Liebe Forengemeinde,
ich weiß, ich bin neu hier, aber trotzdem habe ich gleich zu Beginn eine Frage an euch. Vielleicht kennt jemand einen Ausweg für mich?
Es ist so, dass ich im Moment wirklich sehr, sehr überfordert bin. Die Probleme in meiner Beziehung machen mich regelrecht fertig. Ich kann nicht mehr, ich habe sogar schon darüber nachgedacht mich einfach vor ein Auto zu werfen und ein paar Wochen ins Krankenhaus zu gehen, wo ich vielleicht mal meine Ruhe hätte.
Aber von Anfang an. Ich bin 24, er 34. Wir sind schon lange zusammen, und wir wohnen zusammen - eine Entscheidung, die ich inzwischen zutiefst bereue. Es ist wirklich nicht so, dass mein Freund ein schlechter Mensch ist, er kann sehr lieb sein.
Jedenfalls wurde er zum Anfang des Jahres sehr krank. Das war für mich belastend. Ich ging 10 Stunden am Tag arbeiten, auch Samstags, dazu kam eine nicht unbeträchtliche Fahrtzeit, die ich jeden Tag auf mich nehme. Nebenbei war ich alleine für den Haushalt verantwortlich. Darüber hinaus habe ich dann noch versucht, für ihn da zu sein und Verständnis zu zeigen, was nicht immer leicht war. Er neigt zur Alkoholabhängigkeit, und so hat er wenn es ihm schlecht ging immer Bier getrunken. Mehr als er sollte. Auch wenn ich ihn gebeten habe, die Finger davon zu lassen. Auch unter der Woche, abends. Dass das seinen Zustand nicht verbessert hat, ist ja wohl allen klar. An anderen Tagen kam er von der Arbeit nach Hause und ging direkt ins Bett. Es gab Wochen, in denen ich außer der beruflichen Kommunikation mit niemandem geredet habe - mit ihm sowieso nicht. Er gab indirekt mir die Schuld an seiner Erkrankung. Irgendwann habe ich angefangen, diese Schuldzuweisung zu übernehmen. Es war eine sehr sehr schwere Zeit für mich. Den Druck, der auf mir lastete, konnte ich nur durch das Ritzen loswerden. Ich habe es nicht häufig gemacht, nur wenn es gar nicht mehr anders ging. Ich weiß, dass das eine psychische Erkrankung ist, die ich behandeln lassen sollte, aber dazu habe ich im Moment einfach nicht die Kraft.
Nach einigen Monaten der Krankheit besserte sich der Zustand meines Freundes wieder. Ich hatte mich in dieser Zeit daran gewöhnt, dass wir nicht mehr miteinander redeten, dass wir zwar im gleichen Bett schliefen, uns aber nicht berührten, dass er für mich keine liebevollen Worte und - in meinen Augen - keine Dankbarkeit übrig hatte, dass ich alles für ihn getan habe. (Er war später der Meinung, er hätte mir seine Dankbarkeit gezeigt. Ich weiß nicht, ob wir vielleicht unterschiedliche Kommunikationssignale gesendet haben, dass ich seine nicht erkannt habe, wer weiß so was schon)
Es wurde aber nicht viel besser. Ich gebe zu, dass ich mich in den vorangegangenen Monaten zurückgezogen hatte. Ich hatte einfach eine Art Schutz aufgebaut, ich habe mich innerlich von ihm fern gehalten, auch wenn ich äußerlich in seiner Nähe war.
Irgendetwas ist in dieser Zeit zwischen uns kaputt gegangen. Wir waren noch nie Experten im Streiten; ich versöhne mich am liebsten bevor wir schlafen gehen, dass kann er nicht. Er schläft dann brummig ein und morgens ist alles wieder gut, auch wenn wir nichts ausdiskutiert haben - für mich steht dann alles noch unausgesprochen im Raum, ich kann nicht so einfach über etwas wegsehen was nun mal einen handfesten Streit ausgelöst hat. Diese nicht so gute Streitkultur von uns hat sich nach seiner Krankheit verschlechtert. In jedem Streit beharrt er auf seinem Standpunkt und gibt mir die Schuld, oder wirft mir vor dass ich ihn einenge, oder dass ich ihm etwas vorschreibe oder verbiete. Es endet damit, dass ich weine, er mir weiter Dinge an den Kopf knallt, und ich dann in das Badezimmer fliehe, wo meine geliebte Klinge auf mich wartet, die in diesem Moment den Streit beendet. Er beendet den Streit nicht von alleine, also muss ich mich beruhigen, um ihn danach beizulegen. Bitte verurteilt mich nicht dafür - ich bin zu schwach, um all das ohne das Ritzen auszuhalten.
Ich habe in letzter Zeit viel nachgedacht, und ich will das nicht mehr. Ich will nicht mehr klein beigeben und mich verletzen. Ich will nicht mehr immer schuld sein. Es kann doch nicht sein, dass an jedem Streit ich schuld bin, oder?
Und da sind wir wieder am Anfang. Ich will weg. Ich will in Ruhe mein psychisches Gleichgewicht wieder finden. Ich will nicht Schluss machen - ich will ihn nicht unter Druck setzen - ich will ihn nicht quälen damit - ich will einfach nur wieder zu mir finden und sehen, ob diese Beziehung noch eine Chance hat. Denn so kann ich nicht weiter machen.
Zu meinen Eltern oder zu Freunden kann ich nicht. Ich könnte dort nicht zur Ruhe kommen. Erstens würden sie wissen wollen, was los ist. Zweitens würde mein Freund mich dort finden und dann hätten wir den nächsten Streit, weil er meint, ich wollte ihn unter Druck setzen, und wenn ich ihm sage dass ich nicht mehr kann dann denkt er erst recht ich wolltte ihn unter Druck setzen und dann schaukelt sich das ganze wieder hoch und das kann ich einfach nicht.
Aber wo kann ich hin? Ich muss ja trotzdem weiter zur Arbeit und da er mich nicht verprügelt oder so ist ja auch ein Frauenhaus Schwachsinn. Und ein Hotel kann ich mir im Moment nicht leisten.
Ich danke allen, die diesen langen und unstrukturierten Text gelesen haben, von Herzen, und entschuldige mich - ich habe einfach geschrieben wie es kam, und deshalb wird er vielleicht nicht auf Anhieb verständlich sein. Und wenn ihr mir jetzt noch einen Tipp geben könntet, wäre ich auf ewig dankbar!