Geh auf jeden fall hin
hi,
ich habe vor 4 jahren meinen Vater an Krebs verloren und vor 1,5 wochen meinen onkel auch an krebs (und das sind noch nicht alle..). ich glaube, dass ich dich seeeehr gut verstehen kann.
versetz dich mal in die Lage deiner Oma: Was würdest Du als Oma denken, wenn Dein Lieblingsenkel Dich nicht besucht? Du fragst dich doch, ob er dich vergessen hat, denn im krankenhaus geht die zeit sehr langsam vorbei. man freut sich über jedes bißchen abwechslung und wenn so eine diagnose gestellt wurde, dann möchte man doch schon gerne die wichtigsten leute noch mal sehen bzw. oft stellt sich erst heraus, wem man eigentlich wichtig ist.
Ich weiß, man hat gewisse Hemmungen, aber ist es nicht ein bißchen egoistisch, sich den Anblick ersparen zu wollen und deshalb den armen Menschen, der für seinen Anblick ja nun wirklich nichts kann, damit zu strafen, dass man nicht hingeht?
Du mußt ja nicht über Tod oder so was sprechen, es ist auch nicht erforderlich, sich zu verabschieden, das wollen die sterbenden oft gar nicht, manche geben zwar solche äußerungen von sich, aber das muß man halt hinnehmen.
außerdem ist es immer erst dann ein abschied, wenn es im rückblick das letzte mal war, aber wer weiß schon, wann man wen das letzte mal sieht im voraus? wenn dir was an deiner oma liegt, geh hin, erzähle ihr, was du gerade machst, oder erinnere sie an nette geschehnisse von früher, oder erzähle ihr irgendwas, jedenfalls lass sie teilhaben an deinem leben, dann hat sich auch etwas zum nachdenken - je nachdem, in welchem stadium sie ist, kann sie das mehr oder weniger gut.
glaubst du nicht, dass es darauf gar nicht ankommt und sie sich allein darüber freut, dass du kommst? würdest du dich in der situation nicht auch über jeden freuen, der kommt und dich ein wenig ablenkt? bring ihr ein paar schöne frühlingsblumen mit, oder lies ihr z.b. ein gedicht vor, oder irgendwas, von dem du weißt, dass sie sich darüber freuen würde. mach dich natürlich darauf gefaßt, dass sie womöglich über ihren bevorstehenden tod spricht, und wenn sie das sagen will, dann sollte man ihr einfach zuhören, denn oft ist das für die leute schon eine erleichterung, dass sie einfach reden dürfen und sagen, was in ihnen vorgeht. die ärzte und schwestern haben nicht so viel zeit für sie und letztlich ist es auch ein liebesdienst, den schmerz und sonstiges mit einem geliebten mensch zu teilen. du machst dabei sicher nichts falsch.
im übrigen ist es natürlich deine entscheidung, was du tust, aber bedenke was weiter oben bereits gesagt wurde: du kannst diesen besuch nie wieder nachholen und es kann sein, dass du es ziemlich bereuen würdest, dass du dich gedrückt hast.
im übrigen ist es gerade bei krebs oft schwer abschätzbar, wie lange es noch geht, vielleicht besuchst du sie ja auch noch mehrmals?
als ich meinen onkel vor 1,5 wochen besuchte, dachte ich, der stirbt am nächsten tag; er hatte sich auch von allen verabschiedet, aber er hat dann doch noch 1,5 wochen länger gelebt, natürlich wurde es immer schlechter. jedenfalls geh hin, solange deine oma auch noch in der lage ist, dich wahrzunehmen, dir die hand zu drücken, dich anzusehen, dir zuzuhören.
mit den besten wünschen und versuche, den tod als etwas natürliches zu betrachten, genauso wie die geburt.
mit den besten wünschen
snowy