Meine Eltern wollen mir eine Immobilie übertragen. Entgegen ihrer früheren Aussagen bieten sie mir aber plötzlich ein Haus in 2km Entfernung von ihrem Haus an, statt jene Eigentumswohnung in einer deutschen Metropole, die schon seit sieben Jahren von ihnen miete und die ca. 400km entfernt ist. Hinzukommt, dass das Angebot einer Schenkung sehr plötzlich kommt und dass ich sie sehr deutlich gebeten hatte, nicht nach einem Haus in ihrer Nähe zu suchen, da wir uns hier sehr wohl fühlen. Erst zahlreiche Diskussionen mit ihnen haben dazu geführt, dass sie sich auf ihr ursprüngliches Wort zurückbesinnt haben und ich nun frei zwischen der Eigentumswohnung oder dem Haus wählen kann.
Leider macht das die Situation aber nicht weniger kompliziert. Ich habe versucht, mich kurzzufassen, es ist aber leider ein recht langer Beitrag geworden:
Für die Wohnung spricht, dass wir hier völlig autonom leben und jenseits jeglicher Einmischungen vor allem seitens meiner Mutter unser Ding machen können. Unsere Wohnung hat lediglich 64m2 und drei Zimmer, wovon eines Wohnküche ist und eines ein Wohnzimmer. Beide Zimmer lassen sich aber aufgrund von Doppelflügeltüren zu einem großen Wohnraum mit 40m2 verbinden, sodass uns die Wohnung sogar luftig vorkommt. Sie liegt außerdem im Altbau und hat eine angenehme Raumhöhe und einen schönen Balkon mit Ausblick ins Grüne in einem tollen Viertel. Die Straße ist trotz zentraler Lage sehr ruhig und es ist sonnig. Kurzgefasst lieben wir unsere Wohnung, unser Herz hängt daran und wir haben hier in den letzten Jahren alles mögliche selbst gemacht. Meine Eltern hatten auch immer gesagt, dass sie "nur auf dem Papier noch nicht mir gehört" und dementsprechend habe ich einen besonderen Bezug dazu entwickelt.
In der Wohnung ist alles platzoptimiert, dennoch fehlt mir allmählich ein eigenes Arbeitszimmer oder Büro, denn ich bin selbstständig. Das könnte ich mir auch zusätzlich mieten oder mit anderen teilen. Außerdem befinden wir uns gerade in der Familienplanung und hatten es perspektivisch so geplant, dass wir Eltern das Baby in den ersten Jahren bei uns im Schlafzimmer schlafen lassen, welches wir ihm irgendwann überlassen würden. Ab diesem Zeitpunkt würden wir im Wohnzimmer schlafen, wo wir bereits ein modernes komfortables Schrankbett und einen unsichtbaren Kleiderschrank teilweise realisiert haben (vorab zur Nutzung für Gäste). Bei einem eventuellen 2. Kind wäre die Planung so, dass die Kinder sich entweder ein paar Jahre lang ein Zimmer teilen, oder dass wir eben umziehen würden. Bis dahin würden aber noch Jahre vergehen. Wir leben sehr gerne auf weniger Quadratmetern, man ist sich sehr nah, es ist sehr gemütlich. Wir haben hier wenige, aber dafür gute Freunde. Allerdings könnte es sein, dass sie auf kurz oder lang wegen Familienplanung die Stadt verlassen...
Für den Standort spricht, dass wir die Vorzüge der Metropole lieben (auch wenn wir sie in den letzten Jahren aufgrund der Pandemie kaum ausnutzen konnten). Wir haben uns immer vorgestellt, dass unser Kind hier aufwächst und all die Möglichkeiten hat, die ich aufgewachsen in einer norddeutschen Kleinstadt (trotz Anbindung) an eine Großstadt nicht hatte – also ein vielfältiges Kulturangebot, mehr Möglichkeiten für ein vielfältiges Sozialleben etc. Da ich in der Kreativbranche arbeite, wäre ein Umzug zurück in diese Kleinstadt auch beruflich mit schlechteren Bedingungen verbunden. Zudem kommt, dass ich einen nicht-deutschen Partner habe, der sich im Multikulti der Großstadt einfach am wohlsten fühlt.
Trotz allem stellt sich bei mir manchmal eine Art Stadtmüdigkeit ein, da müsste ich generell dran arbeiten — durch Maßnahmen wie Parzelle und häufigere Ausflüge ins Umland, vielleicht würde mir das reichen... Generell habe ich einen sehr grünen Daumen und habe 60 Pflanzen auf einem 2m2 Balkon (der Wunsch nach Garten ist da, aber ob das bedeutet, dass man außerhalb wohnen und den Garten direkt am Haus haben muss, weiß ich nicht).
Für das Haus hingegen spricht, das wir viel Platz zur Verfügung hätten und auch einen kleinen Garten, sowie ein Arbeitszimmer/Atelier für mich und eines für meinen Partner und für ihn außerdem die Möglichkeit, sich zusätzlich mit einer kleinen Praxis im alternativen Bereich dort im Souterrain selbstständig zu machen. Außerdem gäbe es 1 1/2 Kinderzimmer, einen großen Wohn- Essbereich und eine Terasse. Der Garten ist angelegt. Alles ist einem guten Zustand, es müsste nur wenig renoviert werden. Die Lage des Hauses in dieser Kleinstadt/bzw. Mittelstadt ist auch gut und zentral, was meinem Partner gefallen würde, da er Autofahren hasst. Die Anbindung an die Kreativszene der Metropole, wie wir sie hier haben, würde mir fehlen, aber dafür könnte ich die Ruhe im Ort sicher nutzen, um mich zurückzuziehen und künstlerisch zu arbeiten. Und es wäre sehr einfach für mich Arbeiten und Mamasein zu verbinden, auch meine Eltern würden uns unterstützen. Das Haus ist besonders schön und ich habe mich spontan darin verliebt, obwohl ich bei der Besichtigung enttäuscht darüber war, dass meine Eltern gegen meinen Willen nach einer Immobilie für uns gesucht haben. Zu diesem Haus "Nein" zu sagen, würde vielleicht bedeuten, später kein ebenso schönes Haus mehr zu finden.
Gegen das Haus spricht aber, die komplizierte Situation mit meinen Eltern und meinem Bruder, der ebenfalls im Ort lebt. Mein Bruder ist vor anderthalb Jahren in das Haus neben meinen Eltern eingezogen. Dabei hatten sie mich eigentlich bereits gefragt, ob ich dort einziehen möchte und da ich zu dem Zeitpunkt ein Stipendium im Ausland hatte, hatten mein Partner und ich uns das Haus nicht zusammen angucken können, was dann darin resultierte, dass mein Bruder ohne weitere Kommunikation mit mir und trotz meines Protests gegenüber den Eltern dort eingezogen ist. Es hat einen viel schöneren größeren Garten und es wurde wesentlich hochwertiger von meinen Eltern saniert (alles ist neu, auch Küche und Bäder). Dafür ist der Grundriss im anderen Haus besser.
Die Familiensituation war nach diesem Einschnitt lange sehr schwierig für mich und ich hatte sogar Depressionen deswegen. Es hat sich angefühlt, als ob meine Eltern meinen Bruder vorziehen und es hat mich gekränkt, dass Entscheidungen von so großer Wichtigkeit in der Familie nicht offen und im Gespräch mit allen geklärt, sondern über meinen Kopf hinweg getroffen wurden. Zudem bin ich fünf Jahre älter und daher eher in der Situation, mir über Familiengründung etc. Gedanken zu machen. Die Situation meines Bruders dagegen war "Studium gerade absolviert und das erste Mal mit der Freundin zusammen ziehen und ausprobieren, ob das funktioniert". Aber just dieser Bruder ist schon immer der Liebling der Mutter gewesen... Und damit müsste man auch ein Stück leben, wenn man dorthin zieht, man müsste es wegen der übrigen Vorteile tun (s.o.). Selbst meinem Partner, der eigentlich in der Metropole super glücklich ist, gefällt das Haus so sehr, dass er man fast nicht nein dazu sagen kann.
Viele Menschen träumen von einem Haus, ich habe mich eigentlich nicht dazu gezählt. Ich bin in einem Haus aufgewachsen und habe vor allem mitbekommen, wieviel Arbeit das mehr an Quadratmetern ist - dreißig Jahre lang renovieren und ein Alltag der sich nur mit Putzhilfe zweimal die Woche bewältigen ließ. Darauf habe ich eigentlich keine Lust und dass ich überhaupt über dieses Haus nachdenke, liegt daran, dass es in so einem guten Zustand ist.
Meine Eltern sind insgesamt auch keine unkomplizierten Charaktere und sie versuchen auch durchaus uns Geschweister mit Geld zu manipulieren. Man muss schon einiges an Willensstärke aufweisen, um sich ihren permanenten Einflussnahmen zu entziehen. Ich mag sie sehr und ein Teil von mir wünscht sich, sie in meinem Alltag mehr um mich zu haben. Ich bin sehr jung sehr weit weggezogen (ins 13 Zugstunden entfernte Ausland, wo ich 5 Jahre lang gelebt habe und dann für 7 Jahre in die besagte Metropole).
Gleichzeitig habe ich große Angst davor, dass wir uns viel streiten und es alles nur verkomplizieren würde. Es ist ja so schon kompliziert.
Wie kann ich diese Entscheidung nur treffen? Was würdet ihr mir raten?
Vielen vielen Dank fürs Lesen! Ich bin für alle Tipps und Ratschläge dankbar.