Hallo zusammen,
ich habe gerade irgendwie eine kleine Krise, in meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken und ich weiß manchmal gar nicht mehr, was ich überhaupt denke.
Vor ein paar Monaten habe ich einen Mann kennengelernt, in den ich mich verliebt habe. Er hat im Frühjahr bei uns in der Firma angefangen. Wir haben uns schnell sehr gut verstanden, aufgrund sehr vieler gemeinsamer Interessen, und uns dann auch angefangen privat zu daten. Mittlerweile sind wir beide verliebt ineinander, haben viel Zeit miteinander verbracht und viele Gespräche geführt. Auch über seine Vergangenheit.
Ich versuche es kurz zu machen. Er ist Ende 30, hat vor ca. 10 Jahren mit den Drogen (Koks, Ecstasy, Weed) begonnen. Er hat viel (so richtig um Geld) Poker gespielt und war eine Zeit lang in der Crypto-Welt unterwegs. Nachdem er vor ca. 3 Jahren kurz vor der Privatinsolvenz stand und im Rausch einen schweren Unfall (er wurde von einer S-Bahn erfasst) hatte, hat sich alles verändert. Selbstverständlich erfuhr seine Familie von seinen ganzen Machenschaften (vorher wusste keiner was). Mit deren Hilfe (vor allem von seiner Mutter) und mit professioneller Hilfe hat er eine Therapie begonnen. Heute hat er nichts mehr mit Crypto am Hut, macht gerade die MPU um seinen Führerschein wiederzubekommen, ernährt sich gesund, macht Sport, geht zum Yoga, hat den Entzug abgeschlossen und geht immer noch jede Woche zu seiner Therapeutin um die Ursachen seiner Probleme aufzuarbeiten. Klingt also alles erstmal gut und bis zu diesem Punkt komme ich auch mit allem klar. Nun ist es so, dass er ab und an mal noch an Pokerturnieren teilnimmt. Zudem ist er noch mit 3 seiner Ex-Freundinnen befreundet. Die eine ist sogar seine beste Freundin, von ihr hat er mir zügig erzählt und ich weiß das eine oder andere über sie. Auch das war nicht dramatisch für mich. Dennoch ist es natürlich ungewöhnlich und auch dieses Thema wird aktuell in seiner Therapie aufgerollt. Mein Problem ist viel mehr, dass er eine sehr wilde Phase hatte vor einigen Jahren. Viele Frauen, einige Beziehungen zeitgleich, On-Off-Geschichten, zahlreiche Bettgeschichten. Er sagt, dass das vorbei ist. Er kam da laut eigener Aussage auch nicht gut raus, vor allem aus den Parallel-Beziehungen. Er macht heute auf mich wirklich auch nicht den Eindruck, als wäre das noch seine Welt. Als würde er sowas noch wollen. Er wirkt viel mehr in allem was er tut und sagt, als würde er nie wieder dahin zurückgehen wollen. Vorgestern sagte er „mein Leben ist ziemlich langweilig und das ist auch gut so“. Nur tue ich mir einfach schwer mit dieser Vergangenheit. Und manchmal hab ich Angst, mir seinen guten Willen aufgrund der rosaroten Brille nur schön- und einzureden. Ich habe halt auch schon sehr schlechte Erfahrungen mit Männern hinter mir, die mich vorsichtig und ängstlich gemacht haben. Das nächste ist - er hat mir vorgestern, als wir mal wieder geredet haben (und da ist er immer sehr offen und immer bereit für), gesagt, dass er neulich wieder einen Kokain-Ausrutscher hatte. Es war ein Abend, mehr wohl nicht. Es sei an diesem Abend wieder „alles zusammengekommen“. Was auch immer das bedeutete, ich hab nicht weiter gefragt. Es flossen ihm ein paar Tränen, als ich sagte, dass ich gerade sehr geschockt sei und das nicht gedacht hätte. Er bot mir an, mir zu erklären, warum und wie sowas passiert. Mir mehr zu Kokain an sich zu erzählen. Mir zu erklären, warum es leider normal ist, dass sowas auch nach Jahren in der Therapie passieren kann. Ich wollte erstmal nicht, war viel zu geschockt. Habe mich dann nur daheim etwas belesen und seither haben wir nicht mehr geredet.
Was ist nun mein Problem? Es ist so, dass wir nicht zusammen sind. Schon nach wenigen Wochen unseres Kennenlernens sagte er mir, er sei in seinem aktuellen Zustand nicht beziehungsfähig, er sei vielleicht auch toxisch. Er wollte eigentlich wieder komplett auf 0 sein (Schulden abbezahlt, komplett Clean - also ohne Rückfallgefahr, die Frauen-Themen aufgearbeitet haben, den Führerschein zurück haben) und erst dann wieder eine Frau für eine ernste Beziehung kennenlernen. Er ärgert sich und sei wohl auch ziemlich böse auf sich selbst, dass er bei mir „eingeknickt“ sei und wir nun beide in dieser Situation sind. Er hat nach diesem ersten Gespräch direkt eingestellt, dass wir beieinander übernachten, uns in unseren Wohnungen treffen oder miteinander schlafen. Das ging alles von ihm aus, dass diese Dinge seither nicht mehr stattfanden. Er sagte, er muss sich jetzt zurücknehmen, weil er das keiner potentiellen Partnern zumuten will, was gerade noch in seinem Leben passiert. Ich rechne ihm das hoch an, dass er mich nicht warmhalten will. Wir treffen uns dennoch hin und wieder noch (und sehen uns natürlich im Büro, haben leider auch einige Berührungspunkte im Arbeitsalltag), gehen essen, gehen spazieren, machen Ausflüge, küssen uns, halten Händchen. Und treffen uns manchmal einfach, um über die Dinge zu reden. Wie gesagt, ist er dazu jederzeit bereit. Er sagt, er möchte mich nicht warmhalten und weiß auch nicht, wann er bereit für eine Beziehung ist. Aber er möchte den Kontakt, so wie er jetzt ist, trotzdem halten. Weil er in mir die Frau sieht, mit der er eine Beziehung möchte, wenn er bereit ist.
Und ja, ich weiß, natürlich hat das was von warmhalten. Ich kann im Moment noch nicht loslassen, werde aber trotzdem immer nachdenklicher. Ich bin 30 und habe mir alles anders vorgestellt (ja - ich gebe es zu - mit heiraten, Babies und Happy-Life). Aktuell bin ich nur unglücklich. Mit einigen Dingen, da ist er nur ein Part. An den anderen Dingen ändere ich jetzt etwas. Ich suche mir aktuell eine Wohnung in meiner Heimat. Nach 6 Jahren in dieser Stadt will ich zurück in die Heimat und suche dort aktuell eine Wohnung sowie einen neuen Job. Denn mit meinem Arbeitgeber bin ich sowieso auch todunglücklich. Er weiß mittlerweile, dass ich entschieden habe, zu gehen. Er sagt, es macht ihn einerseits schon traurig. Andererseits sieht er, wie schlecht es mir wegen Job und Heimweh seit Monaten geht und will, dass ich das tue, was mich glücklich macht. Alles andere seien „Zukunftsprobleme“. Das sagt er oft, er versucht sich nicht zu stressen mit Dingen, die in der Zukunft liegen und nicht beeinflusst werden können. Hat er wohl in der Therapie gelernt. Ich bin da ganz anders, mache mir immer Stress und nen Kopf um alles. Er stammt ebenfalls aus meiner Heimat und kann sich vorstellen, dort wieder hinzuziehen. In unserer Firma ist er auch nicht komplett happy. Daher sieht er das problemlos und meint, dass er ja sowieso auch bald zurückgeht. Also müsse ich mir gar keinen Kopf machen. Trotzdem stelle ich mir 1000 Fragen.
Wie soll ich mit seiner Vergangenheit klarkommen? Wie soll ich ihm lernen zu Vertrauen? Verschwende ich meine kostbare Zeit? Sollte ich nicht lieber einen Mann ohne Probleme suchen, mit dem ich in ein paar Jahren eine Familie gründen kann, oder ist das oberflächlich? Soll ich nicht einfach einen klaren Cut machen unabhängig davon, ob er auch zurück in die Heimat kommt? Wichtigste Frage - soll ich das ganze so weiterlaufen lassen und schauen, ob es doch noch zur Beziehung kommt? Obwohl das ewig dauern kann? Obwohl ich so nicht in der Lage sein werde, andere Männer kennenzulernen? Bin ich oberflächlich? Mache ich mir einfach zu viel Stress?
Entschuldigt den nun doch endlos langen Text. Mir wären fremde Sichtweisen echt wichtig. Wie schätzt ihr die Sache ein, was würdet ihr an meiner Stelle tun?
Danke euch vorab, Sophia