Mein Papa hatte Krebs
Auf der Suche nach Hilfe für meine eigene Trauerverarbeitung stieß ich in dieses Forum.
Ich kann dir leider auch keinen direkten Rat geben, aber reden mit Menschen die wissen von was man spricht und wie es einem geht hilft etwas. Ich weiß jeder geht mit seiner Trauer anders um, manche können das alles schnell für sich verarbeiten und brauchen das alles nicht. Aber auch ich habe sehr mit dem Tod meines Vaters zu kämpfen.
Mein Papa ist am 18.06.15 für mich noch immer unfassbar verstorben.
Krank war er schon lange, aber jahrelang wusste niemand genau was er hatte. Klar, wir wussten er hatte eine Herzschwäche und auch dass seine Nieren geschädigt waren war uns klar. Auch dass es ihm von Zeit zu Zeit immer mal richtig schlecht ging war schon lange eine harte Zerreißprobe für meine Nerven. Sein immunsystem war in den letzten 2 Jahren so schlecht, dass er ständig mehrmals im Jahr Antibiotikum Kuren machen musste. Dann fing es an, dass er ständig unter Luftnot litt und man feststellte, dass er Wasser in der Lunge hat.mit Entwässerungsmedikamenten bekamen die Ärzte das aber immer wieder in den Griff. Es wurde immer auf das schwache Herz und die ledierten Nieren geschoben. Dabei hatte er nirgens sonst im Körper wasseransammlungen außer immer wieder in der Lunge.
Einmal kam er mit starker Luftnot gerade noch rechtzeitig im Krankenhaus an, bevor er in der Aufnahme zusammenbrach und für Tage in ein künstliches Koma versetzt werden musste.
Das alles war schon schlimm genug für mich, weil ich über 450km entfernt von meinem Papa wohne und immer nur über das Telefon mit ihm sprechen konnte oder erfahren durfte wie es ihm geht.
Das letzte Wochenende im März verbrachte ich mit meinem Mann in Hamburg und mein Papa kam ganz spontan für den Samstag Nachmittag vorbei und verbrachte den Tag mit uns. Das dies wohlmöglich fast das letzte mal sein sollte wo ich meinen Papa sehen darf wollte ich sicher nicht wahrhaben. Den Dienstag nach Ostern hatte er einen Termin zum herzkatheder um genauen Überblick zu bekommen was er nun genau hat.
Abends rief er mich aus dem Krankenhaus an und meinte aufgrund der schlechten Nieren können sie das Kontrastmittel nicht spritzen und demnach die Untersuchung nicht machen. Ich schlug vor anstatt dem ct ein mrt ohne Kontrastmittel zu machen. Genau das ist dann auch einen Tag später geschehen.
Ich erinnere mich noch genau wider mich anrief und zu mir sagte: mein Herz ist soweit in Ordnung, die Ärzte machen sich blos Gedanken weil da ein Schatten auf der Lunge ist den sie nicht erklären können. Da mein Papa immer mehr unter Luftnot litt, entschlossen sich nun endlich die Ärzte für eine Punktion der Lunge um das sekret abzulassen und zu untersuchen.
Als er mich anrief und mir das Foto schickte und ich sah was vor sich ging. Die Ärzte zogen 4,5liter dunkelrotes sekret aus seinen Lungen und sagten ihm bereits an diesem Tag dass es wohl nicht gut aussieht. Als ich den Hörer auflegte, brach ich in Tränen aus, denn ich wusste mein Vater würde sterben. Als das Ergebnis der Biopsie nach einer endlos langen Woche endlich auf dem Tisch lag herrschte bittere Klarheit. Papa hatte lungenkrebs. Er war trotz allem sehr optimistisch und auch die Ärzte schienen noch nichts aufzugeben. Als jedoch nach einer weiteren Biopsie der Rippen feststand, dass er bereits metastasen in den Knochen hatte und sich bereits im unheilbaren Stadium 4 befand fiel mir jeglicher Optimismus so unendlich schwer.papa war trotz allem positiv eingestellt und offen für alle ihm angebotenen palliativen Maßnahmen sowie zusätzlicher naturmedizin.
Nach dieser Diagnose besuchte ich ihn das letzte mal am 24.april. Ich wollte ihn unbedingt in den Arm nehmen und ihn nochmal sehen bevor die Bestrahlung beginnen sollte. Dieser Abschied fiel mir unendlich schwer, weil ich im Innern meines Herzens wusste dass dies der letzte Abschied sein würde. Ich sehe ihn immer noch vor mir.
die Bestrahlung begann und er schien das alles sogar gut wegzustecken. Ich telefonierte fast täglich mit ihm. Dann ging wieder alles sehr schnell. Plötzlich war die Luftnot wieder da und die Lunge voller Wasser. Er musste wieder ins Krankenhaus und fuhr zu den letzten Bestrahlungen vom einen Krankenhaus in das nächste. Oh, Gott wie gerne wäre ich bei ihm gewesen, aber ich habe hier vier kleine Kinder zuhause die mich ebenso brauchen und die ich nicht komplett meinen Berufstätigen Mann auferlasten konnte. Aufgrund seiner Beschwerden entschieden sich nun endlich die Ärzte für einen lungenabstrich um die Keime zu identifizieren die immer wieder diese Entzündungen auslösen. Ich frage mich noch immer wieso dieses nicht schon Jahre vorher feschen ist???Vielleicht wäre der Krebs dann auch schon Jahre vorher erkannt und mein Papa könnte jetzt noch leben.das Ergebnis des Abstrichs war erschütternd. CMV Virus, welcher nur mit einem speziellen Medikament in den Griff zu bekommen ist, welches höchst gefährlich und kaum für nierenpatienten anzuwenden ist. Mitte Juni begann trotz allem die Therapie. Das letzte mal telefonieren konnte ich am 12.6. mit ihm. Das Medikament legte ihn völlig lahm, er hatte sämtliche Nebenwirkungen und war nicht mehr ansprechbar. Am Telefon hieß es immer nur: das geht vorbei, das sind nur die Nebenwirkungen. Heute weiß ich, ich hätte auf mein Gefühl hören sollen und trotz allen Gegenargumenten hinfahren sollen zu diesem Zeitpunkt.
Nachmittags am 17.6 bekam ich den Anruf von seiner 2. Frau. Sie teilte mir mit dass es wohl auf nierenversagen hinauslaufen würde und wir zum Wochenende nochmal kommen sollten.
Nierenversagen? Wochenende? Es war doch gerade erst Mittwoch? Mein Mann kam gerade von der Arbeit und wir entschieden die Kinder bis zum Wochenende unterzubringen und gleich am nächsten morgen aufzubrechen. Alles war geregelt, die Taschen gepackt, die Kinder untergebracht. Eigentlich hatte ich den inneren Drang sofort aufzubrechen, aber ich wollte meinem Mann die Fahrt von fast 6 std nach dem 9 stündigen Arbeitstag nicht auch noch zumuten.
Alles was ich am Morgen auf meinem Handy hatte war eine Whatsapp von seiner Frau: Papa hat es nicht geschafft.....
Ich bin sofort in hektischem Geschrei ausgebrochen- ich hab es nicht geschafft, ich war nicht bei ihm als er gestorben ist Das ist für mich das schlimmste überhaupt!!
Die folgenden 2 Wochen bis zur seebestattung waren die schlimmsten in meinem Leben. Es war alles so unreal, wochenlang dachte ich immer nur, das kann doch nicht sein das ist doch nur ein böser Traum! Warum haben die Ärzte nichts gemacht, warum haben sie seine Krankheit nicht vorher erkannt?Ich konnte nichts schaffen, wäre am liebsten den ganzen Tag im Bett geblieben und hätte geweint. Aber meine Kinder und mein Mann brauchen mich auch und manchmal wenn ich zu traurig bin dann ist es so als ob er neben mir steht und mir sagt er möchte nicht dass ich so traurig bin.Papa kann doch nicht einfach tot sein?! Die Bestattung war dann nocheinmal ein sehr schlimmer Tag. Danach war das Gefühl alles wäre blos ein Traum verändert. Nun war es real, Papa ist wirklich nicht mehr da!
Ich vermisse ihn jeden Tag so verdammt schmerzlich, ich vermisse seine Whatsapp, unsere Telefonate und seine Ratschläge! Auch wenn ich weiß dass die Distanz in der wir so lange gewohnt haben jetzt nicht mehr da ist, wenn ich fühle dass er immer bei mir ist, ist es noch immer wahnsinnig schwer sich damit abzufinden. Ich habe auch schon überlegt mir eine Hypnose CD zu besorgen um diese Tiefe Traurigkeit loszuwerden. Ich weiß es ist seit Papas Tod nicht einfach mit mir zu leben und dass ich mich verändert habe.
Auch wenn es an manchen Tagen aussichtslos erscheint, eines Tages wird man nicht mehr immer nur in Traurigkeit an den Vater denken, sondern ihn in liebevoller Erinnerung haben und dankbar sein für jeden Tag den man ihn kennen und bei sich haben durfte.
Ich wünsche dir von Herzen, dass du auch einen Weg für dich findest alles zu verarbeiten. Fühl dich gedrückt!