judy_12756192Danke für diese sensible Reaktion
Hallo Lolelina,
erst mal herzlichen Dank für Deine besonders sensible Antwort auf mein Problem, auch dafür, dass Du es mir noch zusätzlich als Nachricht geschickt hast.
Es ist schon so, dass ich nicht täglich ins Forum schaue und es deshalb auch ein bisschen dauern kann, bis ich einen neuen Eintrag finde.
Ich habe nach dem Lesen Deines Postings schon den Eindruck, dass das Problem, das Du mit Deinem Mann hast, ziemlich exakt dasselbe ist wie das, das ich mit meiner Frau habe.
Sicherlich liegt ihre Lustlosigkeit auch wie bei Dir heute an einer ständigen Überforderung von allen möglichen Seiten her, beruflich und privat. Sie klagt ständig, dass sie sich nahe am Burnout fühlt, lehnt aber z.B. jeden Vorschlag ab, z.B. beruflich auch nur geringste Abstriche von ihrem absoluten Perfektionismus zu machen. Sie muss mit ihrer Arbeit zufrieden sein, sagt sie, und betreibt teilweise dafür einen aberwitzigen Aufwand. Dazu kommt, dass wir ein großes Haus mit einem großen Garten haben, was natürlich auch viel Arbeit macht. Auch z.B. die Gartenarbeit betreibt sie so wie ihren Beruf - tausendprozentig.
Ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir nicht leben, um zu arbeiten, sondern arbeiten, um zu leben. Entsprechend habe ich im Garten schon vieles automatisiert, etwa die Bewässerung im Sommer. Statt dass sich meine Frau über solche Arbetserleichterungen freut und sich in der eingesparten Zeit, in der wir früher mit Schläuchen und Gießkannen durch den Garten gerannt sind, mal mit mir auf ein Glas Wein in den Garten setzt, wirft sie mir vor, ich sei einfach in allem zu träge und würde Arbeit nur als Last empfinden. Was z.B. Gartenarbeit betrifft, stimmt das. Ich mache das nicht gerne. Aber habe ich mit bald 56 Jahren nicht das Recht dazu, auch Arbeiten als lästig zu empfinden und zu versuchen, sie loszuwerden?
Wenn ich vorschlage, uns für bestimmte Arbeiten, z.B. den Garten, mehr Hilfe von außen zu holen, was wir uns durchaus leisten könnten, wirft sie mir wieder Trägheit vor. Jeder, mit dem sie über ihre ständige Überlastung spricht, rät ihr, diese zu reduzieren. Niemandem nimmt sie diesen Rat übel, obwohl sie ihn nicht befolgt, aber wenn ich etwas konkretes tue, um Stress abzubauen, nimmt sie das nicht als Hilfe wahr, sondern als Ausdruck meiner Trägheit. Sie hat einfach ein vernichtendes inneres Bild von mir, und in das sortiert sie alles ein, was von mir kommt. Deshalb wird kaum etwas positiv wahrgenommen.
Vielleicht noch etwas mehr zu mir, damit Du Dir meine Persönlichkeit etwas besser vorstellen kannst.
Kennst Du das Lied von Reinhard Mey: "Ich wollte wie Orpheus singen / dem es einst gelang / Felsen selbst zum Weinen zu bringen / mit seinem Gesang."?
Ich bin nicht der ständige Macher, der nur glücklich ist, wenn er etwas zum Bauen oder zu reparieren hat. Ich bin keiner von denen, deren Paradies der Baumarkt ist. Aber ich kann eine Gitarre richtig herum halten, und ich kann gefühlvoll singen, offenbar so gefühlvoll, dass viele Menschen, die das hören, so sehr davon berührt sind, dass sie mitunter sogar weinen müssen. Ich bin kein "harter Mann", sondern eher ein gefühlvoller, der auch - was bei Männern ja scheinbar eher selten ist - gern über seine Gefühle und die anderer spricht. Ich bin sehr empfänglich für Lyrik, für Musik, für Gesang, insbesondere für Lieder wie das oben zitierte, in dem eine schöne Musik mit einem tiefgehenden Text einhergeht.
Meine Frau wünscht sich nie, dass ich z.B. mal abends im Wohnzimmer die Gitarre nehme und so etwas für sie singe. Vermutlich aus einer Überlegung wie dieser: "Wenn er nicht meine Prioritäten teilt, wenn er nicht in dem Tempo arbeiten und leben will, wie ich, wenn er nicht so tickt wie ich, dann braucht er auch nicht für mich zu singen."
Dabei spürt sie täglich, wie zerstörerisch für sie selbst dieser Perfektionismus und dieses ständige Herumrennen am äußersten Limit ist. Und dennoch ist sie nicht bereit, auch nur das Geringste daran zu ändern und zu akzeptieren, dass der Mann an ihrer Seite diese Perfektion und dieses Tempo nicht mithalten kann - und offen gestanden auch nicht will.
Sicherlich geht es meiner Frau wie Dir: Sie würde Sex nur gut finden, wenn sie sich innerlich geliebt fühlen würde. Aber muss man sich denn auf einen selbstzerstörerischen Lebenswandel der Partnerin zu 100% einlassen und diesen mitgehen, damit sie sich innerlich geliebt fühlt?
Wir haben vor wenigen Tagen ein großes Fest für sie gefeiert, in das ich mich mit aller Kraft und Kreativität reingehängt habe, zu der ich fähig bin. Nicht nur einmal bin ich erst gegen 1:30 ins Bett gekommen und musste um 6:30 wieder raus. Ich habe an dem Festabend etwas Besonderes und sehr aufwändiges für sie und über sie präsentiert, habe mir bei 2-3 Liedern die Seele aus dem Leib gesungen. Natürlich hat sie mir hinterher gesagt, dass es ein schönes Fest war.
In den Arm genommen hat sie mich dabei nicht.
Heute, am ersten Arbeitstag nach dem Fest, war ich noch immer ziemlich erschlagen von den ganzen Vor- und Nachbereitungen und habe mich, als ich von der Arbeit heekommen bin, etwas hingelegt und geschlafen. Als sie etwa eine Stunde später heimkam, muss ihr das wohl wieder ziemlich gestunken haben. Es passte ja auch wunderbar in das Bild vom viel zu trägen Mann.
Und dann hat sie mir eine Szene gemacht, weil ich diesen dämlichen ZENSUS-Fragebogen, den Ihr sicher auch bekommen habt, noch nicht ausgefüllt hatte. So etwas überlagert in ihrem Bewusstsein die Erinnerung an eine wunderschöne Feier und das Wissen, dass so eine Feier auch mit verdammt viel Arbeit verbunden ist.
Da ist doch die Wahrnehmung irgendwo völlig verschoben ...
Das alles sieht nun so aus, als ob sich die Abneigung meiner Frau gegen mich und gegen Sexualität mit mir in den Jahrzehnten unserer Ehe hochgeschaukelt hätte.
Sicher, es wird immer schlimmer.
Ich denke, sie sieht nur noch das in mir, was sie sehen will. Und das ist nichts Positives. Und das, was an mir positiv ist, ist dann eben nicht relevant fürs Leben.
Aber im Grunde besteht ihre sexuelle Abneigung mehr oder weniger von Anfang unserer Beziehung an. Nur denkt man halt am Anfang, dass das alles seine Zeit braucht, dass das alles besser wird, wenn man nur geduldig genug ist als Mann.
Stell Dir vor: Meine Frau hat mir in über 30 Beziehungsjahren nicht ein einziges Mal gesagt, dass sie mich begehrt. Nicht ein einziges Mal! Sexualität fand ausnahmslos immer nur dann statt, wenn ich die Initiative ergriffen habe, und dann in der Regel lustlos. Und das war auch schon so, als wir noch kein Haus und keinen Garten hatten, als wir zu zweit in einer Zweizimmer-Studentenwohnung und später in einer Dreizimmer-Wohnung ohne Gartenverpflichtungen etc. gelebt haben. Auch schon bevor die zwei Kinder kamen, die inzwischen schon aus dem Haus sind. Es war nie anders. Nur ihre aggressiven Reaktionen auf mich und meine Art, die nehmen immer mehr zu. Was es für mich natürlich auch nicht gerade einfacher macht.
Jetzt habe ich aber ziemlich viel Deiner Zeit beansprucht mit diesem langen Bericht.
Danke für's "Zuhören" ;-)