Vortrag: Islam, Frauen und Emanzipation
Malika Laabdallaoui, 4. Oktober 2006, Hotel Leidinger, Saarbrücken
Die Veranstaltung wurde von Ramesch e.V. und der Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam organisiert. Referentin war die Diplompsychologin Malika Laabdallaoui. Sie hielt ihren Vortrag im Hotel Leidinger in Saarbrücken vor ca. 60 Gästen.
Die Vorsitzende von Ramesch e.V., Frau Ikbal Berber, begrüßte die zahlreich erschienenen Besucher und sprach ihr Bedauern darüber aus, dass aufgrund des Ramadan kaum Muslime erschienen waren. Danach übergab sie das Wort an die Referentin.
Frau Malika Laabdallaoui kam im Alter von 12 Jahren aus Marokko nach Deutschland. Sie machte hier ihr Abitur, studierte Psychologie und ist heute Leiterin des Instituts moSaik für Paartherapie und Familienhilfe.
Frau Laabdallaoui begann ihren Vortrag mit der Aussage, dass es die islamische Frau nicht gibt, da jede Frau individuell ist und außerdem nicht denselben kulturellen Hintergrund hat.
Sie betonte, dass sie nicht ein komplettes Bild der islamischen Frauen aufzeigen kann, sondern dass es ihr Anliegen ist, auch die im Westen weniger bekannten Aspekte des Lebens einer islamischen Frau aufzuzeigen.
Den Titel des Vortrags Muslimische Frauen und Emanzipation hat sie bewusst so provokant formuliert. Im Westen überrascht er die Menschen, da die Begriffe Islam und Emanzipation als widersprüchlich empfunden werden. An diesem Punkt ging Frau Laabdallaoui auf das westliche Bild der islamischen Frau ein. Meist werden Schlagwörter wie unterdrückt, rechtlos, ungebildet und passiv mit Musliminnen assoziiert. Andererseits beherrscht auch die Vorstellung von exotischen Verführerinnen das Bild der islamischen Frau.
Wie sieht denn nun die Realität aus, fragte Frau Laabdallaoui. Zum einen spiegeln diese Vorstellungen einen Teil der Wirklichkeit islamischer Frauen wider. Zum anderen sind es einfach Vorurteile. Hier betonte die Referentin, dass sie keineswegs dem Westen einen Vorwurf macht, denn alle Menschen benötigen gedankliche Konstrukte, anhand derer sie sich die Umwelt leichter erklären können.
Allerdings muss man überlegen, welche Faktoren zu der kritischen Lage vieler Frauen in islamischen Ländern führen. Oft vergessen die Menschen, dass es sich hierbei um Entwicklungsländer handelt, in denen die Menschen allgemein kaum Rechte haben und kaum gebildet sind. Und wie gewöhnlich sind es dann auch Frauen, die am Meisten unter dem Bildungsmangel zu leiden haben. Hinzu kommt die schwierige wirtschaftliche Lage, die die Lebenssituation der Menschen weiter verschlechtert. Es gilt allerdings zu beachten, dass es andersgläubigen Frauen in den gleichen Ländern nicht besser geht als den Musliminnen.
Ein weiterer bedeutender Faktor für die zum Teil kritische Lage der Frauen, ist die Auslegung der islamischen Quellen (Koran und Sunna) nach patriarchalischer Sichtweise. Lange Zeit wurde ausschließlich eine chauvinistische Auslegung zuungunsten der islamischen Frauen betrieben und heute bereitet es vielen muslimischen Männern Schwierigkeiten bestimmte Verse frauenfreundlicher zu lesen.
Das Problem, so Frau Laabdallaoui, liegt also nicht am Islam, sondern an vielen anderen Aspekten.
Um dies zu verdeutlichen erläuterte die Referentin das Frauenbild, das aus dem Koran und aus der Sunna hervorgeht. Hiernach soll eine Frau, wie jeder andere Moslem auch, nach Bildung streben, eigenverantwortlich und selbstbestimmt sein. So ist bei der Eheschließung die Zustimmung der Frau von größter Bedeutung. Auch wirtschaftlich soll sie unabhängig sein, denn über ihr Erbe oder ihr eigen verdientes Geld darf nur sie selbst verfügen. Hinzu kommen Eigenschaften wie Rechtschaffenheit, Gleichheit mit dem Mann, sowie die berufliche Tätigkeit.
Dies ist das Frauenideal, das eigentlich aus dem Islam hervorgeht. Aber wie sieht nun die Realität der Frauen aus?
Einerseits belegt eine Vielzahl von soziologischen Untersuchungen die sehr schlechte Situation vieler Musliminnen. Andererseits gibt es in der islamischen Geschichte viele Beispiele für starke, politisch aktive Frauen, die in der Gesellschaft hoch angesehen waren.
An dieser Stelle hat Frau Laabdallaoui mehrere Frauen genannt, die in literarischen Texten als große Persönlichkeiten benannt werden.
So zum Beispiel die Frau des Pharao, Asiya, die eine der wenigen Personen ist, die im Koran überhaupt namentlich genannt werden. Hierbei handelte es sich um eine Frau, die gegen Ungerechtigkeit kämpfte.
Weiterhin waren zur Blütezeit der islamischen theologischen Zentren viele Frauen in den Bildungszentren zu finden. Sie studierten problemlos mit den Männern zusammen und viele lehrten auch selbst. So war Zaineb eine berühmte Autorität bei der Auslegung des Korans, sowie die Stellvertreterin des Imams. Zur gleichen Zeit waren viele Frauen als Richterinnen (Abu Hanifa) und auch als Predigerinnen aktiv und in der Gesellschaft hoch angesehen und respektiert.
Auch in der Politik gab es sehr einflussreiche Frauen, wie die Frau des Propheten, Umm Solama, die nicht davor zurückschreckte, offen Kritik auszuüben. Im Bezug auf die Weltpolitik sind allerdings nur wenige islamische Frauen (und Frauen allgemein) auffindbar. Allerdings gab es einige Regentinnen, wie Königin Asma aus Jemen (1080), oder die indische Königin Radiya (1236). In neuester Zeit sind die Regierungschefin Benazir Bhutto in Pakistan (1988-1990, 1993-1996) sowie die Premierministerin Tansu Ciller in der Türkei (1993-1996) als Beispiel für Musliminnen in der Politik zu benennen.
Aber wie sieht heute, von den beiden abgesehen, die Situation der Frauen aus?
Frau Laabdallaoui informierte die Zuhörer, dass es heutzutage kein islamisches Land gibt in dem Frauen sich nicht aktiv für Frauenrechte einsetzen. Die muslimischen Feministinnen können in drei Gruppen aufgeteilt werden (laut Azza Karam) : Die säkularen Feministinnen, die in der Religion keine Grundlage für ihre Argumentation sehen, die islamistischen Feministinnen, die religiöse Inhalte politisieren und die Frau in der Rolle der Mutter und der Ehefrau sehen, sowie die muslimischen Feministinnen, die gegen soziale Ungerechtigkeiten kämpfen und die Religion als ihre Grundlage ansehen.
Im Unterschied zu den westlichen Feministinnen sehen die meisten muslimischen Feministinnen keinen Widerspruch zwischen der Religion (dem Einhalten der Gebote) und der Emanzipation der Frauen. Ansonsten ist das Engagement aber sehr wohl vergleichbar.
An dieser Stelle nannte die Referentin einige engagierte Frauenrechtlerinnen, wie Riffat Hassan, die in Pakistan patriarchale Strukturen abschaffen möchte. Halima Krause, eine zum Islam konvertierte Deutsche, die bei ihrer Frauenarbeit auf Wissen und Bildung setzt, damit Frauen zu ihren Rechten kommen und Lily Zakiyah Munir , die aus Indonesien kommt und anhand von 30 Passagen aus dem Koran die Gleichheit der Geschlechter belegt.
Den Vortrag abschließend, betonte Frau Laabdallaoui, dass sie keineswegs ein einheitliches Bild der islamischen Frauen gezeichnet hat. Denn ihr war es wichtig die für Europäer weniger bekannten Seiten des Islam und der Frauen aufzuzeigen. Nicht der Islam unterdrückt die Frauen, sondern andere Faktoren sind dafür verantwortlich zu machen. So zum Beispiel kulturelle Traditionen, ungünstige Auslegung der islamischen Quellen, Unwissen oder wirtschaftlich schlechte Bedingungen. Dies war die Botschaft, die Malika Laabdallaoui den Besuchern des Vortrages an diesem Abend mitteilen wollte.
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