Hallo ihr Lieben,
ich schreibe euch heute, weil ich einfach mal meinen Frust abbauen möchte. Wie viele sicher wissen, befinden wir uns derzeit im muslimischen Fastenmonat Ramadan. Und natürlich herrscht in Deutschland Religionsfreiheit, jeder darf also auch fasten, wie er möchte.
Ich bin selber muslimisch erzogen worden, würde mich auch als gläubig bezeichnen, wobei ich aber meinen persönlichen Zugang zu Gott gefunden habe, ohne allzu sehr auf religiöse Traditionen, Rituale oder sogar Pflichten wert zu legen. Somit distanziere ich mich auch vom Ramadan.
Ich persönlich kann einem derartigen Fasten nichts Gutes abgewinnen, da mit diesem stundenlanges Dursten oft auch Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme einhergehen. Und ich weiß wirklich wovon ich spreche.
Außerdem muss ich sagen, dass der Monat mein ganzes Leben und vor allem das meiner Familie auf den Kopf stellt. Alles verlagert sich in die Nacht, das späte Essen und Insbettgehen der Kinder, das frühmorgendliche Aufstehen, um zum letzen Mal vor Sonnenaufgang eine Mahlzeit einzunehmen.Wenn ich es mir so recht überlege, hat sich einfach unser ganzes Leben auf die Nacht verlagert. Es kostet Kraft, macht müde, konzentrationsschwach, nervös, gereizt, ungeduldig, durtig... Ich selber faste seit längerer Zeit nicht mehr, aber selbst als Nicht-Fastende bin ich unmittelbar involviert, da meine Familie es tut.
Auch in Bezug auf Fasten bei Kindern bin ich skeptisch. Man sagt zwar, dass Kinder nur so viel fasten sollen, wie sie es selber möchten und aushalten, dennoch herrscht gerade hier fast ein Überbietungskampf. Die Kinder wollen es den Erwachsenen gleich tun, eifern um ihre Gunst und leiden stark. Wir befinden uns erst in den ersten Tagen des Ramadans, dennoch komme ich schon jetzt an meine Grenzen.
Mit meinen muslimischen Mitmenschen kann ich hierüber nicht sprechen, sie verurteilen ein solches Denken, auch dann, wenn sie eigentlich halbwegs moderat mit Religion umgehen. Auch mit meinen nicht-muslimisch-deutschen Freunden kann ich nicht gut über das Thema sprechen. Viele können sich nicht in die Situation hineinversetzen oder machen sich über den Leidensdruck, der mir und uns alljährlich entsteht, keine Gedanken. Außerdem existiert die große Angst, gerade als Deutscher als rassistisch oder islamophob wahrgenommen zu werden. Und so findet man im Internet auch so gut wie keinen Artikel, der sich kritisch mit dem Thema Ramadan auseinandersetzt, und wenn dann nur von radikalen Parteien wie z.B. der AfD. Dabei liegen die Gefahren, die bspw. mit fastenden Chirurgen, Busfahrern etc. einhergehen, doch quasi auf der Hand! (Für alle, die es nicht wissen, ich betone hier nochmal, dass fastende Muslime über ca. 17 Stunden noch nicht einmal einen Schluck Wasser trinken dürfen!)
Ich habe das Gefühl, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der muslimischen Religion hier in DE generell nicht möglich ist. Das finde ich traurig und sogar bestürzend, da wir doch eigentglich ein kritisches, rational geprägtes Land sind. Ich als Muslimin möchte natürlich auch niemandem den Islam verbieten, aber ich wünsche mir doch auch einmal eine kritische Betrachtung des Ganzen, und das auch von meinen deutschen Mitmenschen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Muslime diesen Beitrag verunglimpfen werden und einige Nicht-Muslime sich nicht mit einer derartig komplexen Thematik beschäftigen wollen oder sich nicht trauen. Dennoch wage ich hier den Schritt, quasi wie in einem offenen Brief. Ich möchte auf die Situation aufmerksam machen!
Ich könnte noch viele weitere Punkte nennen, die hier aber den Rahmen sprengen würden, das Beschneidungsgebot bspw. (Wisst ihr eigentlich, wie viele Muslime nach der Beschneidung mal abgesehen von den physischen und psychischen Schmerzen sexuelle Probleme in ihrem Leben haben, da ihnen bei der Zirkumzision wichtige Nerven durchtrennt worden sind, so auch mein Ehemann? Sie leiden außerdem an ständiger Trockenheit an der Stelle, die eigentlich einmal Schleimhaut war) Wisst ihr, in welchem Dilemma ich mich befinden werde, wenn ich einen Sohn gebäre, weil ich ihm das ersparen möchte, ich aber in der muslimischen Gesellschaft noch nicht EINEN EINZIGEN Menschen getroffen habe, der mich in diesem Punkt verstehen würde?
Wie gesagt, ich möchte hier nichts gegen meine Religion sagen (und ich weiß, die meisten Muslime würden mich aufgrund meiner Kritik bereits als Ugläubige bezeichnen), ich würde wie gesagt sogar behaupten, einen wunderschönen persönlichen Zugang zu meinem Glauben und zu Gott gefunden zu haben, dennoch muss ich das hier einfach einmal los werden!
Ich würde mich über Antworten, Meinungen usw. freuen.