viveka_12865592Mmmh...
natürlich ist es keine einfache Entscheidung. Zum Glück musst Du sie aber auch nicht jetzt gleich treffen.
Vielleicht hilft es Dir, wenn ich von mir berichte und wie ich zu meiner Entscheidung kam.
***Ich möchte an dieser Stelle nochmal betonen, dass ich dies *nicht* schreibe, um Dich zu einem Abbruch zu bewegen. Er stellt nur eine Option dar. Ich möchte nur mit ein paar Mythen aufräumen, damit Du überhaupt in der Position bist, frei zu wählen!***
Mir ist auch erst sehr spät, wenn nicht sogar erst im Nachhinein klar geworden, dass ich die Antwort für mich quasi die ganze Zeit schon in mir trug. Aber ich war ebenso verunsichert und hatte ebenfalls sehr große Angst vor dem "nachher".
ich glaube, es ist auch eher schwierig, sich mittels der "Gründe" der Entscheidung zu nähern. Jeder rationale Grund lässt sich ebenso rational auch wieder entkräften. "Zwingende" Gründe gibt es als solche nunmal recht wenig.
Ist es bei Dir denn eher so, dass Du nach Gründen suchst, die einen Abbruch vor Dir und vor anderen rechtfertigen würden oder eher so, dass es Dich, sobald Du auf einen Grund stößt, der gegen das Kind spricht, traurig macht?
Überleg' Dir, was Dir wichtig ist, was Du bereit wärest aufzugeben und was nicht.
Du musst hier nicht darauf antworten, viel wichtiger ist es, dass Du ganz ehrlich zu Dir selbst bist. Denn nun hilft es gar nicht, sich selbst zu belügen oder sich irgendetwas einzureden.
Ich hatte damals ganz ganz dringend den Wunsch, nicht schwanger zu sein. Wünschte, es wäre nicht passiert, wünschte, ich müsste mich jetzt nicht mit dem Problem auseinandersetzen.
Natürlich sprach auch vieles, meine Lebensumstände betreffend, gegen das Kind.
Und trotzdem ist mir die Entscheidung sehr schwer gefallen. Zwar paradox, aber es war so.
Auf der anderen Seite hatte ich nämlich das Gefühl, dieses Kind bekommen zu "müssen". Denn ich war ja schwanger, selbst schuld, bin erwachsen genug ein Kind aufziehen zu können. Und ein Abbruch? .. Sowas macht man ja nicht. Der gesellschaftliche Druck ist da relativ hoch und die Angstmaschinerie sehr wirksam.
Hinzu kam, dass ich mir ja eigentlich auch immer Kinder wünschte (?!)..
ich fühlte mich schlecht, konnte meine Gedanken nicht einordnen, konnte sie ebenso nicht fassen.. Und jedesmal wurde einem jegliches Zögern, jegliches Zweifeln als der Wunsch ausgelegt, man wolle das Kind doch.
Das ist ungefähr genauso schlimm, wie wenn man jemanden, der ein Kind möchte, versucht, eine Abtreibung einzureden.
Aber ich denke, hätte ich das Kind gewollt, wären meine Gedanken in die Richtung gegangen, wie ich es möglich machen könnte.
Aber ich war einfach nur verzweifelt.
Und dann die Angst vor dem Eingriff, die Angst, wie es mir nachher gehen würde, die Prophezeihungen anderer, ich würde es nachher bereuen.
Plötzlich hatte ich Angst davor, ich müsste das Kind bekommen, weil meine Angst vor dem Abbruch zu groß ist, weil ich es "nicht kann".
Ich war zu der Zeit also auch nur noch angespannt, todunglücklich und wie gesagt, verzweifelt.
Als es dann vorbei war, hatte ich das Gefühl aus einem Albtraum wieder aufzuwachen. Ich war noch ein biscchen verwirrt, aber ich war glücklich, dass ich mein Leben zurück hatte.
Natürlich war es eine intensive Erfahrung, die ich erstmal verdauen musste, aber gravierende psychische oder emotionale Probleme hatte ich nicht.
Viele haben gemischte Gefühle, eben weil sie auch bezüglich der Schwangerschaft und bezüglich dem möglichen Kind gemischte Gefühle hatten; und manche fragen sich auch, was wäre, wenn sie sich anders entschieden hätten.. Aber das sind Fragen, auf die man nie eine Antwort bekommen wird.
es ist wie die Entscheidung in eine andere Stadt zu gehen, einen anderen Job anzunehmen, eine Partnerschaft zu beginnen oder zu beenden - Du wirst nie erfahren, was passiert wäre, wenn Du Dich an entsprechender Stelle anders entschieden hättest.
Man kann also eben genausowenig sagen, ob es dann garantiert besser oder garantiert schlechter gewesen wäre, das einzige, was man sagen kann ist, dass das Leben dann nunmal anders verlaufen wäre. Und trotzdem müssen wir sehr oft im leben solche Entscheidungen treffen.
Oben beschriebenes war halt alles in *meiner* Situation und eben ich als Person.
Es gibt kein Regelwerk, welche Gründe für einen Abbruch sprechen und auch keines dafür, wie man sich nachher fühlt.
Wie es mit Dir und Deiner Situation ist, kann Dir hier niemand sagen.
Vielleicht hätte ich sogar auch anders entschieden, wenn gewisse Dinge in meinem Leben ein wenig anders gewesen wären.
Du siehst also, es ist ein komplexes Problem und gewiss nicht einfach oder eindeutig oder schwarz/weiss..
Das mit den garantierten psychischen Problemen nachher ist übrigens ein Mythos und hat vor allen Dingen eher mit den Bedingungen "vorher" zu tun.
Man kann das Buch "traurig und befreit zugleich" komplett im Internet lesen, es befasst sich mit Erfahrungsberichten bezüglich eines Abbruchs und dem "nachher".
Dort stehen auch Auswertungen über den Anteil der Frauen, die nachher nicht damit klar kommen. Das aber sind Frauen, die entweder den Abbruch gar nicht wollten oder die vorher schon psychische Probleme hatten. Dort haben dann oftmals die psychischen Probleme wie auch der Anlass, der sie zum Abbruch bewog, den gleichen Ursprung (z.B. schlechte soziale Bedingungen), aber der Abbruch ist nicht die Ursache.
Welche Gefühle und Gedanken auf Dich zukommen.. hmm..
Ich denke, es spielt neben Deiner eigenen Einstellung auch eine Rolle, wie der Abbruch von statten gehen würde, ob mit Dir einfühlsam und verständnisvoll umgegangen werden würde und ob Du gut medizinisch versorgt und betreut sein würdest.
Stell' Dir doch mal vor, Du hättest nun den Abbruch hinter Dir. Was glaubst Du, wie Du Dich fühlen würdest? Erleichtert? Oder glaubst Du, du hättest eher den Gedanken, Dein Kind veloren zu haben, welches Du Dir eigentlich gewünscht hast?
Ignoriere mal die Seite Deines Freundes: willst Du denn dieses Kind? In dem Punkt musst Du Dich letztendlich (nicht jetzt und sofort) für ein klares Ja oder ein klares Nein entscheiden - da gibt es nunmal leider kein "ich weiss nicht" und ich glaube, es ist auch nicht gut, das von anderen abhängig zu machen.
Und wenn es ein "Ja" ist, wenn Du es austragen, lieben und großziehen willst, wieso solltest Du dann abtreiben? Wenn es ein Ja ist, dann gibt es keinen einzigen Grund, der stark genug wäre, um Dich gegen ein Kind zu entscheiden.
Und dann ist es auch durchaus legitim zu sagen: "Abbruch? - Das kann ich nicht!" Niemand kann Dich zu einem Abbruch zwingen, auch wenn er/sie die Gründe dafür als noch so überzeugend darlegt.
Das mit den "Gründen" ist so eine verzwickte Sache.
Natürlich spielten bei mir die Gründe eine Rolle. Es war aber so, dass ich das Kind aus den (meinen) Gründen eben nicht *wollte*, ich würde nicht behaupten, dass ich das Kind aus meinen Gründen nicht hätte haben *können*. Denn es geht ja bekanntlich immer irgendwie.. Die Frage ist nur, wie hoch der Preis ist, den man dafür zahlt.
Nun mögen vielleicht viele sagen, es wäre dann ja egoistisch von mir gewesen.
Ich übernehme mit der Aussage "ich wollte das Kind nicht" eben auch die volle Verantwortung für den Abbruch und verstecke mich nicht hinter der Formulierung, ich *konnte* das Kind aus denundden Gründen nicht bekommen.
Der Vorteil daran, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, ist, dass es einem auch Handlungsmöglichkeiten eröffnet und man sich nicht in der Hilflosigkeit der Opferrolle verliert.
Du musst Dich entscheiden. Erst dann können Dich andere hier, egal wie Du Dich entscheidest, mit Rat und Tat unterstützen.
Nimm' Dir dafür die Zeit, die Du brauchst...
Lieben Gruß,
R.