nadya_12038013Hallo Finki1 !
Als erstes moechte ich mich ganz, ganz herzlich fuer Deine Antwort bedanken! Ich habe mich sehr gefreut, als ich sah, dass jemand geschrieben hat!
Was ich sehr bemerkenswert fande, ist, dass sich unsere Geschichten in mehr als einer Sicht aehneln. Der Bruder meines Freundes hatte in seiner Kindheit Knochenkrebs im Bein und hat u.a. ein knappes Jahr im Krankenhaus verbracht. Er war damals 11 Jahre alt. Er hat alles gut mit seiner Staerke und liebevoller Unterstuetzung der Familie ueberstanden und ich vermute, darin liegt der Unterschied der Erziehung. Mein Freund ist sehr aufmerksam, sensibel und hilfsbereit, schliesslich hat ihn die Krankheit seines Bruders damals auch sehr gepraegt (er war zu der Zeit 13). Sein Bruder konnte nicht mehr koerperlich aktiv sein, gerade in dem Alter ist das natuerlich sehr schlimm, kein Fussball spielen, Fahrrad fahren etc. Mein Freund musste natuerlich auf die Kondition seines Bruders Ruecksicht nehmen und ich vermute, vondaher kommt der starke Persoenlichkeitsunterschied. Sein Bruder hatte die konstante Aufmerksamkeit und Fuersorge der gesamten Familie, was natuerlich zu der Zeit richtig und wichtig war, schliesslich war es eine lebenskritische Situation. Wie auch immer, zwanzig Jahre spaeter, und er ist verwoehnt, arrogant, egoistisch und auesserst selbstsicher. Z.B. das erste Mal, als er uns vor drei Jahren fuer ein Wochenende besuchen kam und ich ihn somit zum ersten Mal kennenlernte, kam er sechs Stunden zu spaet ohne sich die winzige Muehe zu machen, mal kurz durchzurufen. Er denkt nur an sich, ihm faellt es ueberhaupt nicht ein, dass andere auf ihn warten, ihren wertvollen Samstag damit verbringen, das Haus nicht zu verlassen, schliesslich erwartet man ihn jede Minute! Es kam keine Entschuldigung. Ein Beweis, wie viel es ihm wert war die Freundin seines eigenen Bruders zum ersten Mal kennenzulernen und "zu beeindrucken".
Was mich an mir selbst stoert und was ich mich frage, ist, warum ich nur bloss soviele Gedanken und Energien damit verschwende, mich ueber diesen Menschen so aufzuregen? Warum kann ich nicht "loslassen"? Es ist jetzt nicht so, das ich jede Minute an den Bruder denke, wie gesagt, wir sehen uns sehr selten, aber jedes Mal, wenn mein Freund auch nur seinen Namen erwaehnt, bin ich schlecht gelaunt und reagiere allergisch.
Was ich sehr traurig ueber Deine Situation finde, ist, dass durch J.'s egoistischem und undankbarem Verhalten soviel anderes zerstoert wurde. Dein Mann hat ihm eine Chance fuers Leben gegeben - gerade in der heutigen Zeit ist es sehr schwierig einen guten Job zu finden - und wurde zum Dank um eine hohe Geldsumme betrogen. Nicht nur hat J. seinen eigenen Bruder zu tiefst verletzt, noch dazu ist er der Ausloeser einer traurigen Kettenreaktion: Schwiegereltern sind unverstaendlicherweise auf seiner Seite, und somit meiden sie den Kontakt zu ihrem anderen Sohn, Dir und leider auch den Enkelkindern. Schade, dass J. nicht wenigstens ein schlechtes Gewissen bezuegl. der "Familientrennung" zeigt und zumindest seinen Eltern beauftragt neutral zu bleiben, denn dies ist Dir, Deinem Mann und den Enkeln(!) gegenueber doch nun sehr unfair. Dein Mann hat sich mit dieser Situation abgefunden, ich kann Dich aber sehr gut verstehen, dass es Dir besonders zu den Festtagen noch weh tut.
Schade auch, dass Deine Schwiegereltern nicht sehen, dass J. mehr geholfen waere, haerter mit ihm umzugehen. Ihn zu beschuetzen und Euch den Schwarzen Peter zu geben, unterstuetzt doch nur seine Misstat und sein allgemeines Verhalten! Verstehe mich bitte nicht falsch, ein Bein zu verlieren muss unvorstellbar tragisch und traurig sein, aber so hart es klingt, das Leben geht weiter und ich denke, man kann auch ein wunderschoenes Leben ohne Bein haben. Klar, ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie einfach es waere nach solch einem heftigen Unfall in eine tiefe Depression zu rutschen, aber mit viel Positivitaet, Staerke und Ehrgeiz schafft man fast alles und kann sich mit Sicherheit ein gutes Leben kreieren. Oder etwa nicht?
Ich wuensche Dir auch viel innere Staerke und Kraft! Halte durch!