elma_12089377Bitte schön
Das Stück Andorra spielt zu einer nicht näher angegebenen Zeit in einem fiktiven Kleinstaat, der nach dem Willen des Verfassers keinen Bezug zu dem realen Kleinstaat in den Pyrenäen oder irgendeinem anderen konkreten Staat hat.
Das Hauptthema des Buches ist der Antisemitismus und seine Folgen. Diese Handlung wird in zwölf Bildern dargestellt. Die Hauptfigur des Stückes ist ein junger Mann namens Andri, der bei seinem Vater, Dem Lehrer, wohnt. Die meisten Figuren im Stück sind nicht namentlich erwähnt, sondern heißen nur Der Lehrer, Der Wirt, Der Doktor, usw. Der Lehrer hat allen erzählt, er habe seinen jüdischen Pflegesohn Andri vor den Schwarzen gerettet und adoptiert. Nach einiger Zeit erfährt der Leser, dass Andri eben in Wirklichkeit der leibliche Sohn des Lehrers ist, denn in Wirklichkeit ist der Lehrer zu feige zuzugeben, dass er ein uneheliches Kind hat. Die Schwarzen sind feindliche, antisemitische Bewohner eines Nachbarlandes, die drohen in nächster Zeit einzumarschieren, und so glauben alle Bewohner Andorras ohne nachzufragen die Geschichte des Lehrers. Da der Lehrer gerne die Wahrheit ans Tageslicht bringen würde, aber ständig kneift, betrinkt er sich und so erfährt Andri nie von seiner wahren Herkunft.
Am Anfang des Stückes ist Andri heimlich mit Barblin, der Tochter des Hauses verlobt. Die beiden wissen noch nicht, dass sie Geschwister sind. Andri möchte seine Lebensträume verwirklichen. Er startet eine Tischlerlehre, um sein Berufsziel zu erreichen, und will Barblin heiraten, um mit ihr eine Familie zu gründen. Der Tischler ist nicht begeistert von der Idee, einen Juden als Lehrling anzustellen, da er der Meinung ist, dass Juden nur mit Geld arbeiten sollten. Er verlangt eine übertrieben hohe Geldsumme für die Lehre, doch der Lehrer bezahlt diese, und so stellt der Tischler Andri widerwillig ein.
Im Laufe der Geschichte wird es noch zu vielen solchen Beispielen von Vorurteilen (ob positiv oder negativ) der Bevölkerung Andri gegenüber kommen, die Andri immer mehr zermürben. Er wird allmählich zum Außenseiter und zweifelt immer mehr an sich selbst. Eine weitere dieser Situationen stellt der Anschluss an die Szene beim Tischler dar, in dem Andri den Lehrer um die Hand von Barblin bittet. Der Lehrer verneint sofort, ohne den Grund zu verraten, was Andri zu dem Schluss bringt, dass sogar sein Adoptivvater, der immer eine judenfreundliche Einstellung für sich beansprucht hatte, nun zwischen Jude und Andorraner unterscheidet. Er beginnt von nun an auch ihm zu misstrauen und gerät immer tiefer in den Strudel aus Selbstmitleid, Misstrauen gegenüber anderen und seiner aufgezwungenen jüdischen Identität. So beginnt er auch diese typischen Eigenschaften anzunehmen, die man Juden nachsagt. Das bestätigt die anderen Andorraner wiederum in ihrem Glauben. Der Lehrer geht aus Frustration darüber, dass er Andri wieder einmal nicht die Wahrheit sagen konnte, zur Wirtsstube und betrinkt sich. Andri versucht seinen letzten Trost im Pater zu finden und spricht mit ihm. Dieser hat jedoch auch Vorurteile gegenüber Andri, auch wenn sie vorteilhafter Natur sind. Er erklärt ihm, er solle das Beste aus seiner Situation machen und seine jüdischen Talente, wie zum Beispiel den Umgang mit Geld, richtig einsetzen. Andri ist sich nun endgültig sicher über seine Herkunft und Identität und geht voller Ideen nach Hause.
Als er erfährt, dass Der Soldat Barblin vergewaltigt hat, bricht er zusammen, er will selbst von Barblin die Wahrheit nicht hören und bleibt bei der Meinung, Barblin betrüge ihn. Andri fühlt sich als völliger Außenseiter und will Andorra verlassen. Daraufhin entschließt sich der Lehrer endlich dazu, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Er lässt jedoch den Pater die Arbeit erledigen, weil er selbst noch immer zu feige ist. Der Pater redet Andri darauf an und versucht ihm zu erklären, dass er kein Jude ist. Andri will das nicht glauben und beharrt auf seinem Verhalten, dass immer häufiger den Soldaten und andere Dorfbewohner provoziert. Bis jetzt haben die Schwarzen nicht angegriffen, die Andorraner begründen das oberflächlich und voller Patriotismus damit, dass ihr Land ein friedliebendes und schönes sei.
Die Handlung nimmt eine Wendung, als plötzlich eine geheimnisvolle Señora aus dem schwarzen Teil erscheint und beim Wirt ein Zimmer mietet. Der Wirt wird zwar von den anderen scharf kritisiert, verteidigt sich aber mit der Argumentation, dass noch das Gastrecht in Andorra bestehe. Auch für Schwarze. Die geheimnisvolle Señora entpuppt sich schnell als leibliche Mutter Andris, die mit Schrecken feststellen muss, welche weitreichenden Konsequenzen die an sich harmlose Lüge des Lehrers hat. Auch ihr gelingt es nicht Andri zur Vernunft zu bringen. Sie wird daraufhin von einem Unbekannten mit einem Stein erschlagen. Der Wirt beschuldigt Andri der Mörder zu sein, er habe es genau gesehen. Andri war jedoch währenddessen zuhause, seine Familie kann das bezeugen. Dennoch beharrt Der Wirt auf seiner Aussage, die sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und schnell sind alle Einwohner derselben Meinung. Nachdem sie von dem Mord an einer ihrer Landsleute erfahren haben, marschieren Die Schwarzen in Andorra ein. Sie sind der Meinung, nur ein Jude kann der Schuldige sein. Diesen wollen sie auf eigene Faust finden. Es wird eine Judenschau organisiert, in der sich alle Einwohner Andorras auf dem Dorfplatz im Kreis aufstellen müssen. Mit einem Sack über dem Kopf gehen sie im Kreis und der Judenschauer der Schwarzen sitzt in der Mitte und prüft jede der Gestalten. Er soll Juden daran erkennen können, auf welche Weise sie gehen und wie sie riechen. Er hebt die Hand und signalisiert dabei, dass alle stehen bleiben müssen. Er sucht sich willkürlich eine Person aus und behauptet, sie sei der Jude und damit auch der Schuldige. Er nimmt die Kapuze ab und darunter erscheint Andri. Dieser wird sofort verhaftet. Man hat ihn nie wieder gesehen.
Die Bevölkerung Andorras gibt sich unschuldig, schließlich habe niemand etwas dafür können. Der Lehrer gibt sich allein die Schuld und bringt sich um. Barblin wird verrückt und weißelt im letzten Bild den Dorfplatz. Der Pater versucht ihr diese sinnlose Arbeit auszureden aber es gelingt im nicht. Sie wiederholt immer wieder, dass sie es nicht verstehen kann, warum gerade ihr Bruder geholt werden musste.
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III. Persönliche Meinung
Dieses Buch hat meiner Meinung nach vor allem den Grund darzustellen, dass jeder Mensch zuerst Bildnisse von anderen in sich macht, ohne denjenigen zu kennen. Er schiebt ihn durch äußere Merkmale, sei es Kleidung, Haut- oder Haarfarbe, in eine Schublade und erst bei näherem Kennenlernen beginnen sich diese Vorurteile aufzulösen.
Wenn solche allgemeinen Vorurteile gegen bestimmte Volksgruppen oder Religionen gerichtet sind, sei es positiv oder negativ, fällt es den Betroffenen oft sehr schwer das Gegenteil zu beweisen. Meist entwickeln diese wiederum auch Ressentiments, und so ist jede Chance auf ein vorurteilsfreies aufeinander Zugehen vertan, was mit weitreichenden Konsequenzen verbunden ist. Solche Fälle gibt es im Kleinen (am Kinderspielplatz) wie im Großen (Drittes Reich).
Auch wenn dieses Stück zu einer Zeit entstanden ist, wo es einen wichtigen frühen Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit Deutschlands während des zweiten Weltkrieges und davor leisten hätte können, so ist dieses Buch an kein bestimmtes Ereignis angelehnt. Ereignisse dieser Art gibt es auch heute unzählige. Die Charaktere des Stückes repräsentieren auch auf sehr deutliche Art und Weise, welche Rolle die kleinen Leute in solchen Situationen spielen. Dass sie alle gemeinsam eine Katastrophe angerichtet haben, rührt ihr Gewissen eher wenig, für sich selbst fühlen sie sich unschuldig, sie haben ja nur ein klein wenig beigetragen und konnten nichts dafür.
Interessant an der Geschichte fand ich auch, dass der Charakter, der meiner Meinung nach am wenigsten Schuld auf sich geladen hatte, mit den tragischen, nicht vorhersehbaren Kettenreaktionen nicht leben konnte und sich daraufhin selbst richtete.
Das Buch hat mich abgesehen vom Inhalt durch seine sehr leicht verständliche und flüssige Sprache beeindruckt. Die Botschaft des Buches ist sofort angekommen, es hat schon nach einigen Seiten zum Nachdenken angeregt.