft genug Ablehnung entgegen. Meine Familie reagierte völlig entsetzt und fassungslos. Meine Tante verweigerte jedes Treffen mit mir. Zwei weitere Familienmitgleider brachen den Kontakt komplett ab. Ich wurde wütend und warf ihnen Intoleranz und Dummheit vor. Ich blaffte sie an, dass sie sich nicht mal die Mühe machen würden, den Islam zu verstehen, (oder sachlich meine Beweggründe zu erklären)
Einen qualifizierten Arbeitsplatz würde ich mit dem Kopftuch nicht bekommen; zum Glück bot man mir zu diesem Zeitpunkt einen Job im Sekretariat einer türkischen Organisation an. Deutsche Konvertitinnen werden bevorzugt eingestellt, sie sind äußerst begehrt: Sie sind eine ausgezeichnete Werbung für den Islam.
Ich wurde eingeladen Vorträge zu halten und anderen Muslimen von meiner Konversion zu erzählen. Mein ganzer Freundeskreis bestand ausschließlich aus Muslimen.
Aber meine heile Welt zeigte sehr rasch deutliche Risse: Denn trotz meiner Konversion hatte ich mir immer noch ein Stück Individualität und eigenständiges, kritisches Denken bewahrt. Ich legte den Islam nicht wie eine 150-prozentige Konvertitin aus, sondern eher liberal. Zum Beispiel die Idee, dass der Koran angeblich von Gott stammt. Für mich bleib er, wie die Bibel, ein Werk von Menschen. Als ich diese Überzeugung eines Tages in einem muslimischen Internetforum zur Diskussion stellte, war plötzlich der Teufel los. Ich blieb bei meiner Meinung und es schlug mir unvermittelt der blanke Hass entgegen, ich wurde beschimpft und bedroht. Den Koran eigenständig auszulegen wäre sehr, sehr, sehr gefährlich. Zitat einer Forenschreiberin.
Ich bekam allerdings auch viele PN, in denen meine Meinung geteilt würde - aber man dies niemals öffentlich zugeben dürfte, weil es verboten wäre. Aber sie bewunderten mich zutiefst, dass ich das gewagt hätte.
Schlagartig stellte sich die Ernüchterung ein: Der Islam war fast nur auf den schönen makellosen Schein ausgerichtet. Und so musste ich schlussendlich erkennen, was Islam wirklich bedeutet. Islam steht nicht - was ich bisher geglaubt hatte - für Hingabe, nein: Auf individueller wie kollektiver Ebene bedeutet Islam völlige Unterwerfung und Selbstverleugnung.
Was mich am heftigsten verstörte, waren die Ansichten bzw. die Lebensweise meiner Freundin, die auf den ersten Eindruck wie eine ganz normale Deustchtürkin wirkte, sehr normal, klug, eine ambtionierte junge Frau mit eher liberalen religiösen Ansichten. Man würde sie als perfekt integriert bezeichnen.
Nach der Mekka-Walifahrt ihres Vaters gelangte sie zu der Überzeugung, sie praktiziere den Islam nicht gut genug. Sie verwandelte sich in eine Art Vorezeige-Muslima, die mich kritisierte, weil ich nicht fünfmal am Tag beten wollte. Sie sprach nur noch über Religion und ihre FURCHT vor Allah und der Hölle. "Pluspunkte" für das Jenseits zu sammeln, das war das Wichtigste.
Sie belehrte mich eindringlich, ich hätte schon wieder mit dem falschen Fuß die Moschee betreten (man soll rechts den Schuh ausziehen und mit dem rechten Fuß den Raum betreten :FOU: )
Spontan beschloss ich, das Kopftuch abzulegen und habe es als Befreiung erlebt. Ehrlich gesagt, ich genoss es wieder in vollen Zügen, endlich in kurzen Hosen und T-Shirt zu radeln und über Felder zu reiten und den Wind auf meiner Haut zu spüren.
Wieso sollte ich deswegen eine ... sein?
irisminelli