Ich habe mal ein wenig hier im Forum gestöbert und ich muss sagen, dass ich entsetzt bin. Ich würde mir wünschen, dass es ein wenig mehr Verständnis für beide Seiten bei dem Thema Abtreibung gäbe. Müssen denn gleich beide Lager so in Extreme fallen? Wo bleibt da der gegenseitige Respekt? Es ist schade, dass es hier kaum eine sachliche Diskussion gibt, sondern jeder Ansatz eines Austausches mit wüsten Beschimpfungen gleich im Keim erstickt wird.
Und vielleicht sollte jeder mal seine eigenen Umstände ein wenig in den Hintergrund stellen. So ist mir aufgefallen, dass viele, die hier am lautesten Mörder schreien, auch schon in dem Schwangerschaftsforum geschrieben haben, wie sehr sie sich doch ein Kind wünschen, und es einfach nicht klappen will. Da ich selbst gerade verzweifelt versuche schwanger zu werden, kann ich verstehen, wie schmerzlich es ist, wenn man das Gefühl bekommt, alles um einen herum wird schwanger, nur man selbst nicht. Aber habe ich ein Recht, auf Grund meiner eigenen Frustration diejenigen zu beschimpfen, die schwanger sind und es nicht sein wollen?
Auffallend ist aber auch, dass einige Frauen hier, die schon eine Abtreibung hinter sich haben, sich völlig verschließen, wenn Abtreibungsgegner doch recht gute Argumente bringen. (Wobei Abtreibung ist gleich Mord kein gutes Argument ist) Ich dachte da eher an Denkanstöße, dass es staatliche Hilfen gibt u.s.w.
Ich selbst würde einer Frau niemals zu einer Abtreibung raten. Aber würde ich eine Frau für diesen Schritt verurteilen? Ganz sicher nicht. Ich glaube, viele Abtreibungsgegner, die sich hier zu Wort gemeldet haben, machen es sich ein wenig zu leicht. Nicht jede Frau, die eine Abtreibung vornehmen hat lassen, hat diesen Schritt leichtsinnig gemacht. Ich behaupte sogar, dass das eher selten passiert.
Eine Abtreibung ist eine folgenschwere Entscheidung. Nicht nur aus physischer, sondern auch aus psychischer Sicht. Ich selbst habe abgetrieben. Das ist nun 8 Jahre her. Ich war damals 17, habe nach bestem Wissen verhütet, und fühlte mich so gar nicht bereit Mutter zu werden. Meine Ausgangsposition war mehr als schlecht. Meine Eltern wohnten 600 km entfernt. Ich ging damals noch zur Schule. Es handelte sich dabei um eine private Schule. Und auf einen Schulplatz gab es 1000 Bewerber. Und meinen Freund, der auch 300 km entfernt wohnte, und mitten im Abitur steckte, kannte ich erst seit 3 Monaten. Und trotzdem wollte ich diese ungewollte Schwangerschaft austragen und das Kind bekommen.
Doch mein gesamtes Umfeld setzte mich sehr unter Druck abzutreiben. Meine Eltern sagten mir, dass sie mir kaum helfen könnten auf Grund der Entfernung. Und mein Freund kniete mir jeden Abend zu Füßen, weinte bitterlich und bettelte, dass ich doch bitte nicht sein Leben versauen soll. Von meinen Lehrern wurde mir klipp und klar gesagt, dass sie meinen Platz an der Schule einem anderen Bewerber geben müssten, sollte ich wegen der Schwangerschaft, oder der Entbindung den Unterricht nicht mehr besuchen können. Das hätte bedeutet, dass ich meine Ausbildung hätte abbrechen müssen, und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit niemals beenden hätte können. ProFamilia war auch keine große Hilfe. Das mal nur für die, die immer darauf hinweisen, dass es doch Stellen gibt, an die man sich wenden könnte.
Und trotzdem habe ich stur gesagt, dass ich dieses Kind bekommen werde. Doch irgendwann wurde der Druck zu groß. Wie fühlt man sich, wenn alle um einen herum einen sagen, dass ich sie ins Unglück stürze, wenn ich mein Kind in die Welt setze. Und so kam es dann, dass ich abgetrieben habe. Ich habe es nicht gewollt. Aber trotzdem war ich es, die die nötigen Unterlagen unterschreiben musste. Deswegen kann ich die Schuld auch nicht bei meinen Eltern, meinem Freund oder meinen Lehrern suchen.
War es eine leichte Entscheidung? Nein, es war mit Sicherheit die schwierigste Entscheidung meines Lebens. Bereue ich diese Entscheidung? Jeden Tag! War es die richtige Entscheidung? Aus heutiger Sicht muss ich diese Frage mit Ja beantworten. Das mag vielleicht komisch klingen. Aber man kann sein Handeln durchaus als richtig einschätzen, und es trotzdem bereuen. Ich habe viele Jahre um dieses ungeborene Kind geweint. Und selbst heute, 8 Jahre danach, tut es mir immer noch weh. Und trotzdem muss ich heute im Nachhinein sagen, dass es sicher richtig war. Ich war damals noch sehr jung und lernte gerade erst für mich selbst Verantwortung zu übernehmen. Wie hätte ich einem kleinen Menschenkind richtige Werte vermitteln und ihm Geborgenheit schenken können, wo ich doch selbst noch auf der Suche nach meinem Platz in dieser Welt war? Ich weiß, dass ich mit dieser Aufgabe völlig überfordert gewesen wäre, und meinem Kind mit Sicherheit keine schöne Kindheit geboten hätte. Ich konnte damals dem Druck meiner Umwelt nicht standhalten. Wie kläglich wäre ich dann erst an dem Druck, den eine junge allein erziehende Mutter ausgesetzt und völlig auf sich allein gestellt ist, gescheitert?
Heute bin ich 25 und lebe in einer liebevollen und gefestigten Beziehung. Wir wünschen und sehnlichst ein Kind. Und sollte sich noch mal eine kleine Seele in mir einnisten, so wird es herzlich Willkommen sein. Aber mein erstes Kind, für das ich nicht stark genug war, wird nie vergessen sein.