Zur Subject-Zeile "Was ist für die Großeltern zumutbar":
Was für Großeltern zumutbar ist entscheiden hoffentlich die Großeltern selbst.
> Ist es normal, dass der Besuch eines Enkelkindes unter 10 Jahren (mit allen Fahrten, Events, Verpflegungen auch für die anderen ortsansässigen Enkelkinder) 700 - 800 Euro in einer Woche kostet? Ich spreche hier nicht von den normalen "Verpflegungleistungen" mit Lebensmitteln im Haushalt der Großeltern! Die sind sozusagen vorausgesetzt und "preislos".
Was meinst Du mit "auch für die anderen ortsansässigen Enkelkinder"? Geht es um Cousins/Cousinen des betreffenden Enkelkindes, die im selben Ort wohnen wie die Großeltern? Kostet jedes dieser Enkelkinder 700 bis 800 Euro - das fände ich sehr krass, oder alle zusammen? Ist aber eigentlich egal, denn es geht wohl nicht wirklich um den Betrag, sondern um die Frage, was von der Anspruchshaltung zu halten ist, die die Eltern des Kindes und das Kind gegenüber den Großeltern des Kindes an den Tag legen.
Wenn ich hier so mitlese,
- scheint es sehr verschiedene Lebenseinstellungen zu geben.
- gibt es Leute, die meinen, man müsse weiss Gott was alles anstellen, um die Kinder zu bespassen, und es gibt Leute, die da auf dem Teppich bleiben.
- dürfte recht verschieden sein, was für einen Rahmen die Leute für einen Enkelkind-Großeltern-Besuch setzen.
Ich sehe es so:
Alles, was über die "normalen Verpflegungsleistungen" (Essen, Benutzung der Toilette, Händewaschen etc) hinausgeht, die man jedem Gast, den man zum Kaffee einlädt, zuteil werden lassen würde, ist meiner Erfahrung und Meinung nach definitiv außerhalb desjenigen Spektrums, das für selbstverständlich gehalten werden kann.
Zum Rahmen, den ich kenne:
Als ich ein unter-zehnjähriges Kind war, ist es sehr selten vorgekommen, dass bei einem Besuch bei den Großeltern (egal ob väterlicher- oder mütterlicherseits) irgendwelche Bespassungsdinge angeschafft oder ausser Haus unternommen worden sind, die Geld gekostet haben. Wir haben deswegen nichts vermisst. Was zB vorgekommen ist: Wenn im Dorf Jahrmarkt war und meine Großeltern mütterlicherseits uns dahin mitgenommen haben, haben wir zB eine Tüte Magenbrot gekriegt, oder meine Oma hat an der Losbude Lose für uns gekauft. Zum Stichwort "Events": Die von meinen Großeltern gepflegte Event-Kultur war eher beschaulich und bodenständig.
Meinen Großvater väterlicherseits - er hatte früher eine Baufirma für Hoch- und Tiefbau, die einer meiner Onkel übernommen hat - kenne ich nur als kranken bettlägrigen Mann, Multiple Sklerose, der starke Schmerzen hatte und damit haderte, nicht mehr arbeiten zu können. Er konnte nicht viel mit uns unternehmen, und wenn Verwandtschaft zB am Gebutstag bei meinen Großeltern väterlicherseits zusammenkam, wurde er recht schnell in seinem Krankenzimmer links liegen gelassen. Da saßen dann alle zusammen mit Oma in der guten Stube, tranken Kaffee und aßen Kuchen, hielten Hof, verbreiteten Geschäftigkeit ohne wirklich hilfreich zu sein, während Opa allein in seinem Zimmer lag, und Oma wusste, wenn alle wieder weg sind, darf sie sich wieder alleine schinden und klar Schiff machen.
Bei diesen Besuchen hatte ich oft ein schlechtes Gewissen, weil mein Opa so alleine in seinem Zimmer herumlag, und wenn ich zu ihm wollte, wurde ich von den anderen davon abgehalten, obwohl er gesagt hatte, sie sollen mich ruhig zu ihm lassen, er würde sich darüber freuen, nicht so allein zu sein. Aber da hieß es dann immer, das sei nichts für ein Kind. Dass es meinem Opa schlecht ging, fand ich zwar nicht toll, habe ihm gewünscht, dass es ihm besser geht, aber den Anblick konnte ich durchaus ertragen. Schliesslich war ja nicht ich es, sondern er, dem es schlecht ging. Was ich schlimm fand, war die Vorstellung, die ich mir von seiner Einsamkeit machte - wenn Besuch da ist will man doch bei den Leuten sein und nicht im Kämmerlein nebenan, und dass man mich nicht zu ihm ins Zimmer lassen wollte, um das wenigstens mal für eine Stunde ein bisschen zu entschärfen. Wenn ich entschlüpft und zu ihm ins Zimmer gegangen bin, hat er sich jedesmal darüber gefreut und mir viele Sachen aus seinem Leben erzählt. Wenn er von Zeiten erzählt hat als es ihm noch gut ging, war er ein anderer Mensch. Aber dann kamen immer alsbald irgendwelche Onkel oder Tanten, die mich aus dem Zimmer rausgezerrt haben. Zwei meiner Cousins, bis heute sind sie ganz fromme Kirchgänger, unterstellten mir immer, ich würde nur zu ihm ins Zimmer gehen, um mich einzuschleimen. Und wenn er manchmal vor Verzweiflung und Schmerzen geweint oder geschrien hat, sind die Leute nie auf die Idee gekommen, dass sie vielleicht einfach mal dableiben und ihn streicheln könnten bis er sich wieder gefangen hat, sondern haben sich lieber schnell verabschiedet und verkrümelt.
Großeltern mütterlicherseits:
Wir haben Opa und Oma besucht, beim Begrüßen haben sich alle gefreut. Je nach Uhrzeit gabs mit allen zusammen Mittagessen oder Kaffee oder Abendessen oder auch nur so herumsitzen, und wir Kinder haben im Garten oder im Souterrain gespielt - immer mit Sachen/Gerümpel, was sowieso vorhanden war. Im Garten gabs zB eine Schaukel und eine Stange fürs Teppichklopfen, wo man herrlich Kunststücke üben konnte, einen Stoß Europlaletten, mit denen man was machen konnte, ein altes Kinderfahrrad, zwei große Bäume, wo man gut klettern konnte, ...
Ich war zweimal jeweils eine Woche lang bei ihnen. Da hab ich ganz normal am Tisch mitgegessen. Es wurde sich um mich gekümmert, d.h. zB vergewissert, dass ich mich sauber wasche und ordentlich anziehe und klarkomme. Aber da hat niemand die Idee kultiviert, für mich teure Extrawürste braten zu müssen. Wurde, soweit ein Kind das machen kann, zur Mithilfe bei der Hausarbeit eingeteilt (Steine klauben in den Beeten im Garten; Brotschneiden für alle; Geschirr abtrockenen; Regale abstauben - ich glaube, es ging weniger darum, dass meine Arbeit wirklich effektiv ist und mehr darum, mir das Lebensgefühl zu vermitteln, dass jede/r mithelfen muss), und wenn im Haus alles erledigt war, wurde ich zum Spazierengehen oder zum Einkaufen mitgenommen. Beim Einkaufen wurde der Einkaufszettel abgearbeitet und ich bekam wichtige Aufträge wie zB an der Käsetheke anstehen oder in der Metzgerei exakt das zu kaufen, was auf dem Einkaufszettel stand. Da wurden keine Spielsachen oder dergleichen Schnickschnack gekauft, was nur meiner Bespassung gedient hätte - war ja schließlich kein Geburtstag und kein Weihnachten.
Wenn meinen Opa mütterlicherseits die Unternehmungslust gepackt hat, sind wir im Wald spazieren gegangen, haben Bucheckern und Haselnüsse und Beeren gesammelt, am Wildgehege die Wildschweine und Hirsche gefüttert, oder sind zum Reitstall gegangen, oder ins Schützenhaus, wo er jeweils Vereinsmitglied war. Da konnte ich dann Pferde sehen, hab vielleicht mal ein Fanta oder ein Schöller-Eis oder eine Joghurt-Waffelschnitte spendiert bekommen, und das war toll. Hat aber bestimmt keine 800 Euro die Woche gekostet.
Bei seltenen Spontanbesuchen, die in irgendwelche Essenszeiten fielen, haben meine Eltern darauf geachtet, dass wir Verpflegung dabei haben, damit die Großeltern, die ja nicht mit uns rechneten und nur für sich eingekauft/Essen gemacht hatten, unseretwegen nicht darben mussten. Da hat man dann das mitgebrachte Essen auf dem Esstisch mit dazugestellt, und alle saßen gemeinsam am Esstisch, und es hat für alle gereicht.
Jedenfalls wurde nie jemand genötigt, 800 Euro auszugeben.
> Wenn wir uns der angeblichen "Verpflichtung" entziehen würden, gäbe es nur Ärger mit den Eltern des Enkelkindes.
Das verstehe ich nicht. Begreifen die Leute nicht, dass erstens es verschiedene Lebenseinstellungen gibt und zweitens ihr und nicht sie entscheiden, welche Angebote ihr macht?