Hallo zusammen. Ich möchte euch hier gerne meine Geschichte erzählen in der Hoffnung ein paar andere Sichtweisen und Meinungen dazu zu bekommen.
Ich bin 40 Jahre und habe meinen jetztigen Mann mit fast 23 Jahren kennengelernt. Damals stand er kurz vor Beginn seines Auslandsstudiums.
2 Jahre Fernbeziehung im extrem, dann noch 1 Jahr Wochenendbeziehung weil er einen Studienplatz knapp 100km entfernt von meinem Wohn- und Arbeitsort hatte und dann wagten wir den Schritt in eine gemeinsame Wohnung in meiner Heimatstadt im Ruhrpott, da er dort weiterstudieren konnte.
Die Jahre vergingen, ich arbeitete, er studierte. Es lief eigentlich ganz gut. Höhen und Tiefen wie sie normal sind. Bis er sich nach seinem Studium eine Arbeit im Sauerland besorgte. Da gab es die erste riesige Diskussion, weil ich es nicht nachvollziehen konnte wieso er knapp 60km weit zur Arbeit fahren wollte mit der Aussage das würde er aber nicht ewig pendeln, wenn ich doch hier meine Arbeit, Familie und Freunde hatte. Als Arzt hätte er definitiv überall eine Stelle bekommen.
Immer wieder kam die Sprache darauf, dass er es sich gut vorstellen könnte die Praxis seines Onkels in seinem Heimatort im Sauerland zu übernehmen.
Ich konnte mir das nie vorstellen dort einmal zu leben. Hatte die Gegend dort ja durch Besuche bei seinen Eltern ausreichend kennengelernt. zu dem Zeitpunkt machte ich mir jedoch nicht allzuviele Sorgen weil ich meinen Partner für sehr kompromissbereit gehalten habe.
Wir heirateten und ein Jahr später wurde unsere Tochter geboren. Da ich aufgrund unserer wahnsinnigen Gehaltsdifferenz (bin Frisörin) nach der Elternzeit nur noch Teilzeit arbeiten würde (theoretisch hätte ich vmtl. gar nicht arbeiten müssen aber ich arbeite sehr gerne) fing er immer häufiger damit an, dass wir ins Sauerland ziehen müssten weil er ja Vollzeit arbeitet und ich ja wenn überhaupt erstmal nur 1 Tag. Da wäre es ja ungerecht wenn er pendeln müsste.
Ich weiß bis heute nicht warum ich nach langen Diskussionen und vielen Tränen zugestimmt habe. Ich wollte nicht weg von meinen Eltern und Geschwistern, die mich mit der kleinen so toll unterstützten. 3 Freundinnen wurden kurz nach mir schwanger. sie machten das erste Lebensjahr mit meiner Tochter zu einer tollen Erinnerung.
trotzdem fühlte ich mich verpflichtet mit meinem Mann zu gehen, der sich leider nie dazu bereit erklärt hat einen Kompromiss zu finden und sich vielleicht woanders selbstständig zu machen. Zusammen mit mir etwas neues aufzubauen, anstatt sich ins gemachte Nest zu setzen, weil er ja nach eigener Aussage schließlich die Verpflichtung hat seine Familie zu unterstützen. Das könnte ich nicht verstehen.
All das was mir wichtig ist habe ich in dem Moment verloren, als ich die größte Fehlentscheidung neines Lebens beging und wir, als meine Tochter 1 Jahr wurde, ins Sauerland zogen.
Ich war unglücklich. Kein Park mehr vor der Haustür, kein Spaziergang mit den Freundinnen, keine Mutter, die man besuchen konnte wenn einem die Decke auf den Kopf fiel. Uns trennten jetzt immerhin 100km und meist volle Autobahnen. Dazu der Mann jeden Tag von morgens bis abends arbeiten zu dem Zeitpunkt noch im Krankenhaus.
Ich versuchte über Krabbelgruppen Kontakte zu finden. Nahezu unmöglich. Jeder kannte jeden und ich bin jetzt auch nicht gerade ein Mensch dem es leicht fällt auf andere zuzugehen. Rad fahren, mein liebstes Hobby, keine Chance. Nur Berge hoch und runter und keine Radwege. Auf der Landstraße macht es auch keinen Spaß wenn die Autos mitt 100 an einem vorbeibrettern. Vor allem nicht mit Kind.
Ich versuchte es weiterhin. Doch knapp ein halbes Jahr nach dem Umzug wurde ich schwanger - mit Zwillingen.
Jetzt braxh alles zusammen. Die Schwangerschaft war nicht ohne. Die Kontakte die ich begonnen hatte zu knüpfen konnten nicht weiter gepflegt werden und zerbrachen bis auf einen einzigen komplett.
Ich fühlte mich überfordert und erinnerte meinen Mann an sein Versprechen mit mir zurück zu gehen, sollte ich es nicht aushalten. Leider war er sehr abweisend. Ich sollte ihm etwas passendes an Wohnung präsentieren und wenn es ihm gefallen würde dann könnten wir ja nochmal drüber reden. Aber seine Arbeit wäre nunmal hier und er würde hier auch nicht wegwollen. So schlimm wie ich es darstellen würde wäre es nicht.
Leider war ich körperlich und psychisch nicht mehr dazu in der Lage etwas zu ändern.
Die ersten zwei Jahre nach der Geburt würde ich am liebsten aus meinem Gedächtnis löschen. Ich weinte täglich und fing irgendwann an mir vorzustellen mich und die Kinder umzubrigen. Es wurde erst besser als die beiden in die Kita gingen. Aber die Gedanken an Selbstmord kamen trotzdem zurück. Irgendwann habe ich es geschafft mir Hilfe zu suchen.
Seit knapp einem Jahr mache ich nun Therapie und nehme auch Antidepressiva
Damit geht es einigermaßen. Ich lerne "nein" zu sagen und habe das Gefühl selbst-bewusster geworden zu sein.
Vor kurzem war ich bei einer Anwältin und habe mich über Scheidung beraten lassen. Leider verlief das Gespräch für mich nicht positiv. Jetzt wo mein Mann komplett im der Praxis arbeitet, hätte er die Möglichkeit genug Geld zu verdienen auch wenn er nur vormittags arbeitet. Die Kinder sind hier aufgewachsen und haben ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater. Die Wahrscheinlichkeit dass ein Gericht die Kinder bei ihm lassen würde ist recht hoch. Und ohne meine kinder kann ich unmöglich so weit fortziehen. Es scheint als ob in meinem Fall wirklich die eine falsche Entscheidung ein zurück nicht mehr zulässt.
Wenn ich es schaffe die Vergangenheit ruhen zu lassen, läuft unsere Ehe einigermaßen und wir haben auch durchaus noch ein paar schöne Momente. Leider kann ich ihm jedoch nicht verzeihen, dass er nie kompromissbereit war und auch sein Versprechen nicht gehalten hat.
Jetzt möchte er im Nachbardorf ein Haus bauen. Zeitgleich habe ich ein Haus in meiner Heimatstadt gefunden, dass ich sofort gekauft hätte. Da er immer wieder betont hat, dass er im Notfall mit mir zurück gehen würde, habe ich es jetzt versucht mal genauso zu machen wie er und ihm gesagt, dass ich unbedingt dieses Haus kaufen möchte und nichts anderes für mich in Frage kommt.
Seine Antwort wie immer die gleiche: es wäre ihm gegenüber total ungerecht da er ja schließlich als Hauptverdiener gezwungen wäre die weite Strecke zu pendeln. Eine Übernachtung in der kleinen Wohnung über der Praxis oder bei seinen Eltern, um nur 2x die Woche zu pendeln kommt für ihn auch nicht in Frage weil er die Kinder täglich sehen will. Außerdem mag er die Großstadt nicht.
Ich sehe die logik dahinter, da der Besuch bei meiner Familie natürlich Freizeitvergnügen ist, aber mein Gefühl sagt etwas ganz anderes. Es geht ja nicht nur um Geld, sondern auch das Lebensgefühl und den Lebensmittelpunkt.
Mein Mann sagte er würde nur mit mir dort einziehen, wenn die andere Alternative Trennung wäre.
Ich konnte ihn einfach nicht vor so eine Wahl stellen. Letzte Woche habe ich abgesagt. Seither ist kein Tag vergangen an dem ich nicht daran gedacht habe dass ich es hätte tun sollen. Jetzt ist die nächste Entscheidung im Sinne meines Mannes gefallen.
Meine Psychologin sagt, ich muss es schaffen mich auf ein Leben im Sauerland einzulassen, sonst hat alles keinen Sinn. Ich weiß nur nicht ob ich es schaffe. Und wie lange soll ich es noch probieren? Irgendwann bin ich alt und grau und bereue mein halbes Leben.
Bin ich einfach zu egoistisch? Immer wieder muss ich mir diesen Vorwurf anhören. Dagegen ist für mich mein Mann der Egoist. Weil.er von mir verlangt dass ich sein Leben lebe. Nur ich passe einfach da nicht rein....
Mirsa