durga_11854162Es gibt Dinge, die gibt's nicht...Es gibt Nichts, was es nicht gibt...
Liebe aliablue,
Du hast Recht: die Ursache zu kennen hilft meist nicht wirklich weiter. Es könnte vielleicht ein gewisser Trost sein, andererseits ist es häufig nur Spekulation udn es könnten mehrere und/oder andere Faktoren mit eine Rolle spielen.
Was man in einer Therapie jedoch feststellen kann: welche Grundüberzeugungen (Werte und Einstellungen) unser Handeln bestimmen. Diese Grundüberzeugungen sind uns häufig nicht so bewusst, können aber herausgearbeitet werden. Sie entstehen häufig mit einem guten Grund während der Kindheit/Jugend, machten damals Sinn - als Erwachsener kann es dann damit schwierig werden, wenn dieses Glaubenssystem nicht flexibel ist und ständig auf die selbe (altbewährte) Weise versucht, an sein Ziel zu kommen und die Gegenwart/Realität wird nicht ausreichend berücksichtigt, alternive Strategien werden nicht entwickelt/gelernt. Das Repertoire ist eingeschränkt.
Ich finde es verständlich, dass du gerne in die Zukunft gucken und wissen möchtest: was wäre, wenn er tatsächlich endlich eine Therapie beginnen würde. Wahrscheinlich möchtest du ausrechnen, wie lange du DAS noch aushalten musst?
Ich würde mal sagen, das hängt von so vielen Faktoren ab, dass da keine wirkliche Vorhersage möglich ist. Faktoren wären da z.B.:
- der Therapeut weiß ihn zu nehmen
- der Patient hat genug Leidensdruck und will es reduzieren
- der Patient verspricht sich daneben auch einen echten Gewinn, wenn er etwas an sich ändert
- der Patient spricht vollständig und ehrlich über seine Gefühle, Gedanken etc., damit Therapeut udn Patient ein Verständnis dafür gewinnen, z.B. was denn die auslösenden und aufrechterhaltenden Momente sind, was die Systematik ist (um darauf bezogen Lösungen zu erarbeiten und zu erproben - es gibt eben kein Patentrezept).
--- Das ist normalerweise in einer Therapie machbar. Der letztegenannte Punkt ist dabei eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie. Aber bei notorischen Lügnern ist diese Grundvorraussetzung meist zunächst einmal als Therapieziel zu definieren und es ist unklar, ob der Patient sich auf diesen Weg einlassen wird oder nur so tut als ob.---- Deshalb sage ich, sollte es ein Therapeut sein, der ihn zu nehmen weiss.
Ich möchte gerne aurinia zitieren, die dir dazu geschrieben hat: "Es ist wichtig, dass man diese Leute darauf anspricht. Sie sollen wissen, dass man ihr "Geheimnis" kennt." Besser, man geht auf ihre Geschichten nicht durch Fragen ein, das regt sie nur zu weiteren Konstruktionen an.
Ich sehe die Gefahr, dass dein Freund den Therapeuten genauso benutzen wird, wie sein Umfeld. Er wird ihm Geschichten auftischen, sich interessant machen, Aufmerksamkeit ernten... Und den Therapeuten manipulieren, falsche Tatsachen vorspielen, damit er bekommt, was er sich davon erhofft. Spielt der Therapeut nciht mit, wird er ihn meiden. Wie soll sich der Therapeut verhalten: irgendwie sollte er versuchen den Patienten zu halten, aber mit ihm immer Märchenstunde zu spielen udn auch nach 1001 Nächten, äh - Therapiestunden ist der Patient immer noch unverändert... Das ist kniffelig und wird bestimmt nicht von jedem Therapeuten beherrscht.
Es tut mir leid, wenn ich dir jetzt eine Hoffnung genommen habe (die heißen könnte: mit einer Therapie wird sich das bald und für immer ändern, er muss nur mal damit anfangen). Ich halte es leider für unwahrscheinlich, dass er tatsächlich eine anfängt. Vielleicht tut er es aber doch... Und wenn er eine beginnt, dann sind auch "Rückfälle" möglich, aus denen man lernen kann. Aber dies setzt schon voraus, dass er eine Therapie beginnt mit dem Ziel, weniger zu Lügen und dass er dahingehend erste Fortschritte macht. Wie auch immer: du kannst seine Therapie(-Aufnahme) nicht beeinflussen udn es würde dich nur ermüden...
Ich kenne jemanden, der bildet sich immer etwas ein, wenn ihn ein echtes Problem quält, dem er sich aber nicht gewachsen sieht (Angst vor dem Allein-sein/Arbeitslosigkeit/Zurückweisung ...). Die REalität wird unbequem, also bildet er sich etwas angenehmes/passendes ein, lügt, betrügt... ohne Gewissensbisse, Reue - nur seine Furcht vor unangenehmen Konsequenzen setzen ihm (kleine) Grenzen. Er weiss, dass er sich udn anderen dabei etwas vormacht. Sein Gewinn: er vergisst für eine gewisse Zeit seine Probleme, verschafft sich angenehme bzw. ungefährliche/vertraute Gefühle.
Ich habe eine Idee, aber ich weiss nicht, ob es wirklich auf Deinen Freund zutrifft: vielleicht hat er die Grundüberzeugung, dass sich niemand für ihn interessiert, wenn er nicht etwas Spannendes aufzutischen weiss. Dass er für jeden uninteressant ist so, wie er ist.
Was könnte man dagegen tun, wenn man den Kontakt nicht abbrechen möchte? Gegen seine Erwartung reagieren, seine Überzeugung nicht bestätigen, z.B.:
- vereinbare mit ihm feste Zeiten, an denen deine Aufmerksamkeit nur ihm gehört. Er braucht sich deine Zeit dann nciht merh durch Geschcihten zu organisieren.
- Erzähl ihm von Menschen, die dich durch ihre Schlichtheit und Ruhe beeindrucken (Stille Wasser sind tief), welche Spannung und Schönheit sich für dich bei näherer Betrachtung entsteht. Das er auch etwas von dieser Ausstrahlung hat, wenn er einfach mal nur da ist.
- Lobe ihn, wenn er auch mal leise Töne anschlägt und sich bodenständig gibt
- Ignoriere ihn, wenn er wieder Abenteuergeschichten präsentiert und verspreche ihm deine Aufmerksamkeit, wenn er bereit ist, seine Abenteuergeschichte abzubrechen um mit dir etwas zu unternehmen, was im Gegensatz zu seinen Abenteuergeschichten normal ist unter Freunden (vielleicht gemeinsam Shoppen, Enten füttern, Schwimmen, Kneipenbesuch...)
Gut wäre es, wenn du noch weitere Freunde hast, mit denen du diese Aufgabe teilen könntest. Auch zum gegenseitigen Austausch und Kraft auftanken. Biete ihm an, ihn für eine Sitzung zu einem Therapeuten zu begleiten und deine Sicht des Problems zu schildern - wenn er sich darauf einlässt, dann wäre das ein gutes Zeichen.
Was mich an deinem Beitrag am meisten rührt ist die Tatsache, dass du ihn nicht fallen lassen und ihm helfen möchtest. Es wäre fatal, wenn du dabei so weit gehen würdest, dass du dich für ihn verantwortlich oder zuständig siehst udn am Ende daran zerbrichst.
Pass auf dich auf, alles Beste,
Yaltanien