Hallo!
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen sollIch bin 24 Jahre alt und Studentin. Wie wahrscheinlich schon so viele Frauen vor mir, dachte ich eigentlich immer, ich sei heterosexuell. Ich war vor etwa drei Jahren sehr in einen Mann verliebt, der mich dann aber sehr enttäuscht hat. Ich hatte lange Liebeskummer wegen ihm. Noch während der Zeit des Liebeskummers kam ich das erste Mal ins Grübeln, was meine sexuelle Orientierung betrifft. Meine Schwester zeigte mir eine Folge von The L word. Da merkte ich das erste Mal, dass es mich erregt, Frauen beim Sex zu sehen. Zunächst machte ich mir noch nicht allzu viele Gedanken darüber, da es mich auch anmacht, heterosexuellen Sex zu sehen. Allerdings ist mir in den letzten Monaten aufgefallen, dass ich immer häufiger auch Frauen auf der Straße hinterher sehe und seit etwa einem Jahr glaube ich auch, in eine Frau verliebt zu sein. Sie ist eine Kommilitonin von mir und wir pflegen eine lockere Bekanntschaft. Da sie in der Uni viel zu tun hat, sehen wir uns nur sehr selten. Im Grunde genommen kenne ich sie also nicht besonders gut. Aber immer wenn ich sie treffe, werde ich immer nervös und frage mich, wie es wohl wäre, sie zu küssen. Auch sonst muss ich ständig an sie denken und habe sogar sexuelle Phantasien von ihr. Allerdings bin ich ziemlich sicher, dass sie heterosexuell ist. Ich traue mich nicht, ihr von meinen Gefühlen zu erzählen, da ich sie ja wie gesagt kaum kenne und von daher auch nicht einschätzen kann, wie sie wohl reagieren würde. Außerdem sehen wir uns ja kaum noch. Dennoch bekomme ich sie kaum noch aus meinem Kopf. Bei unserem letzten Treffen vor zwei Tagen war ich gar nicht so nervös und fühlte mich ziemlich unbefangen in ihrer Gegenwart, was mich jetzt irgendwie noch mehr irritiert hat. Vielleicht lag es auch daran, dass noch zwei andere Freundinnen von ihr dabei waren?
Ab und zu schaue ich mir auch noch Männer an und finde sie attraktiv, aber so richtig verliebt habe ich mich schon seit drei Jahren in keinen mehr, allenfalls mal geschwärmt, und das hatte sich dann immer wieder schnell erledigt, sobald ich erfuhr, dass der Typ bereits eine Freundin hat.
Nun ging es mir gerade die letzten Monate zunehmend schlechter, da ich ständig am grübeln bin und einfach nicht für mich akzeptieren kann, dass ich offensichtlich auf Frauen stehe. Bisher habe ich nur mit meiner Mutter darüber geredet, und dass auch nur, weil sie bei meinem letzten Besuch sah, wie schlecht es mir geht und ziemlich genau nach gehakt hat. Sie hat erstaunlich positiv reagiert. Sie meinte, wenn ich wirklich lesbisch sei, dann wäre es halt so und sie würde sich schon irgendwie daran gewöhnen. Allerdings glaubt sie nicht, dass ich lesbisch bin. Sie meint, ich müsste nur den richtigen Mann finden und das Problem sei gelöst.
Aber genau da liegt ja der Haken. Ich weiß einfach nicht, ob eher ein männlicher oder ein weiblicher Partner das Richtige für mich wäre. Ich hatte noch nie eine Beziehung. Den Mann, wegen dem ich vor drei Jahren so Liebeskummer hatte, habe ich nur zweimal in meinem Leben gesehen. Diese zwei Begegnungen habe ich aber als sehr intensiv wahr genommen. Wir hatten uns sehr viel geküsst und es war sehr schön. Nur der Sex, den wir bei der zweiten Begegnung hatten, war enttäuschend, aber vielleicht war das ja auch deshalb, weil es mein erstes Mal war und er ziemlich leidenschaftslos war? Was mich momentan auch besonders quält, ist die Frage, ob ich mir damals nur eingebildet habe, in ihn verliebt zu sein, mir etwas vor gemacht habe, weil ich unbedingt eine Beziehung wollte. Und vor allem: Würde ich mich heute noch einmal in ihn verlieben?
Ich weiß es einfach nicht. Seither konnte ich mich nicht mehr in einen Mann verlieben, was mich traurig macht. Stattdessen denke ich ständig an diese Frau, bei der ich ja eh auch keine Chancen habe.
Insgesamt ist der Gedanke, lesbisch zu sein, bei mir mit sehr vielen Ängsten verbunden. Der härteste Kampf wäre erstmal, es für mich selbst zu akzeptieren. Ich habe schon seit einem Jahr das Gefühl, auf der Stelle zu treten und ich komme einfach nicht vorwärts. Es ist die Angst, zu den Gefühlen zu stehen, die ich offenbar für diese Frau habe und die ich nicht so richtig einordnen kann. Hinzu kommt, dass ich befürchte, dass ich mich ab jetzt nur noch in Frauen verliebe, womöglich in heterosexuelle Frauen, bei denen ich nie eine Chance hätte. In Lesben-Bars traue ich mich nicht, allein zu gehen. Ich befürchte, dort nur männlich aussehende Lesben zu treffen, die mich (ist nicht böse gemeint) offen gesagt eher abschrecken.
Mein Leben lang war ich nur unglücklich verliebt. Schon bei Männern war es problematisch, jemanden kennen zu lernen, der Single war und Interesse an mir hatte und der mir auch gefiel. Das ist wie gesagt seit drei Jahren nicht mehr passiert. Bei Frauen befürchte ich nun, dass mir das gleiche Schicksal blüht, zumal ich ja immer davon ausgehen muss, dass die Frauen, die ich im Alltag kennen lerne, hetero sind. Ich habe Angst davor, immer allein bleiben zu müssen, wegen meiner Neigung und meiner zurückhaltenden Art. Auch was Sex betrifft, wäre ich erst mal unglaublich gehemmt. Ich glaube, ich hätte sogar ziemliche Schuldgefühle, wenn mir der Sex mit einer Frau gefallen würde und ich dann auch noch feststellen müsste, dass ich nur noch Sex mit Frauen will. Und natürlich hätte ich große Angst davor, mich zu outen. Was, wenn all die Leute, die mir wichtig sind, sich dann deshalb von mir abwenden? Wie soll ich allgemein mit dem Thema umgehen, wenn ich Leute neu kennen lerne? Immer wieder müsste ich neu abwägen, ob ich mich oute oder nicht und wie ich mit möglichen negativen Reaktionen umgehe. Ich muss dazu sagen, dass ich nur wenig Selbstbewusstsein habe und ein eher ängstlicher Typ bin, der auch nicht so leicht neue Bekanntschaften schließt, was das Ganze doppelt schwer macht.
Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, wie ich endgültig heraus bekommen kann, wer ich bin. Falls ich wirklich lesbisch bin, weiß ich nicht, wie ich lernen kann damit umzugehen und vor allem selbstbewusst damit umzugehen. Mit 24 noch Single zu sein und noch nie ne Beziehung gehabt zu haben macht einen ja schon zu einem Außenseiter. Aber wie wird es sein, wenn ich noch dazu lesbisch bin?
Gerade in letzter Zeit werde ich ständig von Männern angesprochen, was mir irgendwie unangenehm ist, da ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Heute beispielsweise war ich mit einem Kommilitonen von mir essen. Und so wie es aussieht, macht er sich jetzt bereits Hoffnungen, denn er wollte meine Nummer, er will mit mir tanzen gehen und er suchte immer wieder den Körperkontakt. Ich weiß jetzt einfach nicht was ich tun soll. Ich finde ihn nett, auch nicht unattraktiv, aber ich habe Angst, bin wahnsinnig gehemmt. Mein Verstand sagt mir, dass es sowieso nicht geht, da ich bald wegziehe und mich auf mein Studium konzentrieren muss, gerade jetzt, wo ich bald meinen Abschluss mache. Und dass es nicht fair wäre, ihm Hoffnungen zu machen, wo ich doch nicht mal weiß, ob ich wirklich auf Männer stehe. Was mein Herz mir sagt, da kann ich mir überhaupt keinen Reim darauf machen. Ich weiß, dass ich eine Beziehung will, dass ich morgens neben dem richtigen Menschen aufwachen will, mit dem richtigen Gefühl, mit dem Gefühl, dass alles ok ist, so wie es ist. Aber das erscheint mir momentan unmöglich. Die Angst, mich auf jemanden einzulassen, ist überwältigend, da ich ja auch niemanden verletzen will. Wie kann ich nur rausfinden, wer ich bin und was ich will, ohne jemandem weh zu tun? Kann es denn richtig sein, für den Rest meines Lebens alle Menschen auf Abstand zu halten, solange ich nicht sicher bin, was ich will? Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Gerade heute fällt es mir wieder besonders schwer, mich auf mein Studium zu konzentrieren, und dass, wo ich so viel zu tun habe :cry:
Ich weiß, ich sehe wahrscheinlich alles viel zu negativ, aber ich musste an dieser Stelle einfach mal meine Sorgen los werden. Natürlich weiß ich, dass mir niemand sagen kann, ob ich lesbisch bin oder nicht, dass ich es selbst heraus bekommen muss. Mir ging es in erster Linie darum, mein Problem zu schildern, was mir hoffentlich halbwegs verständlich gelungen ist.
Tut mir Leid, dass mein Beitrag so lang geworden ist. Ich hoffe, dass er trotzdem gelesen wird.
Über Antworten würde ich mich sehr freuen, sofern sie denn erst gemeint sind. Vielen Dank schon mal im Voraus!