Nachdem mein Vater 2019 verstarb, ist alles anders. Die Familie meines Bruders, die sich vielleicht ein, zwei Mal im Jahr bei meinen Eltern sehen ließen, sind plötzlich ständig präsent. Nachdem mein Bruder sich ein Bild vom Nachlass meines Vaters gemacht hat, ist er inzwischen 14-tägig vor Ort und umgarnt geradezu meine Mutter. Ich kann es sogar verstehen, dass meine Mutter das jetzt genießt, da sie ja jahrelang verzichten musste.
Nun hat mein Bruder meine Mutter soweit manipuliert, dass diese das gemeinsame Testament so geändert hat, dass mein Brudere nach ihrem Tod das Elternhaus bekommen soll. Zuvor hatten meine Eltern ihren letzten Willen so formuliert, dass wir zu gleichen Teilen erben sollen.
Mir geht es in erster Linie gar nicht darum, dass dies ungerecht ist, dass meine Mutter letztendlich ihren Willen zu Lebzeiten so formulieren kann, wie sie will.
Ich kann einfach nicht begreifen, was mit mit meinem Bruder passiert ist. Wir hatten zuvor ein sehr schönes Verhältnis, meine Schwägerin war Familie und Freundin zugleich, wir sind zusammen verreist und haben uns sehr oft getroffen. Es war immer schön und ich hätte nie gedacht, dass das mal so kommt.
Mir hat es immer leid getan, dass meine Eltern von der Familie meines Bruders selten besucht wurden, aber mein Bruder hatte nicht das Interesse und hatte sein eigenes Leben. Auch dass sie dadurch die Enkel selten sehen konnten, hat meinen Bruder und dessen Frau nicht tangiert.
Und auf einmal ist alles anders. Meine Mutter fährt total auf ihn ab und ich bin rausgekickt worden.
Ich bin noch dazu in der schlechten Situation, dass ich jetzt in der Coronapandemie Abstand nehmen muss, da ich Risikopatientin bin und zu Hause viel alleine bin. Das gibt natürlich genug Gelegenheit, immer wieder über die unschöne Situation nachzudenken. Oft habe ich versucht, mit meiner Familie darüber zu reden, aber mir wird vorgeworfen, dass ich nur an das Geld denke und endlich Ruhe geben soll.
Jetzt kommt die Weihnachtszeit und wir werden zum zweiten Mal nicht dabei sein. Im letzten Jahr wurden wir ausgeladen, da der Streit ganz frisch war und in diesem Jahr ist nun Corona Schuld, und mir wirft man jetzt vor, dass ich sowieso nicht dabei sein kann.
Ich fühle mich sehr schlecht und traurig. Mein Mann und ich haben keine Kinder, wir haben nur die Familie. Er tröstet mich und sagt immer, dass mein Bruder jetzt sein wahres Gesicht zeigt und dass irgendwann die Quittung kommt.
Ich fühle ich wirklich verraten und verkauft. Da wird jetzt schon alles weiter vererbt, obwohl meine Mutti doch noch lebt. Wie schäbig ist das denn.
Ich weiß, dass solche Erbstreitigkeiten keine Seltenheit sind. Ich habe mich den ganzen Sommer über zurückgezogen, nur hin und wieder mal meine Mutti angerufen, zurück gerufen hat sie nie. Ich überlege tatsächlich, ob ich mit der Familie breche, denn mich macht das Ganze echt fertig, zumal meine Gesundheit erheblich leidet.