Das trunkene Lied
zählt auch zu meinen lieblingsgedichten, aber es gibts noch viele, viele andere ... :)
ecce homo
ja, ich weiss, woher ich stamme:
ungesättigt gleich der flamme
glühe und verzehr ich mich
licht wird alles, was ich fasse
kohle alles, was ich lasse
- flamme bin ich sicherlich.
- f. nietzsche
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Die Birke
Eines Dichters Traumgerank
mag sich feiner nicht verzweigen,
leichter nicht dem Winde neigen,
edler nicht ins Blaue steigen.
Zärtlich, jung und überschlank
lässest du die lichten, langen
Zweige mit verhaltnem Bangen
jedem Hauche regbar hangen.
Also wiegend leis und schwank
willst du mir mit deinen feinen
Schauern einer zärtlich reinen
Jungendliebe Gleichnis scheinen.
- hermann hesse
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Nur zwei Dinge
Durch so viel Form geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?
Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
- ob Sinn, ob Sucht, ob Sage -
dein fernbestimmtes: Du mußt.
Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.
- gottfried benn
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Ich habe dich so lieb
Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.
Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.
Vorbei - verjährt -
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
Ist leise.
Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.
Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb
Ich habe dich so lieb.
- j. ringelnatz
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Eins und alles
Im Grenzenlosen sich zu finden,
Würd gern der Einzelne verschwinden.
Da löst sich aller Überdruss;
Statt heissem Wünschen, wildem Wollen,
Statt läst'gem Fordern, strengem Sollen,
Sich aufzugeben ist Genuss.
Weltseele, komm, uns zu durchdringen!
Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen
Wird unsrer Kräfte Hochberuf.
Teilnehmend führen gute Geister
Gelinde leitend, höchste Meister,
Zu dem, der alles schafft und schuf.
Und umzuschaffen das Geschaffne
Damit sich's nicht zum Starren waffne,
Wirkt ewiges lebendiges Tun.
Und was nicht war, nun will es werden,
Zu reinen Sonnen, farbigen Erden,
In keinem Falle darf es ruhn.
Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln;
Nur scheinbar steht's Momente still.
Das Ewige regt sich fort in allem:
Denn alles muss in Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.
- goethe
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So tief und weich, als ob es Gräber wären,
Laß unsre duftumhüllten Lager sein,
Und ringsum Blumen, die in schönren Sphären
Für uns erblüht in einem fremden Hain.
Laß unser letztes Glühen und Begehren
Gleich düsterroten Fackeln lodern drein,
Zwiefache Flammen, die sich spiegelnd mehren
In unsrer Doppelseele Widerschein.
Der Abend brennt in rosig-blauem Flimmer,
Ein letztes Glühen noch, dann schweigt für immer
Der lange Seufzer, schwer von Abschiedsqual.
Und lächelnd tritt ein Engel in das Zimmer
Und weckt zu neuem Leben, neuem Schimmer
Erloschne Spiegel, toter Kerzen Strahl.
- charles baudelaire - les fleurs du mal - der tod der liebenden
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eine nacht in ewigkeit
Nicht nur ein Wort
Erhellt die Nacht
Unsere Herzen strahlen
In tiefster Sehnsucht
Und unsere Seelen
Fallen diesem Glanz
Abgeschieden blende mich
Verführe mich - durchflute mich
Du strömend Licht
Erhellst du mich?
Aus der Stille - aus dem Nichts
Eingetaucht in mich
Erhalte mich in dieser Nacht...
Hat auch der Knebel der Vernunft
Mich nicht bewahrt
Verschlungen trinken nun
Verschmolzen wir zu bluten
Opfer sind wir Täter und
Erstürmen unserer Nähe Sucht
Durch Fleisch und Raum
Durch Zeit und Lust
Durch Schweiss und Sucht
Durch mich in dich
Verführe mich - durchflute mich
Durchströme mich
Erhelle mich!
Aus der Stille - aus dem Nichts
Eingetaucht in dich
Erhalte mich - in dieser Nacht...
Und wenn ich dich berühre
Deinen Körper bis in jede Zelle spüre
Und wenn ich dich umgarne
Deine Blösse um die
Meine feucht ich fühle
Und wenn wir uns verlieren
Nur gemeinsam und für immer diese
Nacht einander schenken
Und wenn die Schatten fallen
Zwischen deine Lippen ich den letzten
Kuss ganz tief versenke
Eine Nacht in Ewigkeit
So sind wir für immer vereint
Und Schönheit wiegt uns
Schliesslich in den Schlaf...
- lacrimosa
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Es gibt ein Leben, dessen Faden
Ganz eng verflochten ist dem meinen.
Will das Schicksal ihnen schaden,
So trennt es beide oder keinen.
Es gibt den Leib,
in den mein Blick Sich mit Entzücken oft versenkt;
Bei Tag erfüllt er mich mit Glück,
Und nachts der Traum ihn wiederschenkt.
Es gibt die Stimme, deren Klang
Besänftigt meinen wilden Sinn.
Hör ich der Seraphim Gesang,
Mischt diese Stimme sich in ihn.
Es gibt das Antlitz, dessen Rot
Entflammt wird durch der Liebe Licht
Und das erbleicht, wenn Abschied droht,
Und dann noch mehr von Liebe spricht.
Es gibt die Lippe, die mich küsst,
Doch keinen andern je vorher.
Ich schwor, dass sie mein eigen ist,
Und küsse sie drum mehr und mehr.
Es gibt die Brust, die meiner Qual
So oft ein sanftes Kissen scheint,
Den Mund, der lächelt mir zumal,
Das Aug, das weint, wenn meines weint.
Es gibt zwei Herzen, deren Regung
Möchte immer nur in eins verfließen,
So dass im Einklang der Bewegung
Sie schlagen oder sterben müssen.
Es gibt zwei Seelen, welche immer
Vereint sind, wie ein Strom verrinnt;
Und trennte man sie... trennen? nimmer!
Es trennt sie nichts, denn eins sie sind.
- lord byron
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Ich hab dich zum König ernannt
Ich hab dich zum König ernannt.
Größere gibt es, größer als du.
Reinere gibt es, reiner als du.
Schönere gibt es, schöner als du.
Doch du bist der König.
Wenn du durch die Straßen gehst,
erkennt dich keiner.
Niemand sieht deine Krone aus Kristall,
niemand schaut
den Teppich aus rotem Gold,
den jeder Schritt von dir betritt,
den Teppich, der gar nicht da ist.
Und wenn du erscheinst,
rauschen alle Flüsse
in meinem Körper auf, rütteln
die Glocken am Himmel,
und ein Hymnus erfüllt die Welt.
Nur du und ich,
nur du und ich,
nur du und ich,
mein Lieber,
hören ihn tönen.
- pablo neruda (original in der weibl. form königin)
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das sollte erstmal reichen...
liebe grüsse,
cosmic.