Hallo, also erstmal zu mir. Ich (m, 33) bin jetzt seit 5 Jahren mit meinem Freund zusammen. Umständehalber ist er damals schon nach einem halben Jahr Wochenendbeziehung zu mir gezogen. Irgendwann wohnte er halt hier, obwohl ich Bedenken hatte. Man kannte sich ja doch noch nicht so gut. Darauf hagelte es schon Vorwürfe in der Art, dass ich mir mit ihm wohl nicht so sicher wäre, "oder wie?" Die ersten drei Jahre verliefen eigentlich normal: Keine Streitereien, man hat regelmäßig was unternommen, Freunde getroffen, Liebesleben ging so, Balkon üppig bepflanzt - es war eine Spießerbeziehung, wie sie im Buche steht und wie ich mir das auch so ungefähr vorstelle.
Seit mehr als einem Jahr aber geht es bergab:
Wir unternehmen abgesehen von äußerst seltenen Ausnahmen GAR NICHTS mehr miteinander. Wenn er irgendwohin fährt, z. B. an den Strand, dann erfahre ich das, wenn er schon fast aus der Tür raus ist: Ich hätte ja sowieso keine Lust. Wenn er von der Arbeit kommt, dann legt er sich sofort ins Bett und spielt bis zum Abend diese blödsinnigen Handyspiele - oder haut ab und kommt nach Stunden wieder. Am Wochenende dasselbe Spiel: Er liegt bis mittags im Bett, spielt mit dem Handy. Danach reist er in der ganzen Stadt herum, um einzukaufen. Lebensmittel oder irgendeinen Ramsch für seine Mutter. Sonntags habe ich dann ganztägig "Verbot", ins Schlafzimmer zu gehen. "Musst du mich jetzt hier nerven? Was willst du schon wieder? Du kannst die ganze Woche im Bett rumliegen - jetzt will ich auch mal meine Ruhe haben und handyspielen!"
Was, bzw. wann redet man da eigentlich so den Tag miteinander, wird man sich vielleicht fragen. Blödsinn und sogar den recht spärlich. Meist muss ich mir dann Geschichten von der Arbeit anhören, über Leute, die ich nicht kenne. Aber zum Glück gibt es "Schwiegermutter": Denn die wird mindestens 3 Mal am Tag angerufen. Aber nicht nur für 10 Minuten.
Wie sieht es denn überhaupt so mit der Ordnung aus: Das ist eine Katastrophe. Ist der Mülleimer voll, wird eine Tüte daneben gestellt. Ist die voll, kommt eine weitere daneben. Solange, bis ich alles raustrage. Der Müll wird ja meist auch nicht in den Eimer geschmissen, sondern die Verpackung bleibt da stehen, wo sie entleert worden ist. Wäsche: Ich wasche meistens den ganzen Sonnabend Klamotten und bringe die dann aus dem Trockenraum auch wieder hoch, wo sie dann bis zu einer Woche stehen bleibt. Weil er sein Lager ja am liebsten im Schlafzimmer aufschlägt, sieht es da auch dementsprechend aus: Rund um das Bett ist alles gesäumt mit leeren Colaflaschen, alten Zeitungen, benutzten Taschentüchern, Bonbonpapier - es ist einfach ekelhaft. Oft genug hab ich schon gesagt, er soll seinen Mist wegräumen, aber am Ende bleibt es doch bei mir hängen. Naja, die Zähne werden sich vom Kettenraucher auch nur ein bis zwei Mal die Woche geputzt, aber das kann mir an sich ja egal sein, denn...
... mehr als ein Omaküsschen auf die Wange ist schon seit Ewigkeiten nicht mehr drin. Im Bett manchmal monatelang nichts, und wenn doch, dann geschieht es alles - bitte nicht lachen - nach immer demselben Ablauf. Dazu kommen noch die gelegentlichen Ausraster: "Ich will meine Ruhe haben! Du weißt genau, ich will morgens allein sein!" usw.
Manch einer wird sich vielleicht fragen, warum ich mir hier bei Fremden ausheule, statt im Freundeskreis. Tja, der ist weg. Manche Leute konnte er nicht ausstehen, andere sind weggezogen - meine Hauptbezugsperson liegt im Schlafzimmer und spielt mit dem Handy. Letztes Jahr hagelte es sogar noch Fremdgehvorwürfe, denn anders als es Gewohnheit war, bin ich plötzlich noch mit Leuten von der Uni abends weggewesen. Da wurden mir dann tatsächlich Auflagen gemacht, bis wann ich wieder zu Hause zu sein habe. Als ich dann mal länger wegblieb, hat er sich besoffen und wie ein Wahnsinner aufgeführt, drohte damit, mich zu verlassen usw. - musste bis 4 Uhr morgens diskutieren, bis er wieder beruhigt war. Fremdgegangen bin ich in all der Zeit überhaupt nicht - und ich bin mir sicher, dass er es auch nicht gemacht hat. Naja, hätte ich das mal sein lassen. Ich selbst bin übrigens sonst überhaupt nicht "das kleine Mäuschen", das sich alles gefallen lässt. Bis auf diesen Fall.
Naja... und dann habe ich da letztes Jahr jemanden kennengelernt, zwei Jahre jünger als ich und 120 km weit weg wohnend. Das fing alles ganz arglos an, wir haben uns auch nur zwei Mal getroffen. Beide Male hatten Gesprächs- und Unternehmungscharakter. Gelaufen ist nichts, da bin ich eisern. Obwohl: Wir lagen beide auf einer Wellenlänge, haben uns von Anfang an total gut verstanden und alles - er hat sich nichtmal über mein Sarkasmusdauerfeuer aufgeregt. Nach dem zweiten Treffen schrieb ich ihm, ich hätte ihn statt meines jetzigen am liebsten vor vier Jahren kennengelernt, woraufhin er antwortete, es ginge ihm genauso. Tja, aber die Entfernung und dann meine sogenannte Partnerschaft, man hat sich aus den Augen verloren, schrieb alle paar Monate noch was und dabei blieb es dann auch. Bis vor einigen Wochen, als er plötzlich fragte, ob wir nicht mal wieder was unternehmen wollen. Natürlich, gern. Ich hatte dabei auch keine Hintergedanken, denn obwohl letztes Jahr schon so ein gewisses Kribbeln da war, verfliegt das ja dann doch irgendwann ohne Kontakt wieder und kommt wohl nicht wieder. Jedenfalls ist das bei mir so. Oder sollte so sein, denn als er in der Tür stand, da war alles schlagartig wieder da, war richtig erschrocken. Und dann haben wir 10 Stunden miteinander verbracht, ohne irgendwelche Annäherungen oder so. Wir unterhielten uns über seine letzte Partnerschaft, wie er sich seinen Wunschpartner vorstellte usw. Ja was soll ich sagen, da habe ich mich weitestgehend wiedererkannt. Meinte dann eher zum Spaß "Na also, wenn wir zusammen wären, was meinst du, was du dir dann den ganzen Tag an Kommentaren anhören müsstest!" - "Da würde ich dir das dann schon sagen, wenn es zu viel wird." Oder als er charakterliches von sich erzählte: "Du willst mich doch hier nur abwerben, sag mal!" - "Nein, also das musst du schon selbst entscheiden." usw. Zum Abschied vor der Haustür hatte er mich dann auf offener Straße umarmt - was sonst bei mir gar nicht, so viel körperliche Nähe von "unberechtigten" hasse ich wie Pest. Aber er durfte das. Wieder zu Hause, kreisten die Gedanken dann nur noch um ihn. Wir hatten uns dann für nächsten Dienstag bei ihm in der Stadt für eine Unternehmung (wiederrum, kein körperlicher Kram, Sex oder sowas) verabredet, aber musste dann mit seiner Mutter zum CT, wo dann irgendwas schwerwiegendes diagnostiziert worden ist - jedenfalls zum Treffen kam es dann nicht mehr. Ich bin ansonsten bei solchen Krankheitsdiagnosen recht emotionslos, d. h. wenn bei mir in der Verwandschaft mal wieder der Krebs grassiert, dann ist mir das relativ gleichgültig - aber hier war ich irgendwie völlig betroffen, obwohl ich die Frau nichtmal kenne oder genau weiß, was die nun hat. Aber sei es drum.
Die Tage wurde es dann mit immer schlimmer mit den Gedanken an ihn. Weil ich nicht weiß, wann wir uns denn nun wiedersehen, schrieb ich ihm einfach einen ganz klassischen Brief. Ich habe ihm, was ich sonst nie mache, meine Emotionen offengelegt und aber gleichzeitig auch festgestellt, dass ich nicht weiß, ob man das schon Verliebtheit nennen kann, dazu kennen wir uns ja schließlich nicht lang genug. Ausgeschlossen habe ich allerdings, dass mich der Reiz des Fremden anziehen könnte oder gar die Frustbeziehung. Da weiß ich schon, das mehr hintersteckt, schließlich bin kein Teenie mehr. Schlüsselsatz war dann die Bitte, sich einfach mal darüber Gedanken zu machen, ob nach unseren Treffen und den langen Gesprächen das Gefühl aufgekommen sein könnte, dass sich mit uns zwei Menschen gefunden hätten, die irgendwie von A bis Z zueinander passen könnten.
Ich hab eigentlich damit gerechnet, dass er sich daraufhin gar nicht mehr melden würde, denn wie sieht das aus: Man bekommt so einen Offenbarungseid von jemandem, der relativ weit weg wohnt und obendrein verpartnert ist. Jedoch hat er sich gemeldet und schrieb, er habe schon halbwegs gewusst, was im Brief steht, bevor er ihn überhaupt gelesen hätte. Meine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sprächen für mich und er bräuchte jetzt trotzdem erstmal ein paar Tage Bedenkzeit. Naja, man darf gespannt sein, zu welchem Schluss er kommt.
Aber da kommen wir ja dann zu der folgenden Sache: "Wie sag ich's meinem Mann?" Ich glaube schon, dass er mich liebt und womöglich sogar mit dieser Situation hier zufrieden ist. Wenn ich mal in mich gehe und mir die Frage stelle, ob da bei mir noch Liebe ist: Geht man davon aus, was ich weiter oben alles geschildert habe und ich selbst auch das Gefühl habe, wir sind von meiner Seite aus nur noch aus Bequemlichkeit und Gewöhnung und weil die Miete (ich bin Student mit eigenem Einkommen, er arbeitet) so billiger ist, dann muss ich wohl antworten "Nein, die ist irgendwo auf der Strecke geblieben." Ich glaube auch kaum, dass sich hier zu Hause nochmal was ändern wird und so für den Rest meines Lebens als Stubenhocker verbringen möchte ich auch nicht. Die Frage nach einer eventuellen Trennung stellt sich nach dieser Überlegung also gar nicht mehr. Auf der anderen Seite aber sorge ich mich schon, was denn dann aus meinem Partner wird, wenn ich nicht mehr da bin?
Ja also das wäre es erstmal von mir. Vielleicht fragt sich der oder die ein oder andere, warum ich mit so einer Sache nicht irgendwelche einschlägigen "Homo-Communities" aufsuche: Erstens ist das nicht so meine Welt und zweitens glaube ich, dass wesentlich mehr Frauen in so einer Situation stecken als die Mehrheit der Mann-Mann-Beziehungen, die bei kleinsten Problemen in die Brüche gehen und man sich einfach sofort den nächsten Kerl sucht.