Hallo zusammen,
ich bin Silke, die Mutter einer 15jährigen, beinamputierten Tochter die mir seit einem Jahr immer größere Sorgen macht. Nicht die Beinamputation ist das Problem sondern das sie sich seit einem Jahr völlig verändert hat und seltsame, unerklärliche Dinge tut. Aber dazu muss ich euch zunächst einige Situationen beschreiben damit ihr die Hintergründe kennt und den Zusammenhang nachvollziehen könnt.
Katharina hatte mit 12 Jahren beim Spielen auf unserem Bauernhof einen schlimmen Unfall bei dem ihr rechtes Bein zerquetscht und mehrfach gebrochen wurde. Der rechte Fuß war eingeklemmt und musste noch an der Unfallstelle samt Gummistiefel in der Mitte des Unterschenkels vom Bein abgesägt werden. Im Krankenhaus wurde der Unterschenkel dann 12 cm unter dem Knie nachamputiert und zu einem kleinen Wadenstumpf zusammengenäht. Wegen der zusätzlichen Beinbrüche musste das amputierte Bein operiert und danach bis hoch zum Po eingegipst werden. Sechs Wochen musste Katharina so im Krankenhaus verbringen bevor sie dann in die Reha kam. Im Krankenhaus hatte sie gelernt als Einbeinige auf einem Bein zu hüpfen und an Krücken zu gehen. Als der Gips abkam wurde sie in die Reha überwiesen. Doch wegen der komplizierten und schmerzhaften Brüche konnte sie nicht wie geplant prothetisch versorgt werden. Sie bekam zunächst eine provisorische Prothese, ein sogenanntes Stelzbein, mit dem sie unter Schmerzen die ersten Schritte machte. Nach weiteren sechs Wochen wurde ihr dann eine moderne Unterschenkel-Kurzprothese angepasst mit der sie aber nicht zurecht kam. Erst als ihr eine Oberschenkelhalterung an die Prothese befestigt wurde konnte sie damit einigermaßen laufen. Weitere drei Wochen später wurde sie dann aus der Reha entlassen und konnte wieder in die Schule gehen. Trotz Schmerzen beim Gehen wollte sie aber unbedingt jeden Tag mit der Prothese gehen. Sie schämte sich nämlich außer Hause an Krücken gehen zu müssen und nahm die Schmerzen dafür in Kauf. So ging das 2 Jahre recht gut und sie gewöhnte sich immer besser an das Laufen mit einer Prothese. Ab und zu zog sie sogar mal ein Kleid oder einen Rock an. Trotzdem war sie stets bemüht das man ihr die Gehbehinderung soweit wie möglich nicht ansah.
Aber vor ca. einem Jahr kam sie morgens plötzlich ohne Prothese an Krücken in die Küche gehumpelt. Sie hatte wie so oft einen Pulli an, eine Jeans und ihre Jacke drüber. Alles wie immer, nur das heute das rechte Hosenbein unter dem Knie leer herunter baumelte. Wir schauten uns alle an und fragten ob sie heute keine Schule hätte. Aber sie nickte nur, ging in der Flur, zog ihren linken Turnschuh an und verließ mit einem Rucksack das Haus Richtung Bushaltestelle. Bis hierhin noch alles im grünen Bereich. Es kam schon mal vor das Katharina eine Prothesenpause machen musste, diese legte ihr Orthopäde aber nach Möglichkeit in die Zeit der Schulferien. Als sie aber am nächsten Tag wieder an Krücken in die Küche gehumpelt kam sprach ich sie direkt darauf an. Sie meinte aber nur lapidar das sie Schmerzen im Knie hätte und ihre Prothese nicht benutzen könne. Was sollte ich da sagen, wenn sie Schmerzen im Knie oder im Stumpf hatte musste ich ihr das glauben. Meine Bitte das sie den Arzt nachschauen lassen solle winkte sie nur ab. Zunächst dachte ich so was gibt sich bald wieder, aber es wurde jeden Tag schlimmer. War sie anfangs noch mit einer langen Hose unterwegs gewesen, trug sie jetzt plötzlich Kleider und Röcke. Anfangs trug sie Baumwollstrumpfhosen oder Kniestrümpfe dazu und ließ das rechte, überwiegend leere Strumpfbein lose unter dem kurzen Beinstumpf baumeln. Dann wurden die Kleider und Röcke immer kürzer und anstatt Kniestrümpfe trug sie Nylonstrumpfhosen oder Nylon-Einzelstrümpfe. Auch hier ließ sie das rechte leere Strumpfbein einfach lose herunter baumeln. Dazu trug sie nun am linken Bein immer einen kniehohen Stiefel. Meist einen schwarzen Lederstiefel mit Absatz, ab und zu aber auch mal einen roten Lackstiefel zum Schnüren. Mehrfach gut gemeinte Ratschläge das leere Strumpfbein hochzubinden oder sauber zu verkürzen lehnte sie schroff ab.
Drei Wochen schaute ich mir dieses Treiben nun an bevor ich mit dem Hausarzt und dem Orthopäden ein Gespräch führte. Beide Ärzte vertrösteten mich auf die pubertäre Entwicklung und wegen den angeblichen Schmerzen konnte man die Prothesenpause nachvollziehen. Selbst ein Gespräch bei einem Psychologen verlief in die Richtung die traumatische Erfahrung der Notamputation würde jetzt nochmal durchlebt werden.
Sicherlich ist die Pubertät der Hauptgrund für ihre Wesensveränderung, aber ich kann trotzdem einige Dinge nicht mehr nachvollziehen. Normale Gespräche innerhalb der Familie mit Vater, Mutter, Schwester haben auch nicht geholfen. Im Gegenteil, ihr Verhalten wird immer provokanter. Letztens ging sie mit einem Minirock, einer Netzstrumpfhose und einem Overkneestiefel aus dem Haus. Ich habe Angst um meine Tochter, Angst das sie in irgendwelche Fänge im Internet geraten ist, Angst das sie irgend einem Mann hörig ist, Angst sie zu verlieren.
Daher meine große Bitte mir zu helfen. Wenn irgend jemand hier ähnliche Erfahrungen mit seiner Tochter oder ggf. auch mit einer amputierten Person gemacht hat, so bitte ich um Tipps und Erfahrungsaustausch.
Vielen herzlichen Dank im Voraus. Eure Silke