Hallo zusammen,
ihr kennt ja sicherlich das Magazin Extra mit Birgitt Schrowange. Hier der Text:
Jetzt sag mir einer nicht, dass sind keine richtigen Moslems.
Der achtjährige Mahdi ist ein Superstar im Iran. Er ist ein Prediger, spricht vor mehreren hundert radikalen Anhängern der islamischen Republik. Mahdi ist geschickt worden, um mit seiner Predigt ihren religiösen Eifer noch mehr anzuheizen.
Und Mahdi erfüllt seine Mission besser denn je. Fast zwei Stunden heizt er die Stimmung an. Viele Gläubige sehen in ihm inzwischen sogar den neuen Erlöser.
Der kleine Koranprediger, bei dessen Worten erwachsene Männer in Tränen ausbrechen, wohnt in Hamedan der Stadt der Heiligen vier Autostunden von Teheran entfernt. In den Häusern der strenggläubigen Familien wird man nach den Regeln der islamischen Republik empfangen. Als Erwachsene geben Frauen und Männer einander nicht die Hand. Doch auch Mahdi, erst acht Jahre alt, verweigert unserer Reporterin den Handschlag.
Mahdis religiöser Eifer zahlt sich aus. Er wurde schon von Generälen und Ministern des Regimes empfangen. Als Erinnerung bekommt er Bilder von Märtyrern und Soldaten, die im Krieg gestorben sind. Sie sind Mahdis Idole, ihre Bilder sammelt er. So wie Gleichaltrige in Deutschland Fußballspieler in ihr Album kleben.
Vor Kurzem machten Mahdi die Islamischen Milizen zu ihrem jüngsten Mitglied. Von vielen Iranern werden diese Milizen als Aufpasser und Spitzel gefürchtet. Mahdis hingegen zeigt uns stolz seine Mitgliedkarte - und die geschenkten Spiel-Maschinengewehre. Doch Madhi wünscht sich von den sogenannten Revolutionwächtern etwas anderes als nur Spielzeug. "Ich habe denen gesagt: Bitte betet für mich, dass auch ich für Allah den Märtyrertod sterbe", sagt er.
In den Koranzentren der Stadt Hamedan werden Kinder wie Mahdi fanatisiert. Fünfmal pro Woche bringt ihn seine Mutter dorthin. Dort lernt er Koransuren auswendig. Für mahdi eine besonders schwierige Aufgabe. Der Koran ist auf arabisch geschrieben. Die Landessprache im Iran aber ist persisch. Mahdi versteht nicht, was er so lernt. Er muss sich die Suren einfach nur einprägen. Andere Fächer gibt es in einer Koranschule nicht.
In einer Stadt wie Hamedan haben es fromme Fanatiker leicht. Sie sind angesehene Leute, noch mehr, wenn sie wie Mahdis Vater für die Islamische Republik in den Krieg gezogen sind. Für seinen Einsatz gegen den Irak in den 80er Jahren bekommt der Schuhverkäufer zusätzlich eine kleine Rente. "Natürlich werde ich meinen Sohn in den Kampf schicken. Er soll unser Land
verteidigen", sagt er. Und während der Vater unten Schuhe verkauft, bereitet die Mutter oben alles für Mahdis Mission als Gotteskrieger vor. Sie hat ihm einen Mantel genäht, wie ihn angeblich der Prophet getragen hat. Und Mahdi erklärt: "Meine Aufgabe ist es, gegen den Teufel zu kämpfen. Ich versuche, mit Worten und Predigten den Satan so weit wie möglich von mir und anderen abzuhalten."
Kleine Satansbekämpfer wie Mahdi sind derzeit sehr gefragt im Iran. Einmal im Jahr gibt es in der Stadt Qom den Wettbewerb der Kinder-Koranprediger. Wer den Koran hier fast auswendig zitieren kann, wird zum Vorbild für Millionen anderer Kinder. Mahdi hat hier schon einmal gewonnen und mit ihm die kleine Hananeh. Sechs Jahre alt und wie Mahdi ein echter Kinderstar in Sachen religiöser Hingabe.
Auch Hananeh wurde fast täglich auf einer Koranschule gedrillt. Seit sie den Wettbewerb gewonnen hat, steht sie auf der anderen Seite. Jetzt bringt sie die Kinder auf Kurs. Ihre Mutter hat ihr die Predigt beigebracht, die Hananeh vorträgt: " In Griechenland glaubte man, Frauen seien die Kinder des Teufels. In Indien wurden sie als die Hüterinnen der Hölle bezeichnet. Und genauso war es in Frankreich. Da wurden Frauen als Schlangen angesehen und da glaubte man, sie seien vom Teufel geschickt worden. Und in Australien wurden Frauen sogar mit Tieren gleichgesetzt. Man brachte sie um und aß sie auf. Erst der Islam hat die Frauen befreit."
Damit Mahdi für den heiligen Kampf gewappnet ist, bringt ihn seine Mutter ein- bis zweimal pro Woche in einen staatlichen Verein. Der beste Trainer der Provinz ist abgestellt, um dem achtjährigen die Grundregeln des Nahkampfes beizubringen. Der Junge glaubt, es werde bald eine Invasion der Amerikaner geben. Da will er unbedingt mit dabei sein, an vorderster Front. Stundenlang Suren auswendig lernen, predigen und auch noch dazu ein guter Kämpfer werden - der Terminkalender von Madhi ist mehr als voll. "Ich bin ein Soldat Gottes. Es ist für mich eine Ehre, meinem Volk zu dienen. Und falls es eines Tage einen Krieg gibt, werde ich mitmachen können, mein Alter ist kein Hindernis. Ich kann ja Munitionskisten schleppen oder so.
Egal, was", sagt er stolz.
Die Spitze des Regimes ist inzwischen auf den jungen Fanatiker aufmerksam geworden. Mahdi wurde eingeladen, eine Predigt vor dem Präsidenten Ahmadinedschad zu halten. Vor dem Mann, der wegen seiner radikalen Reden im Westen kritisiert wird. Für Mahdi ist er ein Held.
Mahdi und Hananeh. Zwei, die ausgesucht und gedrillt wurden, Vorbilder im Namen der Religion zu sein. Zwei, die überhaupt noch nicht in der Lage sind, zu unterscheiden zwischen Wahrheit und Märchen, zwischen Glaube und Hetze.
Zwei Kinder.