Hallo zusammen
Vielleicht kann mir hier jemand ein paar Einblicke geben, da mir das Konzept "Familie" irgendwie schwer fällt.
Bei mir ist es so: ich habe keine emotionale Bindung zu meiner Familie. Diese hat man halt - die Blutsverwandschaft kann man sich nicht aussuchen. Meine Mutter ist bereits seit 15 Jahren tot und mit meinem Vater war es schon immer ein schwieriges Verhältnis. Kurzum: das Familienkonzept Eltern und ich als Kind war immer sehr unemotional und lieblos. Ich hab mich daher schon früh abgenabelt und war und bin selbständig und unabhängig. Die weitere Verwandschaft wohnt mindestens 4 Stunden entfernt und bereits als Kind hatte man die Beziehung zu Onkel, Tanten, Cousins, etc. nicht aufrecht erhalten (was mich aber nicht gestört hat). Ich kenne es also nicht anders.
Nach einer mehrjährigen Funkstille mit meinem Vater (ca. 6 Jahre) hatten wir wieder Kontakt, da er sich in einer hässlichen Scheidung von seiner zweiten Frau befand. Ich habe ihm damals geholfen, was das ganze Finanzielle, den Papierkram, Gerichtsbesuche anging. Als Tochter, auch nach mehrjähriger Funkstille, empfand ich doch eine gewisse.... Verpflichtung dazu. Nach der Scheidung durfte ich mir 5 Jahre lang anhören, wie fies, böse, gemein und hinterhältig seine Ex-Frau war (ich habe sie nicht persönlich kennen gelernt). 5 Jahre lang mehrmals wöchentlich mir die gleichen Stories und Negativitäten angehört. Abgesehen davon ist ja eh die ganze Welt schlecht und jeder will ihm nur Schlechtes.
Ich habe mir gedacht, na ja, das liegt am zunehmenden Alter, dass er verbittert ist und immer mehr wird (er ist 75 Jahre alt). Das Ganze hat mich viel Energie gekostet - ja, ich war selber Schuld und habe ihm keine Grenzen gesetzt.
Letzten Frühling hatten wir einen Streit, weil ich ihn gefragt habe, warum er so negativ, verbittert und unterschwellig aggressiv gegenüber vielen Menschen ist. Er könnte jetzt doch sein Leben geniessen. Mein Partner und ich haben ihn auch mehrere Male zum Urlaub eingeladen, er wollte jedoch nie mitkommen. Na ja, nach heftigen Vorwürfen gegen mich (ich würde ihn nicht in mein Leben integrieren, obwohl er im Haus neben mir wohnt, 3 Mal die Woche zum Kaffee vorbeigekommen ist oder ich ihm seine IT-Probleme oder Bankangelegenheiten geregelt habe), habe ich ihn zum Haus rausgeworfen. Seitdem herrscht Funkstille, mehr oder weniger. Die einzige Info, die ich letztes Jahr noch erhalten habe ist, dass er wieder mit seiner Ex-Frau zusammen ist und ihren Aufenthalt sicherstellen will. Ich müsste jedoch keine Angst haben, da
Mein Problem oder eben mein nichtvorhandenes Problem: es ist mir egal, dass wir keinen Kontakt mehr haben. Obwohl er 50 Meter neben mir wohnt. Irgendwie finde ich es merkwürdig, dass es mir so egal ist. Die Aussage "Blut ist dicker als Wasser" hat für mich keine Bedeutung - ich finde das stimmt nicht. Mir geht es besser, seit ich keine negativen Gespräche mehr mit ihm führen muss. Ich lebe entspannter ohne daran denken zu müssen, dass er dauernd vorbeikommt und von seinen Problemen berichtet (positive Sachen gab es nicht in seinem Leben).
Und trotzdem sagen mir einige Leute, dass man als Tochter gewisse Verpflichtungen hat und man auch aufgrund des Alters meines Vaters dies halt über sich ergehen lassen muss.
Bin ich nun wirklich so falsch, dass ich in meinem Leben keine negativen Faktoren haben will? Verstehe ich das Konzept Familie einfach nicht?