Lass dich nicht isolieren
ich stand vor einer woche vor einem ähnlichen, aber auch etwas anderen problem. ungeplant schwanger, allerdings erste schwangerschaft und noch relativ junge beziehung. wir beide haben (hatten?) in naher zukunft auslandseinsätze und lange dienstreisen vor und ich bin als doktorandin immer nur auf 3 monate befristet eingestellt, dann wird der vertrag verlängert. er studiert noch bis frühsommer, dann ausland, dann der erste job. vor weihnachten hatten wir besprochen, dass wir 2009 heiraten wollen und dann kinder...
seine erste reaktion war "sag es keinem" und "das passt jetzt nicht". er sagte aber auch "es ist deine entscheidung, ich stehe zu dir und wir ziehen die geplante hochzeit vor" allerdings mit säuerlichem gesichtsausdruck. ich habe mich dann gegen seinen willen mit meinen und unseren freunden, meiner familie etc unterhalten (allerdings nicht seinen eltern, da wollte ich keinen druck aufbauen) und ihm gesagt, dass das auch meine entscheidung ist und ich einfach auch mal eine andere sicht auf die dinge brauche. das hat er so akzeptieren müssen.
er war total verunsichert, trotzdem aber kuschlig und sehr liebevoll. habe aber auch keinen streit zum zaun gebrochen sondern ihn nur an meiner traurigkeit teilhaben lassen. soll er ruhig merken, dass ich mich nicht wohlfühle und mir zigtausende argumente für die eine und die andere lösung durch den kopf gehen.
nach drei tagen überlegen habe ich dann gemeint, dass wir die entscheidung gemeinsam treffen. ich will kein kind von einem mann, der sich nicht darüber freut. er meinte, die freude käme sicher mit der zeit. vorwürfe habe ich ihm da keine gemacht. dann habe ich das thema abtreibung angesprochen und er war dafür. wir waren zusammen beim FA, zum beratungsgespräch, dann habe ich ihn die termine ausmachen lassen.
irgendwann hab ich gemerkt, dass ich zwar jetzt nicht schwanger sein will, aber eine abtreibung wollte ich erst recht nicht. ich hab mich also kein bisschen weiter in die richtung bewegt. stattdessen habe ich erstmal von ihm etwas gefordert, was er nicht wollte - ich habe ihn zu seinen eltern geschickt, weil das lebenserfahrene und herzensgute menschen sind. er hat sich 30 minuten lang gesträubt, dann ist er hingefahren. wenn ich ein so großes opfer für ihn bringen soll, bringt er erstmal ein kleines für mich.
aus meinem umfeld hatte ich alles verständnis der welt und auch den vollen entscheidungsspielraum.
das ende vom lied: er hat mich gebeten, zum abendessen bei seinen eltern vorbeizukommen, de sich unheimlich gefreut haben und ihm damit auch die angst vor der zukunft genommen haben. seitdem hat er strahlende augen und freut sich ein loch in den bauch, hegt und pflegt mich (steh im moment kurz vor einer drohenden FG, leider). er ist sofort losgezogen und hat sich eine neue Digicam gekauft (da habe ich nichts dagegen gesagt) das ist wohl seine art, sich für die entscheidung zu belohnen sondern habe nur lakonisch gemeint, die abtreibung wäre mit 400 euro sogar noch 100 euro teurer geworden. ausserdem bin ich für gute babybauch-fotos.
hätte er seine meinung nicht geändert (4 wochen bedenkzeit ausserhalb unserer gemeinsamen wohnung hätte ich ihm noch gegeben) dann hätte ich die abtreibung machen lassen und mich danach von ihm getrennt. das wäre mir immer noch nicht leichtgefallen, ich wollte aber nicht allein mit kind oder in einer schwangerschaft mit unschlüssigem, mürrischen kindesvater und belasteter beziehung leben. das liegt aber ganz alleine an mir - ich bin nicht der typ für das modell "alleinerziehend" auch wenn das jederzeit passieren kann.
jetzt habe ich unverhofft bauchschmerzen und blutungen bekommen, werde aber rührend umsorgt und er hofft die ganze zeit, dass es unserem kleinen punkt gutgeht und er das überlebt. dafür wird er natürlich geknuddelt und gelobt :-).
vielleicht hilft es dir bzw. euch, wenn ihr etwas auf abstand geht, du aber von ihm forderst, sich der situation zu stellen, d.h. zu allen arzt / beratungsterminen mitgehen. nimm ihn mit zu schwangerenkonfliktberatung. die frauen dort sind nicht dämlich. bei uns hat sie ein paar beispiele erwähnt, wie verantwortungslos und dämlich andere männer sind, meiner aber sicher nicht, da er ja ganz intelligent mit zum gespräch geht. das hat in ihm wohl im unterbewusstsein das bedürfnis geweckt, einer von den guten zu sein. und was die guten tun und wie sie sich verhalten, weiß man ja ;-). dafür habe ich im b-gespräch selber 100% seine ansicht verteidigt, damit er weiß, dass ich hinter ihm stehe (blamiere männer nie vor anderen.... das geht nicht gut, es sei denn du willst die trennung)
in summe hat es funktioniert. zeig ihm ehrlich aber ohne übertreibung deine angst, deine trauer, mach keine gute miene zum bösen spiel. aber übertreibe nicht, mach kein totales theater, das fällt sonst auf.
such dir irgendeinen emotionalen moment in eurer gemeinsamen zeit, rede darüber (positive gedanken schaffen), ein gemeinsames lied. ich hab meinem liebsten auch gesagt, dass ich ihn verstehe (so unverständlich war sein entsetzen erstmal nicht, schon klar, dass man plötzlich einige träume abschreiben kann). sage ihm, dass du zeit brauchst für die entscheidung, dass es ein prozess ist, dass du binnen 30 minuten deine meinung ändern kannst, dass dir vielleicht erst kurz vor dem OP-Termin klar wird, was du willst. dafür muss er verständnis haben. geh mit ihm die variante "kind kriegen" durch, weil sie zunächst gleichberechtigt neben der anderen steht. schmück es mit schönen dingen aus, die erfahrung, die ihr beide schon habt und wo eure chancen liegen, die dinge anders zu machen als früher.
dazwischen streust du seine bedenken und tust so, als wären es deine (damit er seine grundsätzliche, verfestigte ablehnung deinen argumenten gegenüber aufgibt, da er dir dann manchmal auch ganzen herzens zustimmen kann) un mit etwas glück und in hoffnung auf seinen verstand und sein mitgefühl ändert er seine meinung. dann am besten keine vorwürfe mehr, nur noch lieb sein, um den hals fallen, ihm sagen, dass du total glücklich bist und anerkennst, dass er da eine echte meisterleistung an liebe vollbracht hat. das steckt ihn an und er bleibt hoffentlich dabei.
rein rational betrachtet ist er jetzt völlig auf dem holzweg und jeder denkende verurteilt ihn für seine eiseskälte. aber sag ihm das nicht. lass ihm mit seiner ziemlich isolierten position (die sich weiter verstärken wird, wenn du gemeinsame bekannte über die ungeplante schwangerschaft informierst ohne ihn anzuschwärzen) immer den weg zur richtigen entscheidung offen, ohne dass er das gesicht verliert. sonst fängt er an, auf verlorenem posten zu kämpfen, einfach weil er nicht mehr weiß, wie er da wieder wegkommt und das ganze eskaliert.
viel glück.