Hey,
ich hatte ja schon einmal von den Problemen mit dem Freund meiner Mutter erzählt. Und ich weiß gerade nicht, ob ich einfach nur maßlos übertreibe, aber mir geht es mit den letzten "Geschehnissen" nicht so gut. Es ist - in mancher Augen - nichts Schlimmes passiert, aber für mich persönlich ist das einfach schlimm.
Kurze Vorgeschichte: Ich habe über Jahre hinweg (angefangen hat es, als ich ein Grundschulkind war) schlechte Erfahrung mit Männern und ihren Berührungen, etc. (möchte da jetzt nicht weiter darauf eingehen, man kann sich seinen Teil ja denken) gemacht und bin von daher sehr vorbelastet. Es hat lange gedauert, aber seit diesem Jahr traue ich mich einigermaßen, etwas deutlicher zu machen, was okay ist und was nicht. Ein ganz klares "Nein" schaffe ich leider noch nicht, aber Aussagen, die man eigentlich auch als Nein versteht funktionieren.
Aber meine Mimik spricht leider noch nicht wirklich dafür, da habe ich mir einfach eine Art "Schutzmaske" aufgesetzt, die ich noch nicht "abarbeiten" konnte: Wenn ich Angst habe oder eigentlich weinen möchte, dann grinse ich sehr gezwungen und mein Gesicht "friert" quasi ein. Mein Körper versteift sich ziemlich.
Zu der einen Situation: Ich habe die letzten beiden Wochen mit einer Coronainfektion gekämpft, die etwas "heftiger" verlaufen ist, als ich dachte. Nicht extrem, aber ich war wirklich die ganze Zeit ans Bett gefesselt. Meine Mam ist dann so lange zu ihrem Freund gezogen, was für mich ja absolut verständlich ist, sie braucht Corona ja nicht unbedingt noch ein zweites Mal zu haben.
Am Samstag waren sie und ihr Freund kurz da und haben mir von einem Verwandtschaftsbesuch Kuchen vorbei gebracht. Weil ich mir nicht sicher war, ob ich schon sicher negativ bin, habe ich eben Sicherheitsabstand gehalten, FFP2 Maske getragen, etc. Als wir draußen standen, hatte ich eben keine Maske auf, stand aber weiter weg. Hinter mir war eine Gartenmauer, weswegen ich bisschen blöd stand.
Und auf einmal kam ihr Freund, beugt sich vor und hat mich umarmt und mir einen Kuss auf die Wange gegeben. Als er schon näher gekommen ist, bin ich etwas ausgewichen (soweit es eben ging, stand wie gesagt, ziemlich blöd) und ich habe auch gesagt, ich möchte das nicht, ich weiß nicht, ob ich nicht noch ansteckend bin.
Er hat es trotzdem gemacht, gelacht und gemeint: "Jetzt ist es sowieso schon zu spät." (war auf Coronaansteckung bezogen, denke ich mal) Ich bin danach versteinert stehen geblieben. Als er und meine Mama dann weg waren, habe ich mich einfach nur auf den Boden gesetzt und geweint, weil dann alles hochgekommen ist, was über die Jahre hinweg ebenfalls passiert ist in diese Richtung (und noch weiter).
Es klingt nach außen hin vielleicht sehr übertrieben, dass mich das sehr belastet. Aber er kannte Teile meiner Vorgeschichte, ich hatte ihn auch schon früher mehrmals darum gebeten, dass ich weder Kose - bzw. Spitznamen (ich möchte nicht vom Freund meiner Mutter "Schatzi, Schätzilein, Mausi, Kleine" oder sonstiges genannt werden) von ihm haben möchte, noch, dass ich in irgendeiner Art und Weise "geküsst" werden möchte. (Also, er hat mich bisher immer "nur" auf die Wangen geküsst, aber ich habe schon öfters gesagt, dass ich das nicht mag)
Ich weiß, dass es keine große Berührung war. Aber auf der einen Seite wird mir immer gesagt, ich soll meine Grenzen deutlich machen, "Nein" sagen, etc. Und auf der anderen Seite ist es dann okay, dass man sie doch ignoriert? Ich will jetzt keinen Staatsakt daraus machen, aber es war einfach zu viel für mich. Ich werde es bei ihm kommunizieren, aber ich will eigentlich so auch gar nichts mehr wirklich mit ihm zu tun haben. Das war so im Allgemeinen der Tropfen, der mein persönliches Fass zum Überlaufen gebracht hat (jetzt nicht nur wegen ihm, sondern einfach wegen einiger Situationen, die jetzt mit der Coronaerkrankung so geballt kamen). Ich werde teilweise nachts wieder von Flashbacks heimgesucht, fühle mich sehr eklig. Meine Reaktionen, wenn meine Mama ihn erwähnt, sind auch wieder wesentlich gereizter und angespannter. Das will ich eigentlich nicht ...
Ich meine, ich sehe ihn zum Glück nicht oft, eigentlich so gut wie gar nicht. Aber manchmal schreibt er mir über WhatsApp und gerade nächstes Wochenende werde ich ihn sehen, weil wir da als Familie zusammensitzen werden.
Es wäre ja absolut kein Problem gewesen, wenn das zum ersten Mal passiert wäre, weil, woher soll man das auch wissen? Und ja, man kann nicht an alles denken, das weiß ich auch, deswegen weiß ich gerade nicht, ob ich nicht einfach nur in meiner (emotionalen und körperlichen) Reaktion übertreibe (ich weiß das leider sehr oft nicht, weil ich durch eine Borderlineerkrankung keinen normalen, gesunden Bezug zu so etwas habe, aber ich bin in Therapie und arbeite daran). Aber er hat ja auch als Therapeut Verantwortung seinen Patienten gegenüber. Und auch schon damals, als meine Mutter Corona hatte, war es ihm recht gleichgültig.
Sind solche Gefühle, Gedanken, Reaktionen auf eine Grenzüberschreitung normal? Hatte das von euch vielleicht auch schon einmal jemand so erlebt?