Das Islam-Bild in Magazin- und Talksendungen
von ARD und ZDF
In der Studie Das Gewalt- und Konfliktbild des Islams bei ARD und ZDF
untersuchen Prof. Dr. Kai Hafez und Carola Richter die Thematisierungsanlässe des Islams in
den Magazin- und Talk-Sendungen dieser beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Die
Bedeutung der Reflexion und Diskussion des Islambildes der Medien liegt dem
Einleitungstext der Studie zufolge darin, dass die von den Massenmedien bereits geschürte
Angst der deutschen Bevölkerung vor dem Islam den Gesellschaftsfrieden gefährden
könnte.
Vor dem Hintergrund, dass die ausgewählten Programmformate (Magazinsendungen,
Talk-Shows, Reportagen und Dokumentationen) für die Vertiefung von Kenntnissen im
Bereich gesellschaftlich relevanter Fragestellungen konzipiert werden und ARD und ZDF
zudem, ihrem Programmauftrag folgend, der politischen Bildung dienen sollten, wurden 133
Sendungen und Einzelbeiträge im Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2006 dahingehend
untersucht, in welchem Zusammenhang sie den Islam thematisierten (vgl. Richter, Hafez,
2007: 2).
2.1.
Die Themenagenda
Durch die Untersuchung von Hafez und Richter ließen sich neun verschiedene
Themenkategorien in der Islam-Agenda von ARD und ZDF festmachen: 1) Terrorismus/
Extremismus, 2) Internationale Konflikte, 3) Religiöse Intoleranz, 4) Fundamentalismus/
Islamisierung, 5) Frauen/Unterdrückung/Emanzipation, 6) Integrationsprobleme,
7) Menschenrechte/Demokratie, 8) Alltag/Soziales und 9) Kultur/Religion. Es lässt sich
bereits erkennen, dass die meisten dieser Themenkategorien negativ konnotiert sind. Folgende
Ergebnisse brachte die Studie hervor: Am häufigsten brachten Deutschlands größten
öffentlich-rechtlichen Fernsehsender den Islam in ihren Magazin- und Talksendungen mit
Terrorismus/Extremismus in Verbindung (23%), gefolgt von internationalen Konflikten
(17%), die sowohl gewaltfreier als auch gewalttätiger Art waren, wie zum Beispiel der
Libanonkrieg oder der Karikaturenstreit. Viel beschäftigten sich die untersuchten Sendungen
auch mit Integrationsproblemen (16%) der in Deutschland lebenden Muslimen, man denke an
den deutschen Widerstand gegen Moscheenbauten oder an Asylprobleme. Religiöse
Intoleranz (10%) wurde unter anderem anhand verfolgter Christen im Nahen Osten
thematisiert. Neben dem Fundamentalismus und der Islamisierung (7%) waren die
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Unterdrückung und die Emanzipation von Frauen (4%) sowie die Sparte der Menschenrechte
und der Demokratie (4%) ebenfalls Teil der Themen mit einer negativen Ereignisvalenz.
Neutrale oder positive Berichterstattung fand ausschließlich sowohl in dem Bereich Alltag
und Soziales (8%) als auch in dem Bereich Kultur und Religion (11%) statt. In der Summe
ergibt sich daraus, dass von den 2005 und 2006 untersuchten 133 Sendungen 81% negativ
konnotiert waren und sich insgesamt nur 19% Berichterstattung über neutrale bzw. positive
Ereignisse ausfindig machen ließ (vgl. Hafez, Richter, 2007: 3-5).
Da die ARD in ihrem Programm über mehr relevante Sendungen verfügt, findet dort
prinzipiell eine größere Thematisierung des Islams statt als im ZDF. Der jeweilige Anteil der
Negativagenda ist jedoch trotzdem nahezu identisch.
So fassen Hafez und Richter zusammen: Das Islambild dieser Formate bei ARD und
ZDF ist ein zugespitztes Gewalt- und Konfliktbild, das den Eindruck vermittelt, dass der
Islam weniger eine Religion als viel mehr eine politische Ideologie und einen
gesellschaftlichen Wertekodex darstellt, der mit den Moralvorstellungen des Westens
kollidiert. (Hafez, Richter, 2007: 5).
2.2.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Angaben in Prozent, Daten von 01.07.2005-31.12.2006
Gesamtzahl der relevanten Sendungen bzw. Beiträge: n=133
(Quelle: Hafez, Richter, 2007: 3)
Aus ihren Ergebnissen ziehen Hafez und Richter diverse Schlussfolgerungen.
Zunächst lässt sich festhalten, dass das Islam-Bild bei ARD und ZDF wegen der Darstellung
überwiegend negativer Ereignisse noch keinen Vorbild-Charakter vorweisen kann. Zur
Verbesserung dieser Tatsache muss dem Islam jedoch nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet
werden, sondern eine andere Art der Zuwendung wäre wünschenswert. Verglichen mit
anderen Religionen, wird der Islam sogar so sehr beachtet, dass an einem bestimmten Punkt
vor einer übertriebenen Islamisierung der Medienagenda gewarnt werden muss
(Hafez, Richter, 2007: 6). Bemängelt wird zudem, dass keine entsprechende Einordnung in die
regionalen und kulturellen Hintergründe von Ereignissen vorgenommen wird. Als Beispiel
wird angebracht, dass die Ursachen für Gewalt gegenüber Frauen nicht ausschließlich in den
Werten und den Institutionen des Islams zu finden sind, sondern oftmals in komplexeren
Gesellschaftspraxen begründet sind (Hafez, Richter, 2007: 6).
Nicht die Präsentation von Konflikten an sich ist problematisch, denn es stimmt, dass
ein großer Teile der weltweit lebenden Muslime zurzeit sowohl politische als auch
gesellschaftliche Probleme zu bewältigen haben, mit denen oftmals Gewalttätigkeit
einhergeht, sondern die starke Konzentration auf diese Phänomene zeugt von einer extrem
einseitigen, zu bemängelnden Betrachtung.
DADURCH, dass DAS NORMALE, ALLTÄGLICHE lltägliche des ISLAMS dem ZUSCHAUER ORENTHALTEN WIRD, entsteht der undifferenzierte und sehr vereinfachte
Eindruck, der Islam und der Westen befänden sich in einem Kampf der Kulturen. Für diese
populäre Ansicht über das Verhältnis zwischen dem Islam und dem Westen finden sich in der
Wissenschaft jedoch kaum Belege. Ein neuer Pluralismus, der bei der Themenauswahl das
gesamte Spektrum des Islams berücksichtigt und dadurch dazu in der Lage ist, einen breiten
Überblick über diese Religion zu geben, wäre für die zukünftige Berichterstattung
wünschenswert (vgl. Hafez, Richter, 2007: 7).
Bleibt man jedoch im Bereich der gewaltorientierten Berichterstattung, so finden sich
auch innerhalb dieser Ungleichgewichte wieder. So wird beispielsweise die Gewalt autoritärer
Staaten, gegen die sich der Terror von Islamisten Ergebnissen der vergleichenden
Konfliktforschung zufolge oftmals richtet und durch die er quasi hervorgerufen wird, zu
wenig beachtet (Hafez, Richter, 2007: 7). Dies wird vor allem daran deutlich, dass die
Themenkategorie Menschenrechte/Demokratie nur 4% des untersuchten Programms
ausmacht, obwohl in ihr vermutlich einige Beweggründe des Terrorismus, der immerhin 23%
ausmacht, zu finden wären.
Des Weiteren wird der Islam in den deutschen Medien auf die Einflussmöglichkeiten,
die er gegenüber dem Westen hat, reduziert. Es existiert ein Eurozentrismus, der dem
Rezipienten vorenthält, welche intrakulturellen und innergesellschaftlichen Debatten und
Probleme die Welt des Islams ausmachen und beeinflussen. An die Stelle der Vermittlung von
globalem Orientierungswissen tritt stattdessen die Erläuterung der Gefahren, die für die
westliche Gesellschaft vom Islam ausgehen (vgl. Hafez, Richter, 2007: 8)
.
Insgesamt betrachtet werden ARD und ZDF ihrem Programmauftrag bei der Islam-
Berichterstattung nicht gerecht, da das
präsentierte Islam-Bild in vielerlei Hinsicht
unausgewogen und einseitig ist, wodurch laut Hafez und Richter die in der Bevölkerung
bereits vorhandene, demoskopisch messbare Angst vor dem Islam weiter geschürt wird und
das Miteinander der Kulturen behindert wird. Aufgrund der Meinungsführerschaft von ARD
und ZDF ist eine Revision des Islam-Bildes besonders bedeutungsvoll, da zu erwarten ist,
dass von ihr vermutlich erhebliche gesellschaftliche Impulse ausgehen würden (Hafez,
Richter, 2007: 8). Hilfreich wäre hierbei die Teilnahme von Muslimen an der
Programmgestaltung und -beaufsichtigung, so dass die aktuelle Diskussion über eine
Vertretung muslimischer Organisationen in den Verwaltungs- und Rundfunkräten zu
begrüßen ist (vgl. Hafez, Richter, 2007: 9).
3.
Das Islam-Bild im Spiegel 2006
In den 60 Jahren seiner Existenz hatte der Spiegel stets sowohl Gegner als auch
Befürworter, enthüllte den ein oder anderen Skandal und wurde des Öfteren kontrovers
diskutiert. Erfolg hatte er jedoch nahezu immer und so ist er heute eines der bedeutendsten
und einflussreichsten Printmedien Deutschlands. Wie nutzt der Spiegel seine Stellung in den
Massenmedien nun bezüglich des Islams? Will er ein bestimmtes Bild vermitteln, möchte er
unterhalten oder liegt ihm an der genauen Wiedergabe von gesellschaftlichen Tatsachen?
Zur (teilweisen) Beantwortung dieser Fragen wurde die Islam-Berichterstattung in 35
Ausgaben des Spiegel-Jahrgangs 2006 auf ihre Ereignisselektivität hin untersucht. 71 Artikel
wurden in die neun, von der ARD-ZDF-Studie bereits bekannten, Themenkategorien
eingeordnet (siehe hierzu Tabelle 1).
An dieser Stelle sei erwähnt, dass einige Artikel sicherlich in mehrere Kategorien
gepasst hätten. So zum Beispiel der Artikel Der Krieg der Bilder, der von den Folter-Fotos
aus Abu Ghraib berichtet. Zum einen thematisiert er Menschenrechtsverletzungen, zum
anderen hat er den internationalen Konflikt zwischen Teilen der irakischen Bevölkerung und
der amerikanischen Besatzungsmacht verschlimmert. In dieser und vergleichbaren Situationen
fand die Einordnung in die wichtigere Kategorie, die den größeren Bezug zum Islam hatte,
statt. In diesem Fall die des internationalen Konflikts, da die Menschenrechts-Verletzungen
nicht durch Mitglieder des Islams, sondern durch amerikanische Soldaten begangen wurden.
Ähnlich wurde mit Artikeln vorgegangen, die zweierlei Aussagen beinhalteten, beispielsweise
Mohammeds stille Armee, ein Bericht über Hilfe für pakistanische Erdbebenopfer durch
fundamentalistische Muslime. Die Hilfe wird gelobt, doch letztendlich wird der Schluss
gezogen, dass sie rein berechnend sei, um so weitere Anhänger des Fundamentalismus zu
gewinnen. Demnach erfolgte eine Einordnung in Fundamentalismus/Islamisierung. In der
Kategorie zu Integrationsproblemen, lassen sich zwei Artikel finden, die an sich über positiv
zu bewertende Integrationsversuche berichten, jedoch die Schwierigkeit und Problematik
selbiger ebenso erwähnen. Auffällig ist zudem, dass bei der Spiegel-Analyse keinerlei
Einordnung in die Kategorie Alltag/Soziales stattfand, was an der subjektiven Interpretation
dessen, was alltäglich bzw. sozial ist, liegen könnte. Ereignisse, die für diese Kategorie in
Betracht kamen, schienen stets besser in eine der anderen Kategorien zu passen.
3.1.
Themenagenda
Terrorismus und Extremismus sowie internationale Konflikte (je 24%) nehmen
gemeinsam nahezu die Hälfte der Islam-Berichterstattung im Spiegel für sich in Anspruch
Das Islam-Bild im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und im Spiegel:
http://www2.kommunikationswissenschaft-erfurt.de/u-ploads/juliane\_binder\_spiegel.pdf