Angst vor Neuanfang
Hallo itouchthesky19,
ich (weiblich, 36) habe deinen Artikel gelesen und muss mich der Meinung von Deckenschleuder anschließen.
In erster Linie ist es wichtig, dass du die Schule weitermachst und auch beendest. Dafür musst du ja nicht zwangsläufig an deiner jetzige Schule bleiben. Erstmal, denk ich, musst du von deinem Vater weg. Er hat selbst Probleme und missbraucht dich als Blitzableiter.
Über das von dir Geschriebene denke ich folgendes:
Du bist Gymnasiastin und hast nebenbei einen Job. Das ist Wahnsinn. Wenn du das tatsächlich unter einen Hut bekommst, bist du schon mal ein Stück näher an der Realität, als ein Schulkamerad, der, wie du schon schreibst, bei seinen Eltern wohnt und außer Schule keinerlei Sorgen hat.
Es ist enorm, dass du dir (mal dahingestellt, aus welcher Veranlassung heraus) auf eigene Faust einen Job gesucht hast, dir das zutraust und dein eigenes Geld verdienst. (Da hast du mir in diesem Alter einiges voraus.)
Wenn ich an deiner Stelle wäre und mit deinen Umständen zu leben hätte, würde ich
- mich zu allererst mit der Mutter in Verbindung setzen und über das Angebot, zu ihr zu ziehen, sprechen
- wenn das geklärt ist, würde ich mich um einen Schulwechsel in die Stadt der Mutter oder wohin ihr ggf. gemeinsam ziehen wollt, bemühen
Du bist noch jung, unabhängig, bist nicht jobmäßig oder familiär (eigene Familie bzw. Kinder) gebunden. Das solltes du nutzen.
Was "deinen Ruf" anbetrifft, dem könntest du entfliehen, sofern du sicherstellen könntest, dass nicht in der neuen Umgebung wieder dasselbe passiert (Alkohol, "Rummachen", usw.).
Was die ehemalige Sucht deiner Mutter anbetrifft, hängt diese vielleicht auch mit dem Verhalten deines Vaters zusammen, das ja nun keine Rolle für sie mehr spielt. Außerdem denke ich bei deiner Selbständigkeit, dass du deiner Mutter nicht zur Last fallen wirst. Du bist ja kein Kind mehr und ihr könnt euch den Haushalt teilen. Wenn du in der neuen Stadt auch einen Minijob annimmst, wirst du ihr ja nicht mal auf der Tasche liegen.
(Übrigens, wer bezieht bisher dein Kindergeld? dein Vater? Ummeldung nicht vergessen!)
Wenn du dann auch aus dem nervlich belastenden Umfeld deines Vaters raus bist, hast du gute Voraussetzungen, ein gutes neues Leben anzufangen.
Deine Freunde werden dir, sofern sie es ehrlich meinen, sicher erhalten bleiben. Es gibt Internet, Chats, Skypes und 400 km sind weit aber nicht aus der Welt. Du hast Glück, dass deine Mama nicht im Ausland wohnt und dir die Möglichkeit gibt, bei ihr zu wohnen. Das finde ich ganz toll.
Aber bitte mach deine Schule weiter und wenn du dich wenigstens um einen Realschulabschluss bemühst. Wenn du die Schule abbrichst, legst du den Grundstein für immer weitere Probleme im Leben, die dann nicht mehr so einfach zu kitten sind.
Du hast gerade jetzt gute Chancen, dein Leben zu ändern. Du bekommst Unterstützung.
Deinem Schreibstil würde ich auch entnehmen, dass du durchaus was im Kopf hast und deine Zukunft nicht so einfach wegwerfen solltest.
Wenn du doch lieber in deiner Stadt bleiben willst, erkundige dich doch mal nach einer Wohngemeinschaft oder bei sozialen Trägern (CARITAS, ANIMA, Arbeiterwohlfahrt o.a.) oder nach Jugendwohnmöglichkeiten. Soweit ich weiss, gibt es auch kirchliche Einrichtungen, die eine Art betreutes Wohnen für Jugendliche anbieten, bis diese auf eigenen Beinen stehen. (Und keine Angst, falls du nicht kirchlich bist.)
Habt ihr an der Schule einen Lehrer des Vertrauens? Schildere ihm doch deine Situation. Er hat vielleicht noch andere Ideen oder Kontakte. Wenn du ihm sagst, du willst unbedingt deinen Abschluss machen, schaffst es aber aufgrund der familiären Situation nicht, wird er dir helfen. Was wäre das für ein Pädagoge, dem nicht dein Schulabschluss am Herzen liegt?
Es geht hier um 2 Jahre, das ist nicht die Ewigkeit. Danach hast du die Schule hinter dir und bist unabhängiger, räumlich oder sogar auch finanziell.
Ich wünsche dir alles alles Gute und halte durch. Pack es einfach an, bevor dein Vater dich noch mehr runterzieht.
Ganz liebe Grüße