hylda_12964832Re: AW: Rollenbilder
Hallo Yvonneg,
erstmal danke für Deine Antwort. Sowas sieht man selten hier. Ordentlich formatiert, ganze Sätze und inhaltlich am Thema. Deswegen gebe ich mir mal besondere Mühe.
> Verstanden habe ich, was Du sagen willst. Nur zustimmen kann ich Dir nicht.
Mußt Du auch nicht. Du mußt nur Deine eigene Position vertreten können.
> Das ist ein Unsinn. Männerkleidung ist bzw. kann genau so "sexuell" oder "asexuell"
> sein wie weibliche Kleidung.
Männerkleidung verhüllt die Körperformen, verdeckt die Haut. Alles, was am Körper sexuell empfunden werden könnte, wird bedeckt. Wird es nicht bedeckt, dann wird der Ausdruck Richtung 'sportlich', 'kräftig' oder 'proletarisch-roh' verschoben. Du findest keine Herrenkleidung, die sowohl elegant als auch körperpräsentierend ist. Männerkleidungs einziger Zweck ist es, den Mann als asexuelles Wesen zu repräsentieren. Sexualität ist eine Schwäche, die zwischen Männern nicht geduldet wird (Geschäftswelt), die sich Frauen als vermeintlich schwaches Geschlecht aber erlauben dürfen.
In vielen Diskussionen hat sich herausgeschält, daß es zwischen Männer- und Frauengarderobe exakt zwei Unterschiede gibt, woran man beide auseinanderhalten kann.
Die Garderobe der Frauen kann spielerisch verziert sein. Das findet man bei Männern überhaupt nicht. Desweiteren präsentiert Frauengarderobe mehr vom Körper: Oberteile sind kürzer und enden oftmals direkt am Hosenbund (so manches Herren-T-Shirt konnte ich mir, trotz richtiger Weite, fast über den Hintern ziehen), was bei Männern als 'Shorts' bezeichnet wird, ist bei Frauen immer noch eine 3/4-Hose von der Länge her -- und bei Männern ist es fast schwierig, etwas Kürzeres zu finden. Männersachen sind weit und schlabberig, Körperkonturen werden verdeckt. T-Shirt-Ärmel bedecken fast den ganzen Oberarm, bei Frauen-T-Shirts ist es ein kurzes Ärmelchen.
Wenn schlichte Funktionalität also erotisch, sexuell reizvoll ist, dann müßten sich weitaus mehr Frauen für Technik begeistern können
> Röcke, Kostüme und Kleider sind nicht mehr oder
> weniger "sexuell" als elegante, attraktive Herrenkleidung. Wer auf wen welche
> Wirkung ausübt, ist nicht so monokausal, wie Du es darstellst. Deine
> Kategorisierung beruht auf Vorurteilen, alles nur durch die "sexuelle" Brille zu
> sehen und alle anderen Faktoren auszublenden.
Ich mache mir Positionen zueigen, um auf der Basis Erklärungen liefern zu können. Mir ist es zu wenig, wie einige andere hier nur "Ich finde Frauen in Hosen viel besser" oder "Ich finde Frauen in Röcken/Kleidern viel besser" von mir zu geben. Das ist für mich die textuelle Repräsentation des Zwischen-den-Beinen-Kratzens.
Daß Sexualität gerade in Kleiderfragen enorm wichtig zu sein scheint, habe ich erst im Austausch hier und andernorts erfahren. Ich empfehle dazu die ganzen Haßtiraden, die Beiträge zum Thema "Männer mit Röcken/Absatzschuhen/FSH" zurfolgehatten. Ich würde gerne andere Faktoren heranziehen -- allein, meine Mitmenschen verweigern mir da den Erfolg.
Ich sage auch nicht, daß es überall und immer so ist. Ich kenne auch genug Männer, die sich von einer reizvollen Frau nicht belästigt fühlen, bzw. ihre Reize erst gar nicht wahrnehmen. Ich schreibe, daß es aber solche Kreise gibt, wo das Verhältnis zwischen Männern und Frauen durch Betonung der Sexualität belastet wird, ich kenne solche Kreise und habe auch eine ziemlich genaue Vorstellung, wie das aussieht, wenn eine Meinungshomogenität hergestellt wird. Solange das Individuum in verschiedenen Kreisen verkehrt, besteht keine Gefahr, stumpfen Kleidervorschriften.
> Dieser angeblich kausale Zusammenhang existiert nicht. "inneren Werten den Vorrang
> geben" und "weiblich sein zu wollen" ist kein Gegensatz.
Das ist nur eine Behauptung von Dir, Belege bitte. Es sind gerade die Frauen, die ihr Äußeres stark pflegen und in den Vordergrund rücken. Legen wir eine endliche Zeitspanne zugrunde, in der Menschen ihre Eigenheiten pflegen, so bleibt durch eine Konzentration auf Äußerliches das Innere auf der Strecke. Das ist kalte, nackte Ökonomie und sicher in der Vorstellungswelt nicht gerade weniger Menschen mindestens unbewußt verankert (Marke: "Verschwende Deine Zeit nicht mit unwichtigem Firlefanz")
Es sei denn, Du legst glaubhaft da, wie sich das vereinen läßt (ich weiß, wie das geht, ich sag es aber nicht ;-)). Und dann möchte ich, daß Du mir erklärst, warum sich das nicht auch bei Männern anwenden ließe. Und schwups! haben wir an der Stelle keine Geschlechtsbezogenheit mehr.
> Es ist schön, dass das
> Leben vielschichtiger und nicht so einfältig ist. Kleidung, und auch weibliche
> Kleidung, bringt eine innere Haltung zum Ausdruck. Gerade weibliche Kleidung mit
> einer weiblichen Identität, einem weiblichen Inneren, bringt Harmonie zum Ausdruck,
> und das ist es, was eine Frau oder ein Mädchen attraktiv macht. Bei Männern ist es
> nicht anders: männliche Kleidung in Harmonie mit einem inneren, männlichen Wesen.
> Mann und Frau sind eben verschieden, und das sollte man berücksichtigen.
Beschreibe mir doch bitte, was einen Mann ausmacht, was eine Frau ausmacht, was 'männlich' ist, was 'weiblich' ist (alles abseits der Biologie bitte, die kenne ich nämlich). Dann schauen wir mal, inwiefern unsere Kleidung diese Gedanken aufgreift. Ich empfinde unter Berücksichtigung des Wandels der Geschlechterrollen und des Wandels der Begriffe 'männlich' und 'weiblich' diese beiden Attribute mittlerweile als hohl, ohne jeden substantiellen Inhalt. Die Begriffe werden gerne benutzt in der Annahme, daß ja jeder wisse, was sie bedeuten -- ich tue es nicht mehr.
Die sogenannten 'männlichen' und 'weiblichen' Werte sind meines Erachtens nämlich zutiefst menschliche Werte. Mir ist bislang kein solcher Wert untergekommen, der nicht auch dem anderen Geschlecht gut zu Gesicht stünde. Es ist sicherlich gewöhnungsbedürftig, Anmut und Schönheit mit Männern in Verbindung zu bringen, es war aber sicher auch genauso gewöhnungsbedürftig, Selbständigkeit, Entschlußfreude und Verantwortung mit Frauen in Verbindung zu bringen.
> Eine
> Gleichheit zwischen Mann und Frau gibt es nicht und kann es nicht geben. Es ist
> Manipulation, wenn man gewaltsam eine Gleichheit herstellen will. Damit wäre
> letzlich keiner glücklich. Wenn immer etwas verschieden ist, entstehen
> Spannungsfelder. Das ist ganz natürlich. Das betrifft aber nicht nur das Verhältnis
> zwischen Mann und Frau.
Gleichheit. Gefährliches Terrain. Menschen neigen leider sehr häufig dazu, Unterschiede als qualitative Unterschiede zu betrachten. Und daraus dann Privilegien oder Benachteiligungen abzuleiten. Das geht aber nicht nur von Männern abwärts auf Frauen, sondern auch von Frauen abwärts auf Männer. Ich habe nicht selten von Frauen gehört: "Du bist ein Mann, das verstehst Du nicht" oder: "Er ist ja nur ein Mann". Von Männern habe ich sowas über Frauen schon seit ... eigentlich noch nie gehört. Aber warum bringst Du 'Gleichheit' rein?
> Auch da kann ich Dir nicht zustimmen. Gleichheit und Gleichwertigkeit sind zwei
> unterschiedliche Dinge. Also warum nicht trotz Verschiedenheit auf gleicher
> Augenhöhe (= Wertigkeit) stehen. Unterschiedliche Ausprägungen, die sich gegenseitig
> ergänzen und daher gegenseitigen Respekt und gegenseitige Anerkennung verdienen.
> Gerade eine Haltung wie Deine erniedrigt uns Frauen, weil sie uns zwingt, unsere
> natürlichen Eigenarten zu unterdrücken.
Ja, ich rede von Gleichbehandlung, nicht von Gleichheit. Der Wert steht und stand nicht zur Debatte. Aber das Geschlecht meiner Mitmenschen muß mir in 98% der Zeit oder mehr eigentlich egal sein. Die geschlechtliche Identität meiner Mitmenschen muß mir egal sein. Gleicher Wert wird vorausgesetzt.
Und jetzt bitte: Welche Haltung habe ich denn? Welche natürlichen Eigenarten unterdrücke ich denn? Oder schreibst Du mir die Haltung zu, weil ich die Position anderer nachvollziehe, nachempfinde? Nun, das mag legitim sein, ich bin abgebrüht genug, noch schlimmere menschliche Untiefen nachzuempfinden, wo meine Mitmenschen ebenfalls empört aufschreien würden. Übernehme ich aber Konzepte in meine eigene moralische Vorstellung? Nein. Ich führe diese Betrachtungen auf einer Meta-Ebene durch. Sie ermöglicht mir, Dinge zu erkennen.
In diesem Fall erkenne ich ein Problem: In unserer Gesellschaft wandelt sich das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Wo früher nur Männer anderen Männern als Kumpels, Freunde, Menschen begegnet sind, sind es heute zunehmend auch Frauen, die in früheren Zeiten für Männer --wie ich bereits schrieb-- Mutter, Trophäe, Opfer gewesen sind. Männer erkennen heute eher als früher aufgrund des intensiveren Kontakts, daß Frauen auch vollständige Menschen sind -- mit leicht anderen Bedürfnissen zwar, nichtsdestotrotz Menschen. Jetzt gibt es aber ein ganzes Paket an erworbenen Unterschieden zwischen Männer und Frauen, die das Verhältnis zu einem asymmetrischen Verhältnis machen, vorneweg der Unterschied in der Akzeptanz der Emotionalität und ihre Schlüsselrolle bei der Sicht auf Schwäche & Stärke. Daß ich da nicht ganz falsch liege, zeigen diverse Artikel, wonach Jungen immer weiter ins Hintertreffen geraten, aber Zuflucht in dem Mechanismus suchen, der das ganze noch beschleunigt.
Es ist ein Problem mit vielen Facetten. Und ich denke, daß in einigen Kreisen Männer Frauen mit Röcken oder Kleidern nicht akzeptieren wollen, hat damit zu tun, daß Röcke und Kleider Ausdruck von Schwäche sind -- diese Männer würde genausowenig ihren männlichen Freunden akzeptieren, wenn diese Schwäche zeigen. Sexuelle Reize sind dahingehend nur eine spezielle Form von Schwäche.
Ich empfehle das nicht als Lösung. Mir sind nur drei stabile Lösungen für das Problem bekannt, wovon eine jene ist. Eine nicht-stabile Lösung ist die Beibehaltung des status quo.
1. Rückkehr zur Arbeitsteilung. Eva Herrmann würde es freuen. Frauen könnten wieder unbedarft 'weiblich' sein, Männer hätten wieder eine Grundlage, auf der sie 'männlich' sein könnten.
2. Ausgehend vom status quo (der mMn nur ein Zwischenschritt auf dem langen Weg des Vehältnisses zwischen den Geschlechtern ist, klammert Euch also nicht so dran ;-)) und der Voraussetzung, daß es in Zukunft keine Arbeitsteilung mehr geben wird, gibt es zwei weitere Lösungen, beide beinhalten die Aufhebung des Gefälles zwischen Mann und Frau:
a) Männer feminisieren sich. Das heißt, daß Männer Schwäche & Emotion anerkennen und ausdrücken lernen müssen. Was sich daraus entwickeln kann, ist nicht absehbar. Einziges Vorbild sind Frauen, es wäre also naheliegend wenn auch schwer vorstellbar, daß auch Männer bunter und freizügiger würden, sinnlicher da empfindsamer. Es würde also eine Emanzipation des Mannes erfolgen, die Befreiung aus der Fremdbestimmung durch die Masse, wonach der Mann einem bestimmten Bild zu entsprechen habe.
b) Frauen haben sich bis heute emanzipiert, die Männer nicht. Bislang war die Emanzipation eine Übernahme aller Privilegien der Männer, wo das nicht möglich war, ist deren Vorrecht einfach annulliert worden (z.B. Bestimmung über Karriere der Ehefrau). Frauen könnten der gleichen Fremdbestimmung unterworfen werden, der die Männer noch unterworfen sind. Der status quo wäre nur eine kurze Episode großzügiger Freiheiten gewesen, wo die Frau zwar noch Frau, aber noch nicht ganz Mann war.
Welche Haltung habe ich? Oder warst Du ein wenig vorschnell? :-)
LG
Madinside