Ich wollte mal allen Mut machen, die unter einer ernsthaften Nadelphobie leiden.
Es gibt Leute die sagen, ja, ich hab auch Angst vor Nadeln, aber ich geh trotzdem hin. Das ist keine Nadelphobie. Angst und Phobie sind zwei unterschiedliche Welten.
Meine Phobie erlebe ich so: Anflüge von Panikattaken (zittern, schwitzen, Bedürfnis zu weinen), wenn ich nur an eine Nadel denke, die in die Nähe meines Körpers kommt, für mich sind Nadeln 3 Meter groß, obwohl sie natürlich nur wenige cm groß sind, Vermeidung, ich war bestimmt 18 Jahre nicht mehr beim Impfen/Blut abnehmen.
Bis heute. Ich habe mir heute meine erste Corona-Impfung abgeholt. Und ich bin total stolz drauf. Wie ich das geschafft habe?
Ich bin mit 30 Jahren jetzt für mich im Kopf bereit dazu gewesen zu sagen, dass ich es schaffen kann. Vorher war ich das nicht. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Lasst euch zu nichts zwingen, wozu ihr nicht bereit seit. Sprüche wie, stell dich nicht so an, haben mir nur noch mehr bestätigt, dass man mich nicht ernst nimmt. Ich hab auch schon vergebens versucht meine Phobie mit Psychotherapie und Hypnose zu bekämpfen. Das waren viele verschwendete Monate. Ich war einfach nicht bereit dazu.
Eine Stunde vorher habe ich mir Emla auf den Arm gemacht. Das ist eine Betäubungscreme. Im Kopf ist mir klar, das braucht man eigentlich gar nicht. Ich, für meinen Kopf, brauchte das aber. Es war mir auch egal, ob darüber jemand lacht. Am Ende ist das alles ja eh nur eine Kopfsache.
Vom Gassi gehen mit dem Hund zurück, hab ich mich zu Hause gar nicht erst hingesetzt, sondern bin sofort wieder los zum Impfzentrum um die Ecke.
Auf dem Weg dahin fing mein Puls zwar an zu rasen, aber ich sagte mir immer wieder, geh hin, du schaffst das. Nebenbei hörte ich Musik.
Ich Wartezimmer selbst stieg meine Panik. Ich hatte Herzrasen und atmete schwerer, die Musik weiter im Ohr. Dann wurde ich aufgerufen. Ein kurzes Gespräch mit der Ärztin. Ich konnte mich gut zurück halten, bis ich etwas unterschreiben musste. Das ging kaum, da ich so am Zittern war. Sie hat das gesehen und mich super lieb gefragt, ob alles in Ordnung ist. Ich hab ihr unter Tränen von meiner Phobie und den schlechten Erfahrungen in der Kindheit erzählt und das das heute nach 18 Jahren meine erste Impfung ist, ich Panik habe, aber das unbedingt will. Sie war super lieb, unterstützte mich und hat mich persönlich zur Impfstelle gebracht. Dem Impfpersonal sagte sie, dass ich eine schwere Phobie habe. Die waren dann auch super lieb zu mir. Ich sagte, ich mach mir Musik auf die Ohren. Ich will nichts sehen und nichts hören. Die sollen einfach machen.
Und dann war es auch schon vorbei. Ich heulte wie ein Kleinkind Rotz und Wasser, weil die Anspannung von 18 Jahren einfach von mir abfiel. Sie lobten mich und sagten ich hab das ganz toll gemacht. Das erste Mal in 30 Jahren hatte ich ärztliches Personal, welches mich wirklich ernst genommen hat.
Meine Wege zur erfolgreichen Impfung:
1. Eigener Wille, ohne dem nützt auch jede Therapien und jeder gut gemeinte Ratschlag nichts
2. Emla (Betäubungssache), egal ob Kopfsache oder nicht. Ich schaffe es mit Emla und werde es nie wieder ohne machen.
3. Verständnisvolles Personal
Es war ein Anfang für mich.
Blutabnahmen kommen nach wie vor nicht in Frage. Daran werde ich ewig zu knabbern haben. Aber Impfungen sind einfach wichtig. Das weiß auch mein Verstand. Der nächste Schritt ist die 2. Impfung in ein paar Wochen. Ich hoffe wirklich sehr, es dann ohne weinen vor allen zu schaffen. Nachdem ich heute nicht, wie all die Jahre davor schlagartig die Flucht ergriffen habe, ist das nun mein nächstes Ziel.
Ich freue mich auf eure Geschichten.