Noch ein Versuch!!!
Hey Jenny,
diese Sache damit eine Ausrede zu finden, um nicht den Weg zum "Psychiater" machen zu müssen, kenne ich auch irgendwie. Mein Hausarzt hat mir damals öfters gesagt, dass es ganz normal und nicht schlimm wäre, wenn man sich solche Hilfe suchen würde. Ich habe zuerst immer gedacht: Sowas brauche ich doch nicht! Nur nach so einer gewissen Zeit habe ich festgestellt, dass ich überhaupt nicht mehr lachen kann. Ich habe mich auch ganz oft dabei ertappt, wie ich am seufzen war. Weil mein Gedanken einfach ständig abdrifteten und ich häufig z. B. auch der Arbeit garnicht bei der Sache war. Darum habe ich mir nach 1,5 MOnaten gesagt: Entweder das wird jetzt bald besser, oder du suchst dir wirklich Hilfe. Ich bin dann eine Woche später mit meinem Freund nach Frankreich für ein Kurzwochenende gefahren. Die haben da von der freiwilligen Feuerwehr, wo er drin ist, so eine Partnerstadt. Ich wollte da erst garnicht mit hin und habe mich eigenltich recht kurzfristig dazu überreden lassen. Und nach diesem Wochenende ging es mir auf einmal viel besser. Die ganzen Menschen um einen drumherum haben gefeiert und einem zum Lachen gebracht. Da habe ich das erste Mal wieder gemerkt, dass es bergauf geht. Als wenn man aus diesem Loch der Trauer rausgerissen wird und einem gesagt wird: Mach dein Leben nicht auch noch kaputt! Lebe!
Natürlich war ich noch von dem Moment an "geheilt". Es gab noch sehr viele Abende, wo ich an all die schrecklichen Dinge der vergangenen Monate gedacht habe. Aber es war einfach so, dass ich mein eigenes Leben auch langsam wieder in den Griff bekommen und aufgebaut habe. Der Tod meiner Ma ist ja nun auch 2,5 Jahre her. Und ich würde sagen, dass ich insgesamt 2 Jahre dafür gebraucht habe, um wieder ganz gut klarzukommen. Ich weine zwar manchmal immer noch. Aber ich versuche mittlerweile meinen Kummer auch durch reden zu bewältigen. Und nicht alles nur stumm in mich hineinzufressen. Und ich merke manchmal, wie es mir hilft darüber zu reden. Als wenn man so einen kleinen Teil seiner schrecklichen Erfahrungen und seiner Trauer von sich abwerfen kann. Aber ich muß zugeben, dass es für mich auch sehr schwer ist, mich zu öffnen. Ich merke selbst auch in den meisten Fällen, dass ich sofort anfange abzublocken, wenn ich unvorbereitet zu meiner Ma oder meinen Gefühlen was gefragt werde. Nur wenn es mir schlecht geht und ich von mir aus zu jemanden hin gehe zum Reden, funktioniert es ein Stückchen davon loszuwerden und auch von meinen Gefühlen preiszugeben.
Wie ist es denn, wenn du mit deiner Freundin darüber sprichst? Da sie ihre Ma ja auch verloren hat, müßte sie deine Gefühle doch auch gut nachvollziehen können. Hat sie mal erzählt wie lange sie dafür gebraucht hat mit dem Verlust klarzukommen?
Ich finde es im Alltag immer am schrecklichsten, wie rücksichtlos manche Menschen sind. Wahrscheinlich auch aus dem Grund, weil sie keine Erfahrungen mit sowas gemacht haben und nicht wissen, wie lange man danach noch trauert. Ich arbeite als Bankkauffrau und muß die Erbfälle bearbeiten. Und meine Kolleginnen haben so nach einem halben Jahr noch dem Tod meiner Ma ständig irgendwelche Sprüche abgelassen. So von wegen "Gott, was sind das wieder viele Tote! Das liegt an dem heoíen Wetter, dass können die nicht ab!" Und so nen Spruch zu hören finde ich echt den Hammer! Das ist sau verletzend, wenn man seine Mutter gerade erst verloren hat!
Wie lange wußtet ihr denn von der Diagnose Krebs, bevor deine Mutter gestorben ist? Wir haben es kurz vor Weihnachten erfahren. Der Kampf gegen die Krankheit ging also über gute 3 Monate. Ich war immer der Meinung, dass alles wieder gut wird und dass wir das zusammen schon schaffen. Leider wurde ich eines besseren belehrt! Und ich hatte zum Schluß auch keine Kraft mehr. Man kann einfach irgendwann nicht mehr, wenn man immer nur versucht jemanden aufzubauen, der selber nicht mehr an ein gutes Ende glaubt. Irgendwann so 1 Woche bevor sie starb, bin ich abends von der Arbeit nach Hause gekommen und habe ihr ins Gesicht geschaut. Und der Blick den sie mir erwiderte zeigte mir nur eine unheimliche Leere, die ihn ihr war. Und dass sie wußte, dass es bald vorbei sein wird. Diesen Blick werde ich nie wieder vergessen können...
Ich hoffe du erzählst mir noch etwas mehr über deine Gefühle....
Liebe Grüße,
Treasel