Hallo an alle, die das hier lesen.
Mein Name ist Gamze, ich bin nun 19 Jahre alt und leide schon seit meinem 11. Lebensjahr an Depressionen.
Erst vor zwei Jahren habe ich eine professionelle Diagnose erhalten, doch selbst das reicht meiner Mutter nicht.
Egal, wie oft ich ihr erkläre, dass ich an einer Krankheit leide, sie schreit mich jedes Mal an, ich solle auhören, diese Masche mit ihr zu ziehen und auch mal an sie denken.
Als ich meinem Vater davon erzählte, warf er sein Handy gegen die Wand und sagte "wenn du nicht mit diesem Scheiß aufhörst, werde ich dir einen Grund für schwere Depressionen geben, ich werde dir dein Leben zur Hölle machen."
Mein kleiner Bruder macht ständig Suizidwitze und fragt, warum sich depressive Menschen nicht einfach umbringen, wenn ihnen ihr Leben sowieso nicht passt.
Ich hab mein Abitur vor einem Jahr gemacht und es war wahnisinnig schlecht (2,9), und noch heute hält mir meine Mutter mein schlechtes Zeugnis vor, weil ich in der Grundschule und in den ersten Jahren der weiterführenden Schule immer unter den Klassenbesten war.
In den letzten zwei Schuljahren habe ich nur geschwänzt, weil ich einfach nicht mehr konnte. Jeden Tag war mir schlecht, jede Nacht hab ich mich in den Schlaf geweint, weil ich solche Angst davor hatte, was als Nächstes kommen würde. Ich habe Klausuren nicht mitgeschrieben, habe die Unterschrift meiner Mutter gefälscht, und wenn ich geschwänzt habe, habe ich mich immer in der Stadtbibliothek verkrochen und gelesen, damit ich zumindest nicht alles in der Schule verpasse. Ich hab mir immer Vorwürfe gemacht, ich empfand mich selber als Last für meine Familie, weil ich eigentlich alles hatte.
Mit elf Jahren hatte ich einen Nervenzusammenbruch, wobei ich auf den Auslöser nicht eingehen will, und war die ganzen Sommerferien lang psychotisch und suizidal, und konnte nicht sprechen.
Jede Woche hat mich meine Mutter geschlagen und mich angebrüllt, was denn mit mir los sei, und ich werde es bis heute nicht vergessen.
Ich konnte vorher nicht zum Psychologen gehen, weil meine Eltern der Ansicht waren, es wäre nicht nötig und es läge "nur" an der Pubertät, dass ich wirklich KEIN Interesse daran gezeigt habe, mit anderen irgendetwas zu machen, jegliches Verlangen verlor, morgens das Bett zu verlassen, fast jeden Tag eine Panikattacke hatte, dissoziierte und der Bezug zur Realität abhanden kam und ich nur noch daran dachte, wie ich mir so schnell und schmerzlos es geht das Leben nehmen könnte.
Mir war bewusst, dass dies nicht normal sein konnte.
Ich bin daher auch sehr unselbstständig, ich kann einfach keinen Mut zusammenkratzen, um irgendetwas zu tun.
Und jeden Tag muss ich mir denselben Mist anhören, von wegen, ich wäre einfach zu faul, ich müsse mich zusammenreißen.
Jeden Tag erzählt mir meine Mutter von anderen Mädchen, die genauso alt sind wie ich, und wie sie bereits studieren oder eine Ausbildung angefangen haben, was meine Depression noch mehr verschlimmert und mein Selbstwertgefühl derart in Mitleidenschaft zieht, dass ich manchmal das Gefühl habe, ich bin weniger wert als der Dreck, der unter ihren Schuhen klebt.
Jeden Tag fragt sie, ob ich bereits eine Rückmeldung von den Unis bekommen habe, obwohl ich mich noch nicht einmal beworben habe. Davon weiß sie natürlich nichts.
Jeden Tag wirft sie mir vor, ich hätte mir durch mein Schwänzen meine gesamte schulische Karriere versaut und es wäre kein Wunder, dass mich keine Uni mit so einem beschissenen Abschlusszeugnis annimmt.
Jeden Tag erinnert sie mich daran, dass ich es besser hätte als die meisten anderen Menschen und sie über Leichen gehen würden, um mein Leben zu haben.
Als sie herausfand, dass ich geschwänzt habe, hat sie mich an den Haaren in mein Zimmer gezerrt, mich geschlagen und mir ins Gesicht gespuckt. Die blauen Flecke auf meinen Armen sind erst nach Wochen verschwunden.
Ich kann ehrlich gesagt nicht mehr. Ich habe keine Lust mehr auf Pillen, ich will nichts mehr Essen, ich habe keine Nerven mehr, mir einen neuen Therapeuten zu suchen, ich habe keinen Bock mehr auf Kritik, ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden, aber das verstehen sie nicht.
Ich will nicht arbeiten, mir ist mittlerweile völlig egal ob ich später "nur" eine Hausfrau werde. Mein Freund, den ich jetzt schon seit über zwei Jahren kenne und mit dem ich seit einem halben Jahr zusammen bin, arbeitet zurzeit sehr viel, damit ich später nicht selber arbeiten muss.
Er spart im Moment, damit er mich im Dezember besuchen kann und mich dann ein paar Jahre später von hier wegholt.
Als er selber nicht mehr weiterkonnte, habe ich ihm damals geholfen, ihm Mut gemacht, bis spät in die Nacht mit ihm geschrieben und telefoniert, bis es ihm wieder besser ging, ich habe darauf geachtet, dass er isst, seine Tabletten nimmt, und ihm Geld geschickt, obwohl ich mit meinem FSJ nur 350 Euro im Monat verdient habe und davon 100 Euro für meine Busfahrkarte und Essen draufgegangen sind.
Ihm hat zuvor noch nie jemand geholfen und er sagt, er wäre mir unendlich dankbar für all die Dinge, die ich für ihn getan habe, und möchte mich nun auch glücklich machen.
Er nimmt mein Geld daher seit einer ganzen Weile nicht mehr an und konzentriert sich nur noch auf seine Arbeit und schenkt mir andauernd Sachen.
Ich wünschte, ich könnte genauso sein wie er und mir etwas Vernünftiges suchen, aber ich bin erschöpft, körperlich und seelisch, und meine Familie macht mich mit ihrer Ignoranz nur noch fertig, und sei es aus Versehen, diese Art der Mikroaggression stört mich trotzdem.
Ich habe es mir genau überlegt, und ich möchte später mit meinem Freund auswandern und zusammenziehen.
Stephan hat ein Herz aus Gold, er versteht mich und ich verstehe ihn, weil wir ähnliche Erfahrungen haben.
Er ist zwei Monate jünger und etwas kleiner als ich und zudem etwas mollig, daher muss sich niemand Gedanken machen, dass er mir später doch irgendetwas antut.
Meine Frage ist nun, wie kann ich diese letzten paar Jahre schnell überbrücken, bis mir mein Freund einen Antrag macht? Was kann ich tun, damit mir meine Familie nicht jeden Tag auf die Nerven geht und meine Stresslevel dadurch in die Höhe schießen?