Ich sehe diese ungleiche Stellung in der Anrede auch, wohl etwa so seit ich in die Grundschule gekommen bin. Als ich Lehrer (es gab tatsächlich einen an der Schule) mit "Herr" und Lehrerinnen mit "Frau" ansprechen sollte. Irgendwie komisch fand ich das schon, ungerecht eher nicht, und habe nie ein Problem darin gesehen.
Vielleicht ist es ein kleines Problem, da Sprache sehr oft auch das Denken unbewusst beeinflusst. In ganz vielen Bereichen des Lebens, und manchmal auch ganz gezielt, denke ich. Es gibt aber hunderte andere, viel größere Probleme in der ungleichen Behandlung von Frauen, deswegen finde ich diese Sache mit der Anrede ziemlich unwichtig und schon gar nicht würde ich mir Gedanken über Änderung der Sprache machen. Das wird alles sehr schnell umständlich und unnatürlich. Es ist ganz gut, sich darüber mal Gedanken zu machen, sich dessen bewusst zu werden; mehr nicht. Das sage ich auch als sehr emanzipierte und selbstbewusste Frau.
Es war für mich sogar eher so, dass ich gar nicht mit Dame angeschrieben bzw. angesprochen werden wollte. Für mich hatte Dame lange Zeit sowas von "feine Dame", so etwas etepetete, unnatürlich, vielleicht etwas eingebildet, hochnäsig, ängstlich vor Getier wie Spinnen und Mäusen, ich denke ihr versteht mein Bild, das ich da hatte. Und das war so gar nicht ich. Ich war ein Mädchen, dann eine Frau, aber keine Dame. Mit 20 hatte ich mich dann doch daran gewöhnt :-)
Dass wir das "Fräulein" losgeworden sind, finde ich wichtig. Das war ja nicht nur eine saublöde Bezeichnung, sondern macht noch den Unterschied, unverheiratete Frauen seien irgendwie kleiner, weniger Frau. Das finde ich echt abwertend.
LG Julia