Ich teile hier unsere Geschichte mit, um sie zu verarbeiten und um anderen mitzuteilen, dass sie nicht allein davon betroffen sind.
Ich bin mit meiner Entscheidung einverstanden und brauche auch keine Rückmeldungen, die diese in Frage stellen oder gar anprangern. Jeder ist für sein eigenes Handeln verantwortlich.
Ich bin 41 Jahre alt und habe einen gesunden Sohn von 9 Jahren. Nach zwei Frühaborten in der 7. SSW - die letzte vor einem Jahr, bin ich seit Februar diesen Jahres wieder einmal die glücklichste Mutter gewesen, als feststand, dass ich schwanger bin. Nachdem ich die drei Monate überstanden habe, war ich mir sicher, die Schwangerschaft hält, so wie bei meinem Sohnemann. Kein Frühabort...
Die Ersttrimesteruntersuchung war erfolgreich, das Herz schlug immer schön und heute weiss ichs ja, ein Junge, also unser Sohn wuchs prächtig heran. Aufgrund meines Alters bekam ich schon zu Anfang mitgeteilt, dass ich zur Risikogruppe gehöre. Das bekommt man in meinem Alter bzw. ab 35 Jahren immer mit serviert. Ich kenne so viele, die mit 43 bzw. 44 gesunde Kinder entbunden haben. Warum ich nicht??!. Ich machte trotzdem einen Bluttest auf die Wahrscheinlichkeit hin zu prüfen, wie es mit T21 etc. aussieht. Um der Angst zu entkommen. Der kostete Geld - weil die Krankenkasse das jetzt nicht mehr übernimmt, wie damals bei meinem Sohn mit 312 Jahren. Es kam raus, dass aufgrund der Nackenfalte, die mit 0,8 mm gemessen wurde - der Wert des T21 von 1:45 in meinem Alter auf 1:277 ins positive gestiegen war, sodass alle Zeichen für ein gesundes Kind zu diesem Zeitpunkt gut standen. Keine Auffälligkeiten!!!
Das war so in der 12 SSW. Mein FA meinte, dass sähe gut aus, ich könnte jedoch noch eine FWU machen, um das nochmal abzuklären, könne aber auch jetzt bis zur nächsten Untersuchung warten.
Da ich Rhesusfaktor neg. bin, besteht ein erhöhteres Risiko auf eine Fehlgeburt. Aufgrund meiner Aborte war mir das zu gefährlich. Also hatten wir die Möglichkeit den Harmony Test zu machen, Kosten 500,00 , die wir nicht mal so nebenbei raushauen wollten, davon kann man schon ein Kinderzimmer kaufen. Da der FA meinte, wenn sie das Geld zuviel haben, dann machen sie das, er würde warten, bis zur 2. Trimesteruntersuchung. Das taten wir dann auch. Je später desto besser, sagte er am besten um die 21. SSW. Da sähe man am meisten und am besten die Organe, da fängt das Wachstum an. In der 21. SSW vor unserem geplanten Sommerurlaub sind wir hin.
Nach einer Dreiviertelstunde verkündete mein FA der Kleine habe einen Herzfehler - ein Loch im Herzen, das Blut strömt wie ein Fluß hindurch und es gibt keine Trennwände innen drin, sowie zu große Nieren, die auffällig sind und aufgrund mehrere Anzeichen sähe das gar nicht so gut aus. Ich solle nun eine FWU machen. Da ich es ja nicht wollte und gelesen habe, dass dafür dann erst wieder die 32. SSW besser in Frage käme, falls das Kind abginge, dass es überleben könnte, habe ich mich für den Harmony Test entschieden. Also 10 Tage warten.... Am Freitag, mein letzter Arbeitstag bekam ich mittags den entscheidenden Anruf.
Zu 99 % Trisomie 21. Ich war stumm, wir waren stumm. Es verschlägt Dir die Sprache. Es hatte ja nichts darauf hingewiesen. Dann riet mein FA zu einem Abbruch. Mit den Diagnosen und den Fehlbildungen würde sich das Kind ein Leben lang auf einer Rasierklinge bewegen. Vermutlich mehrere OPs, etc.. Nach dem Gespräch riet er mir in die Uniklinik Bonn zu fahren, um dort alles Weitere abzuklären. Wir bekamen dann direkt für Dienstags einen Termin. Die Ärzte machten alles - kontrollierten alles und ich hoffte, darauf, dass sie mir doch bitte sagen könnten, mein FA hätte sich geirrt. Nein es sah alles weiterhin danach aus. Ein Abbruch ohne FWU geht nicht und das ist gut so. Ich wollte die Gewißheit, dass es zu 100 % stimmt. Also nochmal 14 Tage auf das Ergebnis warten. Denn hier hilft der Schnelltest dann auch nicht weiter. Wir sind die letzten 10 Tage noch in den Urlaub gefahren, den wir ja geplant hatten und ich bin mit meinem Bauch schon stolz, aber auch mit viel Demut herumgelaufen. Wenn man im 6. Monat ist und so blüht, wie eine werdende Mami blühen kann und die Menschen es sehen, dass du voll schwanger bist, aber Deine Seele, die sich dahinter verbirgt, voller Sorge, Trauer, Angst steht. Das ist pervers, ambivalent....man kann hierfür keine Worte - finden. Ich habe mich dennoch an den Bewegungen des Kleinen gefreut, den Bauch gestreichelt und ihn lieb gehalten. In diesen 10 Tagen haben wir jeden Tag darüber gesprochen, können wir eine Trisomie tragen, kann man den Herzfehler und die im dritten Monat anfallende schwere OP dem Kleinen zumuten (was, wenn was schiefgeht und es Probleme und weitere OPs gibt oder er am Ende daran stirbt), kommen noch weitere Fehlbildungen im restlichen Verlauf der Schwangerschaft hinzu (konnte nicht ausgeschlossen werden)??
Mein Mann konnte zuerst für sich objektiv und rational die Entscheidung treffen, dass dies für den Kleinen und für unsere kleine Familie nicht tragbar ist. Nach intensiven Recherchen für pro und kontra bzgl einer Trisomie 21 mit einem schweren Herzfehler und evtl. weiteren Folgen haben wir uns für einen Abbruch entschieden.
Dann bekamen wir im Urlaub telefonisch die Mitteilung, dass das Ergebnis zu 100 % auf T21 plus der Fehlbildungen feststand - es war so wie es war. Das 1 % konnte es nicht raushauen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Wir bekamen einen neuen Gesprächstermin und dann mussten wir die 3 Tage Bedenkzeit noch abwarten, bis wir dann zum Abbruchtermin ein 3. Mal anreisen konnten. Mein Mann und ich haben dafür gesorgt, dass der Große für 2 Nächte gut untergebracht war, um das gemeinsam zu überstehen.
Am Anreisetag wurde dann das Fetozit gesetzt. Mein Mann hat es mit angesehen, um dabei zu sein und zu sehen, dass der Kleine nicht verletzt wird. Ich habe die Augen geschlossen und den Bauch festgehalten, um ihm zu sagen, dass ich ihn liebe. In der Nacht bekam ich dann Zäpfchen, die dann die Wehen auszulösen. Aufgrund der vorherigen Kaiserschnittnarbe durfte ich nur sanfte Mittel bekommen. Dann im Nachmittag mit schlimmsten Wehen, ging ich zu Boden auf alle Viere und die Fruchtblase platzte nur so raus. Fünf Minuten später kam der Kleine hinterher. Zum Glück mit dem Köpfchen. Ca. 712 g schwer in der 24. Woche. Sofort bekam ich meinen Kleinen auf den Arm und all die böse Phantasie, die Angstmache vor diesem Augenblick war verflogen. Er war so hübsch und es war trotz allem ein glücklicher Moment. Danach hat mein Mann ihn angenommen Da die Nabelschnur nicht mit dem Mutterkuchen ganz rauskam, musste ich dann leider noch wie sollte es mir auch erspart sein, in den OP für die Ausschabung. Kurz danach lag ich wieder auf meinem Zimmer und konnte meinen Sohn wieder in die Arme schließen. Ich war erstaunt darüber, wie fertig die Kleinen in diesem Zeitraum schon sind. Und unwahrscheinlich traurig, dass er nicht schrie und sich bewegte, wie mein Sohn es vor neun Jahren tat. Ich brach in Tränen aus und all das, was ich jetzt vier Wochen mit mir rumgetragen hatte, löste sich. Mein Mann und ich haben es überstanden. Wir haben uns am nächsten Tag von unserem Kleinen verabschiedet. Er lag in einem Körbchen und in dem Deckchen das wir von Zuhause mitbringen konnten. Hiermit wird er auch beerdigt werden. Wir haben Fotos, einen Stein usw. mitbekommen. Die Hebamme und das ganze Team waren so mitfühlend und umsorgend, dass mir dadurch das "Ganze Schlimme" etwas genommen werden konnte. Vielen Dank an dieser Stelle. In ca. 3 Monaten werden wir unseren 2. Sohn, der nun in unserem Familienstammbuch miteingetragen wurde, mit den anderen Sternenkindern die letzte Ehre erweisen. In unserem Herzen und in unserer Familie hat er seinen Platz für immer fest.
Vielen Dank Florian für die schönen gemeinsamen Augenblicke und Momente, die Du uns geschenkt hast - Du unser Sternenkind in unserem Herzen :ange: :ange:
Unser Fazit: Wir werden nie wieder so lange warten, entweder FWU oder Harmony Test zum frühstmöglichen Zeitpunkt Sicherheit und Schutz für uns und das werdende Leben...