Hallo zusammen,
nachdem ich hier sonst immer nur passiv unterwegs war, muss ich mich jetzt auch mal mit einem Problem an euch wenden. Und zwar geht es um meinen Freund (21), mit dem ich (20) seit etwas über einem Jahr zusammen bin. Am Anfang schien alles perfekt zu sein, ich war so verliebt wie noch nie zuvor (ist auch meine erste "ernste" Beziehung) und wir hatten auch immer tolle Gespräche und Unternehmungen. Das einzige was mich immer gestört hat (was ich anfangs aber ausgeblendet hab), ist dass er sehr beschäftigt ist.
Er ist extrem ehrgeizig, was sein Studium angeht und ist da nie mit sich zufrieden. Dadurch verbringt er natürlich extrem viel Zeit mit lernen und macht sich auch selbst immer viel Stress. Wenn er zum Beispiel ein Referat halten muss oder eine Hausarbeit schreiben etc. redet er Wochen vorher von kaum etwas anderem, betont immer wieder wie viel er zu tun hat und je näher der Abgabetermin rückt, desto weniger Zeit hat er. Auch wenn wir uns dann mal sehen, kann er kaum abschalten und ich hab dann immer schon fast ein schlechtes Gewissen, ihn vom Lernen abzuhalten (auch wenn das nie sagt und sich auch immer freut mich zu sehen). Ich studiere selber und kann verstehen, dass es manchmal eben stressig ist und ich bin auch niemand, der seinen Partner jede freie Minute sehen muss. Ich hab gerne Zeit für Hobbies, Freunde usw., aber ich finde er steigert sich da einfach zu sehr rein. Selbst in seinem Erasmus Semester war er so gut wie nur am Lernen und hat oft bis 3 Uhr morgens noch irgendwelche Sachen für die Uni gemacht, obwohl er sich seine Leistungen dort für sein Studium gar nicht anrechnen lassen kann. Er sagt selbst, dass er das nur "fürs Ego" macht und weil es ihn so interessiert.
An sich find ich es ja toll, dass er sein Studium so ernst nimmt und auch Spaß daran hat, aber ich kann seinen Perfektionismus und sein in meinen Augen total übertriebenes Lernverhalten einfach nicht nachvollziehen. Er bezeichnet sich selbst als Workaholic und ist da auch noch stolz drauf. Ich finde das alles irgendwie sehr übertrieben und kann mir auch nicht vorstellen, dass ihm das auf die Dauer gut tut. Und natürlich mache ich mir Sorgen, wie es mit unserer Beziehung in Zukunft aussehen wird. Manchmal hab ich das Gefühl, wir haben ganz andere Lebenseinstellungen: ich Versuche natürlich auch, erfolgreich in meinem Studium zu sein, aber es ist für mich auch kein Weltuntergang mal keine 1,0 zu haben. Und mir ist es wichtig, möglichst viel zu erleben, zu reisen, mein Studentenleben "auszunutzen" usw. Er scheint jetzt schon so auf Leistung und Karriere fixiert zu sein. Und er sieht ja auch ein, dass er sich da sehr reinsteigert, aber er ist glücklich damit und ich kann und will ihn ja auch nicht verändern.
Gleichzeitig gibt er sich immer Mühe, wenn ich Probleme anspreche. Neulich hab ich ihm zum Beispiel gesagt, dass ich gerne mehr Zeit mit ihm verbringen würde, weil wir uns unter der Woche meist erst spät abends sehen und am Wochenende hat er auch selten mal einen ganzen Tag Zeit. Dazu kommt, dass wir seit etwa zwei Monaten eine Wochenendbeziehung führen, weil ich fürs Studium weggezogen bin (130km). Das hat bisher auch gut geklappt, haben uns jedes Wochenende gesehen, abwechselnd bei ihm und bei mir, und hatten immer schöne Tage miteinander, außer dass er ständig darüber geredet hat, wie viel er gerade eigentlich lernen müsste. Nur jetzt bin ich über die Semesterferien Zuhause und hatte mich gefreut, ihn wieder öfter zu sehen und stattdessen ging es dann meist trotzdem erst (spät) abends oder er musste dann morgens gleich wieder los, um zu lernen. Insgesamt sehen wir uns wenn ich Zuhause bin meist so 3-4 mal pro Woche. Jedenfalls hab ich mit ihm darüber geredet, dass mich das etwas enttäuscht und dann war er sehr verständnisvoll und hat mir versprochen, dass er sich Mühe gibt, mehr Zeit mit mir zu verbringen. Und das versucht er auch, aber ich hab einfach das Gefühl, dass er ein viel geringeres Nähebedürfnis hat als ich. Er meinte auch erst, dass es doch nicht so schlimm ist, wenn wir uns erst spät treffen (schlafen dann immer beieinander), erst als er dann gemerkt hat, dass es mich wirklich stört, hat er es dann eingesehen. Mit spät meine ich übrigens 22 / 23 Uhr, also so dass man wirklich nicht mehr viel machen kann außer schlafen. Ich merke jetzt auch, dass er sich Mühe gibt, aber ich hab gleichzeitig auch etwas Angst ihn einzuengen. Und ich will auch nicht, dass er wegen mir sein Studium vernachlässigt, mir ist klar, dass das für ihn an erster Stelle steht. Fände es einfach schön ihn jeden zweiten Tag oder so zu sehen, wenn wir schon die Möglichkeit haben und auch mal sich schon etwas früher am Abend zu treffen und am Wochenende mal einen Tag zusammen verbringen.
Das alles machen wir auch, nur eben selten. Wenn wir uns dann sehen, ist es immer wunderschön und er zeigt und sagt mir auch immer, dass er mich liebt. Und ich liebe ihn auch über alles, daran hab ich gar keine Zweifel. Ich genieße jede Sekunde mit ihm, wir haben auch bis auf Kleinigkeiten sehr ähnliche Ansichten, den gleichen Humor, ich kann einfach komplett ich selbst sein bei ihm und er akzeptiert wirklich alle meine Macken, obwohl ich sicherlich auch nicht immer einfach bin. Ich genieße echt jede Sekunde mit ihm und ich will ihn eigentlich auch auf keinen Fall verlieren - trotzdem habe ich immer wieder Zweifel an der Beziehung.
Ich hab einfach Angst vor der Zukunft, wenn er jetzt schon so "überehrgeizig" ist und es jetzt schon oft so schwierig ist gemeinsame Zeit zu finden. Wie soll das erst werden, wenn er dann anfängt zu arbeiten? Ich will einfach nicht auf Dauer so wenig gemeinsame Zeit haben. Obwohl die Zeit mit ihm immer perfekt ist und er überlegt sich dann auch immer tolle Unternehmungen und alles. Aber auf die Dauer reicht mir das glaube ich nicht und ich weiß echt nicht, wie ich mit seiner "Arbeitssucht" umgehen soll, einfach weil ich das nicht verstehe und da ganz anders eingestellt bin. Aber gleichzeitig will ich ihn natürlich auch so akzeptieren wie er ist und er gibt sich ja auch schon Mühe, jetzt wo er weiß, dass mich die wenige Zeit belastet. Ich hab einfach Angst, dass wir zu unterschiedlich sind, aber gleichzeitig mach ich mir vielleicht auch zu viele Gedanken...
ich werde jetzt auf jeden Fall nochmal ausführlich mit ihm über meine Sorgen sprechen und ich will mich auch nicht trennen, aber mich lässt dieses ungute Gefühl irgendwie nicht los. Ich muss immer wieder daran denken, wie unterschiedlich wir in der Hinsicht sind und ob hnsere Beziehung daran irgendwann kaputt gehen wird. Ich fühl mich einfach immer so zweitrangig hinter seinen Noten, Leistungen, ...Aber vielleicht ist das auch egoistisch von mir, schließlich will ich ja auch, dass er in der Uni und später im Beruf erfolgreich ist. Nur hab ich das Gefühl, dass er immer mehr das Gleichgewicht zwischen Lernen / Arbeit und Freizeit verliert.
Tut mir leid für den ewigen Text und vielen Dank an alle, die ihn sich trotzdem durchgelesen haben. Ich bin gerade ziemlich verwirrt diesbezüglich und würde einfach gerne mal ein paar Meinungen dazu hören, vielleicht hat ja auch jemand ähnliche Erfahrungen gemacht und kann berichten, wie sie damit umgegangen ist. Danke schonmal!