Hallo,
da ich schon sehr lange nicht mehr hier geschrieben habe und mich kaum noch jemand kennen wird, erst einmal kurz zu mir. Vor inzwischen fast fünf Jahren habe ich nach 13 Jahren Anorexie im Alter von 24 endlich Hilfe gesucht. Nachdem die stationäre Therapie zunächst nicht sehr erfolgreich war (lange Geschichte) hatte ich eine wunderbare ambulante Therapeutin, durch deren Hilfe ich mir ein normales Essverhalten erarbeitet habe und die Hintergründe meiner Anorexie innerhalb von zwei Jahren aufgearbeitet habe. Dabei wurde mir klar, dass ich meine depressiven Gedanken und meine Versagensängste durch Hungern kompensiert habe. Ganz eng verbunden war das anorektische Verhalten außerdem mit exzessivem Arbeiten (zu Schulzeiten diverse Aktivitäten neben der Schule (Nachhilfe, Leiten einer Kindergruppe, Orchester, Sport etc.) und während des Studiums ein Arbeitspensum von durchschnittlich 14 bis 16 Stunden an sieben Tagen die Woche).
Es fiel mir auch anfangs wesentlich schwerer ein normales Arbeits- und Schlafverhalten (zu MS-Zeiten nie mehr als 4 bis 6 Stunden) zu erlernen als ein normales Essverhalten. So blöd es klingt, ich habe trotz Anorexie immer wunderbar "funktioniert" und sowohl mein Abitur als auch mein Studium trotz immenser Versagensängste mit Bravour absolviert.
Damit komm ich zu meinem derzeitigen Problem, ich esse nun seit mehreren Jahren ausgewogen und regelmäßig (ca. 2000 kcal) und mein Gewicht hat sich im leichten Untergewicht eingepegelt. Die depressiven Episoden sind jedoch wesentlich stärker geworden und anders als zu Anorexie-Zeiten, in denen ich mich teilweise von Äpfeln und trockenen Brötchen ernährt habe, fällt es mir teilweise schwer mein Arbeitspensum zu erledigen (arbeite derzeit an meiner Doktorarbeit). Beziehungsweise entweder ich arbeite exzessiv (zu Zeiten der Materialaufnahme, die durch äußere Umstände auf einen kurzen Zeitraum im JAhr beschränkt ist, teilweise von morgens um 7.00 Uhr bis nachts um 1.00 Uhr) oder ich komme kaum oder gar nicht voran. Außerdem fühle ich mich oft grundlos extrem traurig, niedergeschlagen und hoffnungslos, obwohl es dafür keine objektiven Gründe gibt (ich habe seit fast fünf Jahren einen tollen Freund, der mich in jeglicher Hinsicht unterstützt, arbeite in meinem Traumberuf an meiner Doktorarbeit und habe eine wunderbare Familie und tolle Freunde). Daher frage ich mich oft, ob ich meine depressive Seite früher durch meine Essstörung kompensiert habe und nun ohne Kompensation durch Hungern die negativen Gedanken viel stärker spüre? Geht es noch jemandem von Euch so, dass ihr zwar wahnsinnig erleichtert seid, aus diesem Teufelskreis heraus zu sein, das Gefühl, dass das Leben ohne Anorexie aber auch nach mehreren Jahren noch immer "anstrengender" (es tut mir leid, irgendwie weiß ich nicht, wie ich das anders ausdrücken soll) ist als ohne?
Es tut mir sehr leid, wenn mein Beitrag zu negativ sein sollte, aber ich fühle mich gerade oft so traurig und hoffnungslos und habe solche Angst, dass dieser Zustand egal wie ideal die "äußeren Umstände" sind, immer wieder kommen wird. Denn ich möchte betonen, ich bin nicht durchgängig depressiv, sondern es sind immer wieder Episoden von mehren Tagen und Wochen, in denen ich mich so vollkommen niedergeschlagen fühle.
Tut mir leid, dass das jetzt ein halber Roman geworden ist, aber ich musste mir das unbedingt mal von der Seele schreiben und hoffe auf hilfreiche Kommentare.
Alles Liebe
Traumverloren