Ende letzten Jahres kündigt Harald Schmidt sein Ende in der nach ihm benannten allabendlichen Late-Night-Show an. Viele Zuseher reagierten damals bestürzter und emotionaler als am 11. September 2001. Sat. 1 hingegen versprach, dass mittelfristig der Sendeplatz einer weiteren Sendung im bewährten Late-night-Stil vorbehalten sei. Am 17. Mai war es dann soweit: Anke Engelke trat Schmidts Erbe an. Seitdem sind drei Aufzeichnungen über den Äther. Zeit für uns, mal ein erstes Resümee zu ziehen.
Als Harald Schmidt kurz vor Weihnachten 2003 seine kreative Pause ankündigte, saß das deutsche Volk Zuhause wie gelähmt in ihren Kunstledersesseln vor den Flimmerkisten. Einige hielten es für einen typischen Schmidt-Gag, doch die Ernüchterung folgte schon am nächsten Tag per Gazetten. Viele Männer verfielen zum ersten Mal in ihrem Leben in hysterische Weinkrämpfe und die Frauen warfen reihenweise ihre Lexika weg, die sie bis dato brauchten, um die intellektuellen Anspielungen von Herrn Schmidt zu verstehen.
Es folgten noch ein bis zehn Best of-Sendungen und dann war wirklich Schluss. Schmidt, Antrack, Zerlett und Co sagten tschö.
Was kann man sonst noch zwischen 23.15 und 0.15 Uhr tun, fragten sich nun viele Gewohnheitsmenschen. Umschalten? Meditation? Oder Sex mit dem Ehepartner? Ganz gleich, schon die Vorstellung alleine an eines dieser Dinge ist grauenvoll. Und mit was sollte man zukünftig ein seichte Unterhaltung in lockerer Runde beginnen, wenn Sätze wie zum Beispiel Haste gestern Schmidt gesehen.? nicht mehr anwendbar sind? Wie soll sich ein Vollblut-Sexist rhetorisch nur fortbilden und ein Hobby-Zyniker sein Horizont erweitern? Für zigtausend Menschen gab es nur eine Lösung: Suizid.
Im März ist schließlich die Bombe geplatzt: Anke Engelke soll Schmidts Nachfolgerin werden. Seit dieser Zeit liefen 48 Hinweis-Trailer zur neuen Anke Late Night Show pro Tag auf dem Kuschelsender. Frau Engelke erfüllte alle Intendanten-Wünsche: sie ist bereits der breiten Masse bekannt, hatte bisher gute Einschaltquoten, ist schlagfertig, verwandlungsfähig und ist sich für kein Witz zu schade. Klingt eigentlich alles gut. Eigentlich. Denn ihr einziges Manko ist, dass sie bisher nur im grobhumorischen Comedy tätig war. Und nun soll sie Dirty Harry ersetzen? Kann das gut gehen? Die Zuseher waren skeptisch, aber fair und gaben ihr pro Sendung 10 Minuten, bevor sie dann gelangweilt umgeschaltet haben oder gleich vor dem Fernseher eingeschlafen sind.
Das Studio in Köln-Mühlheim, wo die Sendung täglich frühabendlich aufgezeichnet wird, scheint größer zu sein als früher oder ist es eine optische Täuschung und liegt daran, dass Anke Engelke nicht viel größer ist als eine Verkehrspylone? Der mittlerweile obligatorische Schreibtisch, der fernsehweit in keiner Sendung mehr fehlen darf, wurde re-designt und der einstige Gästesessel musste einer weißen Lümmel-Couch weichen. Der Hintergrund hat sich zwar auch verändert, blieb aber dem Grundstil treu. Links auf der Bühne, vom Publikum aus gesehen, ist wieder eine Band platziert, die sich zwar nicht mit Helmut Zerlett messen kann, aber auch nicht schlecht klingt. Und da kommt Anke ins Studio, fuchtelt bei der Begrüßung etwas wild mit den Armen um sich, wie ein Epileptiker, der um etwas Hilfe bei seiner sexuellen Befriedigung bettelt, und verzieht in gewohnter Praxis ihr Gesicht zu abenteuerlichen Fratzen, während sie bestrebt ist, routiniert von der Tafel ihre Gags zum aktuellen Tagesgeschehen runterzuleiern. Dabei zünden die Gags wie eine Unterwasserübungsgranate im Dorftümpel bei Bohlsbach. Doch eine lacht immer: sie selbst. Quasi als Animationstussi, die dem verwöhnten Zuseher damit zeigt, wo ein Witz hätte sein sollen, und das selbst in Situationen, in denen sie den Wortwitz selbst noch durch falsches Aufsagen vergeigte. Doch dann versucht sie mit ihrer sonst hochgelobten Spontaneität zu brillieren, aber diese Gag-Versuche sind ebenso flach, wie ihr Vorbau. Jetzt zieht sie alle Register, setzt sich an den Schreibtisch und versucht mit der Schmidtschen Methode, indem sie flink irgendwelche Fototafeln oder Bücher mit neuen Titeln aus dem Off hervorzaubert, das letzte aus den Zuschauer herauszukitzeln die letzte Mahlzeit vielleicht, mehr aber nicht.
Die Einlage, in der es um einen direkten Vergleich zwischen Thomas Gottschalk und dem heiligen Vater der katholischen Kirche ging, war in der Idee super, doch der Präsentation fehlte jeglichen Esprit. Schade eigentlich. In einem anderen Einspieler zeigt sie dafür eindrucksvoll ihre Vorstellung von Unterhaltungsniveau: Sie spricht mit ihren "Autoren" (zwei Stoffpuppen); für unsere jungen Fernsehzuschauer unter 10 Jahren halt, die um halbzwölf nachts noch nicht schlafen können. Hut ab, Frau Engelke.
Witzig, wenn auch die Masche an sich längst kalter Kaffee ist: Das unbedarfte Volk wird auf der Straße von einem Kamerateam zu politischen Dingen befragt; frei nach dem Motto: dumm gefragt, noch dümmer geantwortet. Tja, wenn es Anke halt nicht schafft, dann machen wir uns halt selbst lächerlich.
Bei Ihren Laber-Gästen konnte sie bisher nicht viel falsch machen. Wenn man davon absieht, dass sie den regierenden Oberbürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, dazu nötigte, einen dumpfen Dialog mit zwei Handpuppen zu führen.
Ein raffinierter Schachzug hingegen war es allemal, in der ersten Sendung Sting einzuladen wenigstens ein Highlight!
Bei allem Übel kann man der Anke Engelke nicht vorwerfen, sie würde sich nicht bemühen. Aber das alleine reicht nun mal nicht. Herr Schmidt, bitte übernehmen Sie und Frau Engelke, treten Sie bitte freiwillig ab, bevor sie der Quotensumpf früher oder später dazu zwingen wird. In diesem Sinne: danke, Anke!
In diesem Sinne,
bis neulich,
Grüße
Whisy!